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Sehnsuchtsort: Das Haus am Land

Sehnsuchtsort: Das Haus am Land

  • Text: Christian SeilerIllustration: Nicole Schmauser

Ein Haus auf dem Land kann ansteckend sein. Für Freunde. Und Freunde von Freunden.

Um die Bedrohlichkeit des Älterwerdens zu beschreiben, muss ich einen dummen Vergleich anschleppen. Für mich ist das Alter wie ein Ball, mit dem die anderen herumkicken, während ich im Goal stehe und mich über das warme Lüftchen freue, das der Frühling gerade über den Platz weht, und plötzlich höre ich die anderen schreien, aber bevor ich kapiere, dass sie mich aus meiner Träumerei aufwecken wollen, sehe ich auch schon den Ball kommen, nicht besonders scharf und nicht besonders gefinkelt, aber dafür so unvermutet und so in der anderen Ecke meines Goals, dass ich ihn beim besten Willen nicht mehr kriege, auch wenn ich ihn unter anderen Umständen mit dem Hut gefangen hätte, der Ball plumpst ins Goal, die Zuschauer lachen sich einen Ast, ich verliere meiner Mannschaft das Spiel und sehe dabei aus wie ein Vollidiot, nein, ich bin der Vollidiot.

Ungefähr so stelle ich es mir vor, eines Tages draufzukommen, dass ich jetzt alt bin. Dass keine Zeit mehr ist, darüber nachzudenken, was ich im Alter tun möchte, sondern Zeit, es zu tun.
Tja. Aber was?

Der Prototyp eine vergnügten Kolonie

Sagen wir so: Ich weiss natürlich nicht, wie es sein wird, aber inzwischen habe ich so was wie eine Vorstellung davon. Ich habe ein Haus auf dem Land gekauft, dreiviertel Stunden von Wien, wo ich lebe, entfernt, dort lässt sichs aushalten: keine unfinanzierbaren Fixkosten, Apfelbaum im Garten inklusive und der Weinkeller gut gefüllt.

Dass das Haus eines Tages nicht nur eine grossartige Bodenstation für meine Bedürfnisse sein würde, dachte ich bei der Anschaffung noch nicht. Diese Idee tauchte mit dem Tag auf, als Freunde, die immer wieder zu Besuch gewesen waren, das Haus neben unseren Nachbarn kauften, sodass wir schon fast ein Dorf im Dorf waren, und dann waren auch Freunde unserer Freunde da, die laut darüber nachdachten, was denn nicht alles denkbar sein könnte, wenn das nächste Haus frei würde: ein privates Dörflein alter Bauernhäuser, einige Räume nur für ihre Bewohner, einige zum Zusammenkommen und Essen, Reden, Trinken, Lesen, Filme- und Fussballschauen, ausreichend Platz für den Dorfarzt, den wir uns auch noch organisieren werden, und die Gästehäuser rundherum, die kurz- oder langfristig belegt werden können. Kurzum, der Prototyp einer vergnügten Kolonie älterer Herrschaften, die aneinander Freude haben und sich aus dem Weg gehen können, je nach Befund und Laune, eine Insel der Herzensbildung und Unterhaltung, der Omama im Apfelbaum mit Enkelkinderbefall und aller professionellen Betreuung durch Spezialisten, die es vielleicht braucht, könnte ja sein, dass es sich dabei um den Weinhändler handelt, der nachfüllen kommt, oder den Experten von Sky Sport, der dafür sorgt, dass ich mich über peinliche Goaliefehler in ganz Europa amüsieren kann.

Die Vorstellung ist noch ein bisschen vage, gewiss, noch besteht unser Dorf nur aus vier Häusern, aber immerhin: vier Häuser, was für ein Anfang. Der Rest kommt quasi von allein, wir haben ja Zeit …

Christian Seiler (50) ist regelmässiger Gastautor bei annabelle