
Sehnsuchtsort: Kreuzfahrt in die Ewigkeit
- Text: Stefanie RiguttoIllustration: Nicole Schmauser
Wieso nicht das Zimmer im Altersheim gegen eine Kabine auf hoher See tauschen? Teurer wäre die Miete nämlich nicht.
Kürzlich war ich auf der «Queen Elizabeth», der Mutter aller Kreuzfahrtschiffe. Beim Check-in am Hafen im englischen Southampton traf ich zwei Damen, beide über achtzig. Die eine hatte einen Gehstock und trug ein rosa Deuxpièces, die andere hatte ein Hörgerät und trug ein blaues Costume. Sie nippten an einem Glas Champagner, plauderten fröhlich. In wenigen Stunden würde das Schiff ablegen. Eine Weltreise. Ihre 31. – mindestens, so genau konnten sich die Damen nicht mehr erinnern. Jedenfalls leben sie seit Jahren auf Kreuzfahrtschiffen, sie hängen eine Reise an die andere. Ihre Wohnungen haben sie gekündigt, jetzt leben beide in ihrer eigenen Kabine, mit Balkon. Wie es denn so sei, als Rentnerin permanent auf hoher See, fragte ich. «Honey», antworteten sie, «it’s sooo fun!» Wer behauptet das schon vom Altersheim?
Warum die Damen es so Fun finden auf dem Kreuzfahrtschiff, wurde mir auf der Gangway klar. Das Personal kannte sie von früheren Fahrten, grüsste herzlich, bot Hilfe an. Die Damen wurden wie Königinnen behandelt – nicht wie Alte, die allen nur noch auf den Geist gehen. Die Stewards servierten unaufgefordert zwei Gin Tonic – der Nachmittagsdrink der Ladys. Die eine sagte: «Wenn der Fernseher in der Kabine streikt, wird er sofort repariert. Gratis. Samt Entschuldigung.» Die andere: «Ich freue mich aufs Dinner!» Wer sagt das schon im Altersheim?
Die «Queen Elizabeth» hat ein eigenes Kino, Pools, Shops, Bibliotheken, ein Spa, zehn Bars und Lounges, ebenso viele Restaurants. Man kann zum Tanzunterricht gehen, und jeden Abend gibt es eine andere Bühnenshow. Und wenn man morgens nicht aus dem Bett kommt, lässt man sich das Frühstück in der Kabine servieren. That’s life!
Frische Meeresluft ist die beste Kur
Und falls mal der Rücken schmerzt: Der Kreuzer verfügt über ein Spital, ein Arzt ist immer an Bord. Wenn man ihn überhaupt braucht, frische Meeresluft ist die beste Kur! Und im Winter verzichtet man auf die Grippe, die in der Schweiz jedes Jahr bis tausend ältere Menschen ins Grab bringt, denn man tuckert virenfrei in der Wärme herum.
Doch das sind Details. Das Beste: Man sieht die Welt! Und muss nicht mal etwas dafür tun. Man schläft wohlig geschaukelt, und jeden zweiten Tag legt man in einem Hafen an. New York, Acapulco, Hongkong, Mumbai. Dort wartet bereits die Liaison vom letzten Jahr oder sonst ein netter Mensch, den man über die Jahre kennen gelernt hat.
Und die Kosten? Für ein Einzelzimmer in einem komfortablen Altersheim in Zürich zahlt man etwa 4500 Franken im Monat. Die viermonatige Weltreise auf der «Queen Elizabeth» kostet, auf den Monat runtergebrochen, genau gleich viel. Mich jedenfalls wird man nicht im Altersheim finden. Und als Rentnerin auf einem Kreuzfahrtschiff muss ich noch nicht einmal für die Beerdigung sparen. Mein letzter Wunsch: Streut meine Asche ins Meer!
www.cunard.com
Stefanie Rigutto (32) ist annabelle-Reporterin