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Wenn man einen schwer kranken Menschen liebt

Body & Soul

Wenn man einen schwer kranken Menschen liebt

  • Aufgezeichnet von Aleksandra Hiltmann; Foto: iStock

Als Barbara Hänni ihren Mann kennenlernt, warnt er sie davor, dass seine Erbrkankheit eine normale Beziehung nicht ermöglicht. Doch Hänni hat sich schon damal dagegen gewehrt, dass eine Krankheit ihr Leben diktiert und deshalb mit ihrem schwer kranken Mann eine Familie gegründet. 

Ich wollte immer einen arbeitstüchtigen Akademiker heiraten. Doch dann kam Markus. Wir lernten uns in unserer Kirchgemeinde kennen. Lang waren wir nur beste Freunde. Eines Tages aber rief er mich an, um mir seine Gefühle zu gestehen. Ich war damals 23, er 29. Gleichzeitig sagte er mir auch, dass er mich ziehen lassen müsse – wegen seiner unheilbaren Stoffwechselkrankheit. Zystische Fibrose. Er meinte, er könne sich mir nicht als Partner zumuten. Doch ich wollte nicht gehen. Auch für mich war Markus längst mehr als ein bester Freund.

Zystische Fibrose ist eine seltene Erbkrankheit, die den Stoffwechsel stört; überall dort, wo der Körper Flüssigkeit produzieren sollte, entsteht zäher Schleim. Dieser beeinträchtigt die Organe, allen voran die Lunge, was zu chronischem Husten mit zähem Auswurf und Lungeninfekten führt. Markus kann deswegen keiner geregelten Arbeit nachgehen. Mir war anfangs natürlich nicht bewusst, worauf ich mich da einliess. Bevor wir zusammenzogen, konnte ich mir nicht recht vorstellen, wie der Schleim auf seiner Lunge sein Leben derart bestimmen sollte. Auch heute noch, nach inzwischen einigen Ehejahren, fällt es mir manchmal schwer nachzuvollziehen, wie es ist, wenn man einfach «nöd mag». Im Haushalt und bei unseren beiden Kindern kann Markus nicht so mithelfen, wie das ein gesunder Partner könnte. Die Atemtherapie absorbiert ihn täglich mehrere Stunden. Die Kinder wissen dann, dass sie ihn im Schlafzimmer nicht stören dürfen.

Zu wissen, dass diese Krankheit unheilbar ist und dass man nicht voraussehen kann, wie sie sich entwickeln wird, ist zermürbend. Nie weiss man, wann der nächste Infekt kommt und die nächste Antibiotika- Kur im Spital ansteht. Markus ist jetzt 37. Die durchschnittliche Lebenserwartung bei Zystischer Fibrose liegt heute bei etwa 40 Jahren. Wenn wir streiten oder gereizt sind, setzen wir uns hin und sprechen uns aus. Ich versuche dann aufzuzählen, was wir alles Schönes im Leben haben, trotz allem – und sei es nur, dass er vom Spitalbett aus auf Eiger, Mönch und Jungfrau sieht. Oder wir machen einen kurzen Spaziergang im Wald, bei dem wir die Abendsonne durch die Baumwipfel scheinen sehen. Das tönt kitschig. Aber ich wehre mich dagegen, dass die Krankheit unser Leben diktiert. Wenn wir gar nicht mehr weiterwissen, hilft uns der Glaube. Ich bete, das beruhigt mich und holt mich aus dem negativen Gedankenkarussell heraus.

Auch mein Beruf ist ein wichtiger Ausgleich für mich. Ich arbeite 50 Prozent in einer Führungsposition im Inselspital in Bern. Es gibt Tage, an denen ich erst am Abend merke, dass ich den ganzen Tag nicht an Markus, seine Krankheit und die Kinder gedacht habe.

Manchmal denke ich, wären wir bloss zwei normale Doppelverdiener, die nach Lust und Laune um die Welt reisen könnten, ohne Angst vor dem nächsten Infekt.

Aber ich glaube nicht, dass ich glücklicher geworden wäre, wenn ich einen gesunden Mann geheiratet hätte. Zusammen in etwas drinzustecken, sich immer wieder auf seinen Partner einzulassen, das ist für mich Liebe. Ohne Markus wäre ich nicht die Frau geworden, die ich heute bin – eine, die über grosses Organisationstalent verfügt. Und über eine noch grössere Portion Lebensfreude.

 

Barbara Hänni ( 31 ) ist Stellvertretende Stationsleiterin im Inselspital, Bern. Die ganze Liebesgeschichte von Barbara und Markus Hänni im kürzlich erschienen Buch: Weil jeder Atemzug zählt. Die Geschichte zweier Menschen, die der Liebe mehr zutrauen als der Vernunft. Adeo-Verlag, 224 Seiten, ca. 27 Franken bei orellfuessli.ch