
"Als Politiker:in würde ich einen steuerfreien Lohn für Care-Arbeit einführen"
In dieser Rubrik kommen Eltern aus der Schweiz zu Wort: Ein ehrlicher Fragebogen über Liebe, Erschöpfung, politische Missstände und Parenting-Hacks. Diesmal mit Kim, Elternteil eines Kindes.
- Von: Darja Keller
- Bild: zvg ; Collage: annabelle
Alter: 34
Beruf: ehemals IT-Fachperson
Kinder: ein Kind (15 Monate)
Familienstruktur: Ich bin nichtbinär und alleinbegleitendes Elternteil eines 15 Monate alten Babys. Ich bin chronisch krank, gehe zurzeit keiner Lohnarbeit nach und erledige 100 % der Care-Arbeit allein. Wir wohnen mit einer Freundin von mir, Désirée, und ihren zwei Kindern (10 und 13) in einer WG.
Am alleranstrengendsten im Alltag mit Kind finde ich: Wenn das Kind und ich zusammen krank sind.
Am schönsten im Alltag mit Kind finde ich: Mitzuerleben, wie es die Welt entdeckt und immer Neues dazulernt.
Eine kürzliche Erkenntnis, die mega wichtig für mich war: Babys verstehen viel früher viel mehr als wir denken, sie können sich einfach noch nicht ausdrücken.
Die grösste Veränderung an mir selbst, seit ich Elternteil bin: Ich geniesse einzelne Momente ausgiebiger.
Das Witzigste an meinem Kind: Die Obsession mit Kopfbedeckungen jeglicher Art.
Eine Sache, die mir in der Erziehung ganz besonders wichtig ist: Bedürfnisorientierte Begleitung anstelle von Erziehung und die Flexibilität, anzupassen, was nicht stimmig ist.
Das gönne ich mir, seit ich Elternteil bin: Ein Gemüseabo für abwechslungsreiches, regionales und saisonales Essen.
"Hört auf euer Bauchgefühl und holt euch Hilfe, wenn ihr nicht weiter wisst"
So erschöpft bin ich gerade von 0 bis 10: 7
Unterschätzt habe ich: Wie schnell mein «sicheres» Zuhause überarbeitet werden muss, weil das Kind Dinge doch nicht als so sicher wie gedacht entlarvt.
Mein Ausflugstipp Nummer eins für Familien: Der Wald in der Nachbarschaft. Und an regnerischen Tagen das 6a+, eine Kletterhalle mit Indoor-Spielplatz in Winterthur.
Der schönste Film für die ganze Familie: «Encanto»
Ein schnelles Gericht, das alle lieben: Pancakes
Das nervt mich an anderen Eltern am meisten: Wie Kinder bewertet und in Schubladen gesteckt werden.
Das beste Buch für Eltern: «Was wird es denn? Ein Kind.» von Ravna Marin Siever
Der beste Podcast für Eltern: «Aller Anfang» von Nora Imlau
Eine Sache, die ich über mich selbst gelernt habe, seit ich Elternteil bin: Ich bin sehr anpassungsfähig.
Der beste Tipp für alle frischgebackenen Eltern: Hört auf euer Bauchgefühl und holt euch Hilfe, wenn ihr nicht weiter wisst.
In dieser Situation spüre ich die Liebe zu meinem Kind immer ganz intensiv: Bei der Einschlafbegleitung und beim gemeinsamen Spielen.
Etwas, das ich als Elternteil rückblickend anders machen würde: Ich würde vermutlich alles nochmals so machen wie bisher.
Das hat sich am Verhältnis zu meinem eigenen Körper geändert, seit ich Elternteil bin: Ich nehme meine Belastungsgrenze nun besser wahr und kann entsprechend handeln.
Wovor ich mein Kind sehr gern bewahren würde: Mobbing und Queerfeindlichkeit.
Meine grösste Angst: Dass ich nicht genug Energie habe, um für mein Kind da zu sein.
Die bisher toughste Phase, seit ich Elternteil bin – und warum: Die Krankheit und Krankenhausaufenthalte mit meinem Baby. Ich bin selbst chronisch krank und alleinbegleitend, da ist sowas unerwartetes einfach unglaublich anstrengend.
Etwas, das mich ganz nostalgisch stimmt: Die Kleider, die meine Grossmutter noch von mir als Baby hatte, die nun mein Baby tragen kann.
Etwas, das ich aufgegeben habe: Ständig alles aufzuräumen, das bringt mit mobilem Baby einfach nichts.
Ein richtig schöner Elternmoment, den ich kürzlich erlebt habe: Wir leben in einer WG mit zwei anderen Kindern, und mein Baby hat kürzlich nach den beiden gefragt, als sie nicht zum Essen kamen.
Meine erste Massnahme, wenn ich Familienpolitiker:in wäre: Ich würde einen steuerfreien Lohn für Care-Arbeit einführen. Einfach fix 3500 Franken. Elternsein ist ein Vollzeitjob.
Mein Lifesaver Nummer eins, immer wieder: Die LueMai Babytrage
Das würde ich am Schulsystem ändern, wenn ich könnte: keine Noten und keine Hausaufgaben mehr.
In diesen Momenten schmerzt das Loslassen: vor meinen Narkosen und Operationen
Ein Entwicklungsschritt meines Kindes, auf den ich mich freue: Ich freue mich darauf, wenn mein Kind lesen lernt.
"Die Schwangerschaft war für mich eine schöne, ungeplante Erfahrung"
Das fällt mir als Alleinerziehende:r am schwersten: Alles allein zu regeln, das auf eine Zweielternfamilie ausgerichtet ist, und mich auch noch dafür rechtfertigen zu müssen. Ein simples Beispiel: Beim Babyschwimmen kommen die meisten zu zweit mit Kind, ich mache die Übungen jeweils mit der Kursleitung.
In den Momenten bin ich superfroh, alleinerziehend zu sein: Wenn ich mitbekomme, wie andere Eltern (Macht-)Kämpfe austragen müssen oder den anderen Elternteil z. B. um Erlaubnis fragen müssen für Urlaub, bin ich froh, alles alleine in der Hand zu haben.
Die Schwangerschaft ... war für mich eine schöne, ungeplante Erfahrung.
Die Geburt ... war anstrengend und anders als erwartet.
Komplett ans Limit komme ich, wenn … mein Baby krank ist, ich auch krank bin und mein Baby mich vollkotzt.
Zuletzt so richtig verzweifelt war ich, als ... ich erfahren habe, dass sich mein IV-Prozess weiter in die Länge zieht. Das bedeutet, dass ich bald Sozialhilfe in Anspruch nehmen muss.
Am besten geht es mir, wenn … ich mit meinem Baby im Wald spazieren gehe.
Hier findet ihr alle Folgen von The Mamas and the Papas.