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Heisser Sehnsuchtsort

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Heisser Sehnsuchtsort

  • Aufgezeichnet von Line Numme; Fotos: Rita Palanikumar

Anna Saarinen hat sich einen Traum erfüllt. Sie ist vor kurzem ein Stück weit an ihren Heimatort Hyvikkälä in Finnland zurückgekehrt. Die Teppichdesignerin hatte sich vor Jahren in der Schweiz niedergelassen und eine Familie gegründet. Nun lebt sie abwechslungsweise in Zürich und im ehemaligen Grosselternhaus mitten auf dem Land, das sie gemeinsam mit ihrem Mann liebevoll renoviert hat. Ein Kleinod ist aber auch die kleine alte Sauna am Fluss, die der Familie ein unverzichtbarer Begegnungsort ist. Warum, das erzählt sie uns hier.

Sauna ist für alle Finnen eine elementare, unverzichtbare Sache. Es geht dabei nicht nur um die körperliche Hygiene oder die Entspannung, sondern genauso um das Gesellschaftliche. Darum waren die Saunas früher auch immer in separaten Gebäuden untergebracht und nicht im Wohnhaus integriert wie heute oft. Der Fussmarsch gehört einfach dazu. Ich schlüpfe dafür am liebsten mit nackten Füssen in meine Gummistiefel, über dem Arm den Saunakorb, gepackt mit frischem Leinenhandtuch und einem Bier.

Als ich noch klein war, hat die ganze Familie gemeinsam sauniert. Meine Eltern, die beiden jüngeren Geschwister und ich. Als Teenager dann nicht mehr, denn in Finnland geht man nicht gemischt in die Sauna, sondern die Frauen und die Männer sind unter sich.

Während meiner Kindheit hatten wir nicht einmal eine Dusche im Haus, darum gingen wir samstags in die Sauna, um uns zu waschen. Manchmal auch zweimal pro Woche. Da wir damals noch keine Sauna am Wasser besassen, freute ich mich ganz besonders, wenn wir am Wochenende von Freunden eingeladen wurden, die eine am See oder am Fluss hatten. Anderen Freizeitspass oder Aktivitäten gab es nebst der Schule und der vielen Arbeit auf dem Bauernhof kaum.

Es ist heute immer noch so, dass die Finnen gern Sauna-Einladungen machen und gemeinsam mit Freunden so die Freizeit verbringen. Zuerst saunieren die Frauen, danach die Männer. Anschliessend wird grilliert und gegessen. Ich mag die Gespräche und Diskussionen, die dabei entstehen, wenn Frauen unter sich sind. Man kommt sich viel näher und gibt viel mehr Preis von sich.

Vor ungefähr 30 Jahren konnte mein Vater diese Sauna am Fluss erwerben, die wir heute noch nutzen. Die Blockhütte wurde in den Siebzigerjahren gebaut und liegt etwa 150 Meter den Feldweg hinunter in einer Flussbiegung. Die Lage ist wunderbar, denn man blickt über das andere Flussufer hinweg in weite Ackerlandschaft und die Abendsonne. Es ist damals wie heute unsere Familiensauna. Als unsere Töchter und die Kinder meiner Geschwister klein waren, verbrachten wir hier viele gemeinsame Sommerstunden. Es ist immer noch ein wichtiger Treffpunkt für alle.

Mein Mann heizt die Sauna jeden Tag ein, wenn wir hier sind! Es ist eine sehr einfache Sauna. Es gibt kein fliessend Wasser in der Hütte. Wir tragen es in Eimern vom Ufer herauf. Wenn ich aus dem Saunafenster blicke, die grünen Birkenblätter im Wind tanzen sehe und das Wasser im Fluss schimmern, bin ich sehr glücklich. Nirgends sonst kann man so schön die Ruhe spüren. Mit der Erinnerung kann ich dann den langen Winter überstehen. In der Schweiz gehe ich kaum in die Sauna, da es für mich stark mit Finnland verbunden ist. Sauna, Schwimmen und Ruhe – als Ganzes. Es ist Natur pur.

Ein Bier gehört immer dazu. Ohne Bier ist das Saunaerlebnis nur halb so gut. Und das trinken wir einfach direkt aus der Aludose. Was nicht dazugehört, sind Badeanzüge!
Ich liebe das Nacktschwimmen. Nach den Saunagängen sitzen wir lang auf dem Flusssteg und geniessen die goldene Abendsonne. Es gibt hier auch keine Elektrizität, und wenn es um 23 Uhr dunkel wird, dann geht man halt nachhause.

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