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Luegit vo Bärge und Tal – Die schönsten Aussichtspunkte der Schweiz

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Luegit vo Bärge und Tal – Die schönsten Aussichtspunkte der Schweiz

  • Text: Thomas Widmer; Foto: Swiss Image

Schwindelfrei von Vorteil: Wanderkolumnist Thomas Widmer erzählt uns von den neun schönsten Aussichtspunkten der Schweiz.

Von schöner Aussicht können wir nie genug kriegen. Kein Wunder, es gibt ja so viel davon! Thomas Widmer weiss, wo sie am schönsten ist.

Steiniger Tisch, SG
Der Buechberg: Ein Fels spielt Sprungbrett.
Links und rechts fällt das Gelände steil ab, hier verenden die Voralpen. Bloss der Buechberg zieht sich über Hunderte Meter weiter. Am vordersten Punkt, dem Steinigen Tisch, sieht man den Bodensee und das Rheintal und hat im Rücken die schmucken Höhen Ausserrhodens. Die Appenzeller müssen über diesen Ort knapp im St. Galler Territorium neidlos sagen: «Jo, er ischt recht sichtig.»

Crap Carschenna, GR
Thusis, Zugperron, Blickrichtung Süden:
In der Verlängerung der Gleise sehen wir einen Felsen. Dort oben waltet die Prähistorie. 1965 entdeckte ein Forstingenieur unter Moos und Humus Gravuren. Elf glatte Felsrücken aus Schiefer wurden freigelegt. In sie kerbten Menschen irgendwann Symbole, Sonnenkreise etwa. Selber wie der Homo Vorzeit fühlen wir uns, wenn wir oben – vorsichtig! – an die Felskante treten und hinab ins Domleschg schauen, auf den mächtigen Hinterrhein. Eine sakrale Sicht, fürwahr!

Grosser Mythen, SZ
Warnung: Mythen kann abhängig machen!
Ein exklusiver Club zelebriert das Suchterlebnis, Mitglied wird, wer in der Saison hundertmal den Gipfel besucht hat. Er kriegt aber auch etwas für die Strapaze auf dem ingeniös in die Wand gelegten Pfad. Nämlich Helipilotenfeeling: Fast senkrecht schaut er hinab aufs Land am Vierwaldstättersee. Apropos See: Bei jeder Visite erkennt der Besteiger irgendwo im Dunst ein neues Gewässer – dieser Berg bereichert nachhaltig.

Weissenstein, SO
Seit der Stilllegung der Sesselbahn letztes Jahr ist Ruhe auf dem Berg. Die Aussicht ist dieselbe geblieben: der Alpenkranz am Horizont mit der nationalen Dreifaltigkeit Eiger-Mönch-Jungfrau. Man muss etwas Abstand nehmen zu den grossen Bergen, um ihre Schönheit wirklich zu würdigen: so das Weissenstein-Prinzip.
Berner Münster, BE
Die gotische Wendeltreppe ist beklemmend eng, gothic eben.
Die Fensterschlitze terrorisieren Leute mit Höhenangst. 344 Steinstufen sind hinaufzukeuchen. Dann die obere Galerie auf 64 Metern: Das Mittelalter ist so was von niedlich, die Stadt schmiegt sich in den Aarebogen als Masse roter Ziegel, Dachgärten, grau gepflasterter Altstadtgassen. «Sie ist die Schönste, die wir gesehen haben», sagte Goethe über die Stadt Bern. Er hat wohl Recht.

Altberg, ZH
Die Waldschenke Altberg sitzt auf der gleichnamigen Sanfterhebung zwischen Limmat- und Furttal. Winters und sommers kehrt man ein, geniesst eine Wurst oder ein Fondue. Etwas fehlte bisher: Sicht. Die Bäume bremsen das Auge. Nun hat ein Verein Geld aufgetrieben, einen Turm gebaut und ihn am 10. Juli eingeweiht – und plötzlich sind da die Berner, die Glarner und die Zentralschweizer Alpen. Wer sich beeilt, kann den anderen exklusiv davon erzählen.

Hohtschugge, VS
Eine Schreckenskante!
Ein Geländeabbruch, der den Blutdruck hochjagt! Wäre Horrorfilmfigur Freddy Krueger ein Aussichtspunkt, dann dieser. Dabei war die Promenade von Grächen her wunderbar harmlos. Doch bei der kleinen Wanderwirtschaft Hohtschugge im Wald, diese Terrasse des Grauens: Man linst über die Brüstung – direkt in den Abgrund. 800 Meter tiefer liegt Stalden. Selten ist ein Restaurantbesuch so brüsk.

«Kuklos», La Berneuse, VD
Berge rundum, man dreht und wendet den Kopf, am Ende tut das Genickscharnier weh – das ist die Crux mit dem guten Panorama. Ein Drehrestaurant schafft Abhilfe. In der Schweiz gibts einige, doch das «Kuklos» auf der Berneuse über Leysin kennen eigentlich bloss die Romands. Mit der Gondelbahn fährt man hinauf zum futuristischen Glaszylinder, man setzt sich und wähnt, dass all die Hoheiten samt ihrer Majestät Mont-Blanc sich für einen bewegen.

Ritom, TI
In Piotta unterhalb Airolo steigen wir in den Funicolare.
1921 als Werkszubringer zum Ritom-Stausee gebaut, ist er heute eine der steilsten Publikumsbahnen der Welt. Steigung: 87.8 Prozent. In wenigen Minuten schiessen wir 800 Meter hinauf. Und mit jedem Meter sehen wir mehr von der dschungelartig grünen Leventina, von den hohen Bergen über dem Gegenhang und dem Gewusel auf der Autobahn durchs Tal. Es gibt statische Aussichten. Und es gibt dynamische Aussichten wie diese.

Thomas Widmer schreibt im «Tages-Anzeiger» die Wanderkolumne. Sein neues Wanderbuch mit 52 Schweizrouten: «Zu Fuss. Die verschwundene Seilbahn»; www.echtzeit.ch