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Das Ideenbüro — Schüler helfen Schülern

Body & Soul

Das Ideenbüro — Schüler helfen Schülern

  • Protokoll: Julia HoferIllustration: Lehel Kovács

Im Ideenbüro finden Schüler mit Problemen Hilfe – bei älteren Schülern. Zu Besuch in zwei Beratungsstunden.

Schlichten statt richten

Seit einem Jahr können sich die Schüler des Wangemer Schulhauses Oberwisen ZH mit ihren Problemen an das Ideenbüro wenden. Die Sechstklässler, die das Büro führen, ergründen mit dem Kind, worum es geht und wie schlimm die Situation ist. Nach der Besprechung geht das Kind kurz aus dem Büro raus, während die älteren Schüler nach Ratschlägen suchen. «Sie kennen die Codes auf dem Pausenplatz und können den jüngeren Kindern meist besser helfen als Erwachsene», sagt die Schulsozialarbeiterin Bettina Hobi, die eingreift, falls es sich um echtes Mobbing handelt. Das kommt jedoch kaum noch vor, weil das Ideenbüro Streitereien rechtzeitig schlichtet. Eine Win-Win-Situation: «Die Sechstklässler werden gebraucht, die Jüngeren erleben, dass man sich um sie kümmert, die Lehrer werden entlastet.» Das Kinderpartizipationsprojekt existiert in über vierzig Schulhäusern der Schweiz.

Protokoll aus zwei Beratungsstunden

Das ratsuchende Kind: Albin * (2. Klasse); Vom Ideenbüro: Loris und Sahjana (6. Klasse)

Sahjana: Hallo Albin, du warst ja schon mal da. Nicht besser geworden?
Albin: Eine Zeit lang war  es besser. Aber jetzt nerven sie mich wieder.
Loris: Wer? Immer noch dieselben?
Ja, nein, zum Teil. Zoe, Leonie und Lara sagen freche Sachen. Arschgesicht und Albinfuck und so.
Loris: Wer beginnt jeweils?
Leonie …
Loris: Alles klar, Gruppenzwang.
Zuerst die drei, dann auch die Jungs.
Sahjana: Hast du mal versucht, sie zu ignorieren?
Kann ich nicht.
Sahjana: Albin, wenn jemand von denen sagt, du seist ein Arschgesicht – dann ist er selber eins.
Ja. Und wenn ich jemanden schlage, dann kommt immer …
Loris: Ah, du schlägst?
Nicht fest, eher so schubsen. Also dann kommt immer der Elias. Als wäre er der Bodyguard von den andern. Er knickt mir den Finger. Meine Brille ist runtergefallen.
Loris: Und du sagst deiner Lehrerin nichts?
Doch, aber sie hat nur geschimpft, weil ich ein Messer im Sack hatte. Und gesagt, ich soll zu euch kommen.
Loris: Also, Albin, in der vierten Klasse machen die Jungs viel, um die Aufmerksamkeit der Mädchen zu gewinnen. Die machen dich runter, weil sie die Mädchen beeindrucken wollen.
Ja.
Loris: Wenn sie dich in der Pause wieder nerven, kommst du zu mir. Ich bin immer am tschutten. Dann sage ich es ihnen. Vor uns Sechstklässlern haben sie Respekt.

Auf der nächsten Seite finden Sie die Fortsetzung des Artikels.

Das ratsuchende Kind: Anna (1. Klasse); Vom Ideenbüro: Luca und Luke (6. Klasse)

Luca: Anna, wie schlimm ist dein Problem? Auf einer Skala von 1 bis 10?
Anna: Sehr schlimm: 10.
Luca: Bist du sicher?
Nicht direkt. Aber …
Luke: Sie nerven dich jeden Tag?
Nein, sie haben nur einmal genervt, aber eben sehr schlimm.
Luca (beruhigt): Dann ist es eher zwischen 4 und 8. Was ist denn passiert?
Sarah und Franca aus meiner Klasse haben geschworen und versprochen, dass sie mir die Steine nicht wegnehmen. Und dann haben sie sie mir doch weggenommen.
Luke: Was für Steine?
Ich habe aus Steinen einen Halbkreis gemacht und darin meinen Znüni aufgebaut.
Luke: Ein Steinzirkular gefutscht – ja echt (lacht) …
Luca: Hör auf, Luke. (zu Anna) Ist sonst noch was passiert?
Einmal im Turnen haben sie gesagt, in meiner Unterhose wäre Kacki. Aber das hat natürlich nicht gestimmt.
Luca: Mhm. Du bist sehr klug, nicht wahr? Du kennst viele Worte?
Mhm (lacht verlegen)
Luca: Liest du viel?
Nein, ich konnte schon als kleines Kind gut sprechen.
Luca: Hast du gesagt, sie sollen aufhören?
Ja, einmal. Aber weil die Pause gerade zu Ende war, konnte ich es nur kurz sagen.

* Alle Namen geändert. Das Protokoll stammt aus Beratungsstunden im «Ideenbüro» des Wangemer Schulhaus Oberwisen ZH
www.ideenbüro.ch