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Postkarte aus Tschlin

Reisen

Postkarte aus Tschlin

  • Text: Stephanie Hess
  • Fotos: Dominik Täuber (1), Stefan Schlumpf (3)

In der Stille sind im Engadiner Bergdorf Tschlin grossartige Ideen entstanden, die auch den Hunger stillen.

Ohrenbetäubend, dieses Summen in allen Tonlagen, dieses knirschende Klacken, dieses schrille Gezirpe. Tschlin, der ruhigste Ort der Schweiz, wie es das Tourismusmarketing versprach? Nicht unbedingt, wenn man auf der Wiese steht, die neben dem Engadiner Bergdorf ins Tal abfällt. Hier dröhnt ein Konzert in den Halmen, darüber flattern dunkelbraune Schmetterlinge. Und unten im Tal schimmert der Inn in seinem Bett wie türkiser Autolack.

Zwischen den dickwandigen Häusern in Tschlin selber empfängt einen die versprochene Stille aber tatsächlich. Ich höre beim Dorfrundgang die Espadrilles knirschen, zucke zusammen ob des freundlichen «Allegra!», das mir ein Mann von seinem Holzbalkon zuwirft. Eine Frau wäscht ihre Wanderschuhe im Brunnen, das Plätschern schallt durch alle fünf Strässchen, die dieses Dorf durchziehen.

Verkehr existiert hier nicht. Das Auto wird auf dem Parkplatz am Dorfeingang abgestellt. Hier hält auch die Miniausgabe eines Postautos, das gleich wieder wendet. Wo würde man mit einem Fahrzeug auch hinwollen: Am anderen Ende des Dorfs öffnen sich nur schmale Wanderwege in die Engadiner Berge.

Vielleicht ist es diese Ruhe, die hier auf der Sonnenseite des Tals auch in der Landwirtschaft zu bedachtem Arbeiten führt. Beispielsweise Peter Mair, der als Käse-Sommelier biologischen Grünschimmelkäse herstellt und Schafskäse im Körbchen. Oder Bauer Janett, der seine schottischen Hochlandrinder weit herum weiden lässt, sie selber schlachtet und das Biofleisch ab Hof verkauft. Oder die Brauerei Biera Engiadinaisa, kurz BE. Einst war sie in Tschlin selbst zuhause. Wegen der grossen Nachfrage musste sie ihre Produktion ausbauen und zog dafür ins Nachbardorf.

Ehrensache also, trinkt man das BE auch im «Macun», dem einzigen Restaurant/Hotel in Tschlin, wo man zum Bier Engadiner Speisen mit geheimnisvollen Namen isst wie Vaischlas da mailinterra cun caschöl, salsiz e cumpot. Also Härdöpfelchüechli mit Käse, Salsiz und Kompott. Es ist an diesen langen Tischen in der Gartenwirtschaft, wo es laut wird, wenn sich langsam die Stille über die Wiesen legt.

Tipps

ESSEN/SCHLAFEN

Hotel Macun
Bizoccals da ravitscha, Plain in pigna, Puttasuolch, Cullas Valsot: Im Restaurant des Hotel Macun im Herzen Tschlins kocht Barbara Freimann Janett althergebrachte Engadiner Gerichte, die sich meist in irgendeiner Art um die Kartoffel drehen. Sie führt das Hotel mit sechs einfach eingerichteten Zimmern mit ihrem Partner Georg Janett, der den Gästen als erfahrener Jäger Wildtierbeobachtungen anbietet.
– Hotel Macun, Tschlin, DZ mit Frühstück ab ca.140 Franken, Tel. 081 866 32 70, 079 705 44 21, hotelmacun.ch

Pensiun Aldier
«Einfach sein» ist das Motto dieser Pension im nahen Bergdörfchen Sent – aber in ausgewählter Eleganz. Man nächtigt in hübschen Zimmern und speist überraschende Gerichte mit lokalen Zutaten im Restaurant mit Holztäfer. Im Keller gibts über 100 Kunstwerke von Alberto Giacometti.
– Pensiun Aldier, Plaz 154, Sent, DZ mit Frühstück ab 276 Franken, Tel. 081 860 30 00, aldier.ch; alberto-giacometti-museum.ch

AUSFLÜGE

Che Chaschöl
Jeden Mittwoch um 17.15 Uhr oder auf Voranmeldung kann die lokale Käserei Che Chaschöl besichtigt werden. Mit Degustation.
– Tel. 081 861 88 00, 7 Franken pro Person, chechaschöl.ch

Bei den Hochlandrindern
Gemeinsam mit Jon Janett wandert man auf die Alp, wo seine schottischen Hochlandrinder den Sommer verbringen. Dort zeigt er die Arbeit mit den Tieren und gibt Einblick in die heutige Land- und Alpwirtschaft. Täglich (18–19.30 Uhr) können Besucher im Stall ausserdem schottischen Whisky degustieren.
– Juni bis September, Anmeldungen unter Tel. 081 861 88 00, 079 648 68 26

Tirol
In 20 Minuten gelangt man mit dem Auto von Tschlin nach Österreich, beispielsweise nach Nauders, wo unter anderem Sonnenaufgangswanderungen angeboten werden.

Wanderungen
Von Tschlin aus wandert man auf der sonnigen Bergseite im Unterengadin, beispielsweise in zwei Stunden nach Vnà. Auch der Weitwanderweg Via Engadinia führt durch Tschlin. In vier Stunden gelangt man nach Vinadi oder in der anderen Richtung in fünf Stunden nach Sent.

Anreise
Mit dem Zug nach Scuol-Tarasp, mit dem Postauto nach Strada und von dort im Kleinbus nach Tschlin. Ab Zürich ca. dreieinhalb Stunden.

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1.

In der Ruhe liegt die Kraft, die einzig durch das Brunnenplätschern unterbrochen wird

2.

Über eine Bierbrautradition verfügt das Unterengadin nicht. Vielleicht schmeckt das Tschlin Cler (m) von Biera Engiadinaisa darum so frisch.

– Brauereiführungen und Infos: bieraria.ch