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Ralph Schelling: Unser Mann am Herd

Stil

Ralph Schelling: Unser Mann am Herd

  • Text und Interview: Evelyne Emmisberger; Foto: Joan Minder

Er ist eine beeindruckende Mischung aus Traumschwiegersohn und Lausbub, jugendlichem Übermut und professioneller Kaltblütigkeit. Und er ist einer der besten Köche des Landes: Ralph Schelling kocht ab sofort für annabelle.

Ralph Schellings Karriere beginnt mit einer Töfflitour von Flawil SG nach Küsnacht ZH: Der Teenager schwingt sich auf sein Moped, um einen Mann zu treffen, von dem er nichts kennt ausser seinen Rezepten. Kurz zuvor schenkte ihm seine Tante ein Kochbuch von Horst Petermann, dem Maestro der klassisch-innovativen Küche in «Petermann’s Kunststuben» (19 Gault-Millau-Punkte, 2 Michelin-Sterne). Es scheint, dass Petermann vom reiselustigen Töfflibuben nachhaltig beeindruckt war, denn kurz darauf beginnt Ralph Schelling bei ihm zu arbeiten.

Das war nun eine ganz andere Schuhnummer als der Kochunterricht in der Schule, den Ralph Schelling zwar liebte, wo man seiner überschäumenden Freude am Experiment mit den vom Lehrplan verordneten Rezepten jedoch wenig Verständnis entgegenbrachte. Seine Noten waren mittelprächtig. Nein, jetzt stand er in einer Gourmetküche und lernte von einem Künstler seines Fachs. Seine Kreativität war nicht mehr lästig, sondern gefragt. Und wurde sorgfältig gefördert.

Dann startete das Kochtalent durch: 2008 gewann Ralph Schelling den Swiss Culinary Cup, den wichtigsten nationalen Kochwettbewerb. Bis heute ist er der jüngste Gewinner der Trophäe. Seine weiteren Stationen lesen sich wie das Who’s who der Gourmet-Elite: Er kochte bei Ferràn Adria, kurz bevor der sein legendäres «El Bulli» schloss, um eine Kochakademie zu gründen. Er war bei Heston Blumenthal im «Fat Duck», beim Bündner Sternekoch Andreas Caminada, im «Hangar 7» in Salzburg und lernte die Feinheiten der Kaiseki-Küche von Seiji Yamamoto im «Ryugin» in Tokyo.

Wäre es da nicht der folgerichtige Schritt gewesen, ein eigenes Restaurant zu eröffnen? Ralph Schelling zuckt mit den Schultern. Das sei einst sein Ziel gewesen, sagt er, früher. Heute will er individuell auf seine Gäste abgestimmt kochen. Diese Freiheit, die seine Gerichte gleichzeitig so exlusiv machen, hätte er in einem Restaurant mit standardisierter Menükarte nicht. Deshalb macht er als Private Chef und Gourmet-Caterer sein eigenes Ding und kocht in der ganzen Welt für Stars wie Coldplay oder VIPs wie Paris Hilton, für Industriebosse, für Events und für alle, die es sich leisten können.

annabelle: Ralph Schelling, wir sind stolz, dass du für annabelle kochst. Was hat dich dazu bewogen? Das Geld kann es ja nicht gewesen sein.
Ralph Schelling: Ich fand annabelle schon immer ein cooles Magazin mit tollen Foodstrecken. Hier kann ich das machen, was ich am liebsten tue: Trends, die ich irgendwo auf der Welt aufgeschnappt habe, für die Schweiz übersetzen und saisonal interpretieren.

Dein erstes Rezept für annabelle, die koreanischen Salatwraps Ssäm, sind extrem lecker, und ganz einfach herzustellen. Wir habens ausprobiert. Was ist das Besondere an deinen Rezepten?
Der Geschmack steht für mich im Vordergrund. Er muss exzellent sein! Ich bin der Meinung, dass dafür nicht Unmengen von Butter notwendig sind. Heute wollen die Menschen fein und gesund essen, danach leicht und glücklich sein – auf das Völlegefühl können sie verzichten. Ich bin ein Fan von kalt gepressten Ölen und ich tüftle an Teegetränken als Alternative zum Wein, weil nicht alle Alkohol trinken wollen. Kurz: Ich koche das, was auch ich am liebsten esse.

Zum Thema Foodtrends hast du eine ziemlich pointierte Meinung. Hast du etwas gegen Foodblogger und Avocados?
Nein, natürlich nicht. Es gibt viele Blogger, die wirklich Ahnung vom Essen haben. Dafür muss man keine Kochausbildung haben. Das beste Beispiel hierfür ist Ferran Adrià, der hat nie eine Kochlehre gemacht und ist trotzdem, oder vielleicht auch deswegen, ein grosser Kochkünstler, der mich sehr inspiriert hat. Aber dann gibt es auch die vielen anderen Foodblogger, jene, die ein Produkt ihres Sponsors fotografieren und obendrauf noch ein paar Blümchen oder Chiasamen streuen. Das hat weder mit gutem Geschmack noch mit Kochen etwas zu tun. Und dieser Grün-ist-gesund-Hype geht mir auch auf den Wecker. Längst nicht alles, was grün ist, ist auch gesund und vor allem: Grün ist noch lange kein Garant für guten Geschmack. Manchmal kommt es mir so vor, als ob Foodblogger in einem Fastfoodladen die Wände grün anstreichen und dann behaupten, das Essen sei gesund. Und immer diese Avocados, zeig mir einen Foodblog ohne Avocados! Dabei ist das einfach eine Fettbombe, punkt. Und bei uns ungefähr so einheimisch wie ein Blauwal.

Woher nimmst du die Ideen für deine Kreationen?
Die kommen, wenn ich den Kopf abschalte. Wenn ich in der Natur unterwegs bin, oder wenn ich im Flieger sitze und kein Wlan habe. Dann erinnere ich mich zum Beispiel daran, wie ich als Kind zur Samichlauszeit Baumnüsse blöd fand, weil ich zu faul zum Schälen war. Dabei mag ich die Nüsse sehr gern! Daraus entstand die Idee der Gletschernüsse, das ist eine spezielle Baumnussmasse, die in ein nussförmiges Silikonnegativ gegossen wird und gleichzeitig salzig, süss, warm und kalt schmeckt.

Was ist dein Lieblingsessen?
Das kommt ganz darauf an, wo ich bin. In Japan sind es Sushi, in Spanien esse ich am liebsten frischen Fisch oder Fideuà, die katalanische Paella mit gerösteten Teigwaren. Hier in der Schweiz liebe ich Luzerner Chügelipastete.

Und was ist dein liebstes Rezept aus der Kindheit?
Eilizopf! Das ist eine Fotzelschnitte aus dem übrig gebliebenen Sonntagszopf. Man wendet sie im Ei und brät sie in Butter aus.

Angenommen, jemand will trotz mässiger Kochkünste seine Gäste beeindrucken. Was würdest du empfehlen?
Etwas lange Geschmortes wie die Rindsschulter aus dem Ssäm-Rezept in der annabelle. Da kann man einfach nichts falsch machen, man kann sie sogar einen Tag vorher zubereiten. Oder man mariniert einen Fisch mit einer schönen Marinade aus einem Kochbuch, legt ihn auf einen tiefen Teller und bedeckt ihn mit Klarsichtfolie. Den Teller legt man dann für ein bis zwei Stunden in die Tellerwärmer-Schublade des Backofens. Falls der Besuch Verspätung hat oder der Apéritif länger gedauert hat, macht das nichts. Der Fisch schmeckt noch immer super.

Für wen würdest du gerne einmal kochen? Und was?
Jede und jeder kann ein netter Gast sein, egal ob berühmt oder nicht. Für Roger Federer habe ich noch nie gekocht. Er ist mir sympathisch, weil er so normal geblieben ist. Was ich für ihn kochen würde, weiss ich nicht. Das käme ganz darauf an, wo wir wären. Am liebsten verwende ich lokale und saisonale Produkte.

Kochen und Essen gehören heute zum Lifestyle, es gibt Foodblogs, Foodsendungen, neuerdings auch riesige Online-Plattformen der Grossverteiler – Essen ist in aller Munde. Können wir immer besser kochen?
So sehr es mich freut, dass sich so viele Menschen Gedanken über ihr Essen machen, so habe ich doch die Befürchtung, dass die meisten deswegen nicht besser kochen können. Nahrungsmittelkonzerne investieren viel Geld in diese Kanäle, um den Leuten zu sagen, was und wie sie essen sollen. Das ist nicht in jedem Fall das Beste, Leckerste und Gesündeste. Und wenn ich ein Rezept google, sind die Angaben oft schlicht falsch. Zum Beispiel für Gnocchi, eine weitere Leibspeise von mir. Praktisch alle Rezepte geben an, man solle die Kartoffeln schälen und im Salzwasser weich kochen. So ein Blödsinn, danach muss man mühsam das Wasser wieder aus der Kartoffel kriegen, und weil das Salz Wasser zieht, werden die Gnocchi pflüdrig. Dabei ginge es doch viel einfacher: Mehlig kochende Kartoffeln ganz, mit Schale, bei 180 Grad 1 Stunde in den Backofen schieben. Dann sind sie innen perfekt weich und haben ein wunderbares Röstaroma. Ei und Mehl dazugeben – Teig nie salzen! – und im sehr salzigen Salzwasser kochen. Ich verspreche: So gelingen Gnocchi immer.

Jetzt kenne ich den Grund für mein Gnocchi-Desaster, danke für den Tipp. Du kochst ja nicht gern nach Rezept, hast du eigentlich Kochbücher zuhause?
Aber ja, ich mag Kochbücher! Ich kaufe sie, trage sie nach Hause und dann liegen sie meistens herum, ohne dass ich sie lese.

Gibt es ein spezielles Highlight, das du für annabelle dieses Jahr kochen wirst?
Darf ich das verraten? Im November oder Dezember gibt es Leche Frita, gebackene Milch, ein Rezept aus meiner Zeit in Spanien. Auf diese Spezialität, die wunderbar nach Advent schmeckt, darf man sich freuen!

Verfolgen Sie Ralph Schellings Abenteuer auf Instagram: ralph.schelling

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