
"Das Muttersein hat mich politisiert"
In unserer Rubrik "The Mamas and the Papas" kommen Eltern aus der Schweiz zu Wort: Ein ehrlicher Fragebogen über Liebe, Erschöpfung, politische Missstände und Parenting-Hacks. Diesmal mit Iva, Mutter von zwei Kindern.
- Von: Marie Hettich, Jacqueline Krause-Blouin
- Bild: ZVG; Collage: annabelle
Vorname: Iva
Alter: 39
Beruf: Chief Marketing Officer, Kommunikationsstrategin, Dozentin
Kinder: Zwei Töchter (sechs und eins)
Familienstruktur: Wir waren beide immer Vollzeit berufstätig, mein Partner jedoch dank Remote-Arbeit flexibler als ich. Aktuell nimmt er eine Auszeit, um mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen, während ich in meiner neuen Rolle mehr Spielraum habe. Derzeit kommen wir ungefähr auf 60 % (er) und 40 % (ich).
Am anstrengendsten im Alltag mit Kindern: Dass ich manchmal erst nach 21 Uhr Zeit für mich habe
Am schönsten im Alltag mit Kindern: Sonntage waren früher geprägt vom gestressten Blick auf die kommende Woche, das ist jetzt nicht mehr so: Unsere Sonntage sind jetzt oft langsam, entschleunigt, planlos. Gemeinsam zu essen liebe ich auch.
"Kein Job der Welt ist es wert, wenn du dadurch so gestresst bist, dass deine Kinder darunter leiden"
Das hat mich am Elternsein am meisten überrascht: Wie es mich politisiert hat. Früher haben mich weder Kinder noch Bedürfnisse von Eltern interessiert. Und wie stolz ich bin, Mutter zu sein! Meine Güte! Ich will es immer allen erzählen.
Eine kürzliche Erkenntnis, die wichtig für mich war: Kein Job der Welt ist es wert, wenn du dadurch so gestresst bist, dass deine Kinder es merken und darunter leiden.
Die grösste Veränderung an mir selbst, seit ich Mutter bin: Ich bin gelassener geworden.
"Als Mutter von zwei Töchtern versuche ich, ihnen vorzuleben, dass mutig und stark zu sein viel wichtiger ist als hübsch auszusehen"
Eine Sache, die mir in der Erziehung ganz besonders wichtig ist: Den Kindern möglichst auf Augenhöhe zu begegnen. Und als Mutter von zwei Töchtern versuche ich, ihnen vorzuleben, dass mutig und stark zu sein viel wichtiger ist als hübsch auszusehen.
Mein Ventil: Sport
Unterschätzt habe ich: Sagen wir es so: Eins ist keins.
Ein schnelles Gericht, das alle lieben: Fajitas!
Das nervt mich an anderen Eltern am meisten: Eltern, die meinen, es sei normal, dass ihre Kinder der Mutter «näher sind» – und so traditionelle Elternrollen weiter reproduzieren
Das beste Buch für Eltern: Ich liebe alles von Prof. Emily Oster, ihr Buch «Expecting Better», aber nun vor allem ihre Plattform parentdata.org
Das bereue ich als Mutter: Dass ich mich durch körperliche Veränderungen habe stressen lassen
Eine Sache, die ich über mich selbst gelernt habe, seit ich Mutter bin: Du bist eine bessere Mutter, wenn du gut zu dir schaust.
Der beste Tipp für alle frischgebackenen Eltern: Tutto passa! Nein, ehrlich – alles ist nur eine Phase. Und: Geht mit anderen Familien in die Ferien!
In dieser Situation spüre ich die Liebe zu meinen Kindern immer ganz intensiv: Morgens mit puffy eyes am Zmorgetisch, ich könnte sie aufessen!
Etwas, das ich als Mutter rückblickend anders machen würde: Ich hätte nicht aufhören sollen, mit der Grossen Serbisch zu sprechen. Jetzt möchte sie es aber zum Glück wieder lernen.
Das hat sich am Verhältnis zu meinem eigenen Körper geändert, seit ich Mutter bin: Ich bin extrem beeindruckt davon, was er leisten kann. Und verzeihe ihm mehr.
Wovor ich meine Kinder sehr gern bewahren würde: Vor Social Media
Die bisher tougheste Phase, seit ich Mutter bin: Ich habe letztes Jahr in der 29. Schwangerschaftswoche erfahren, dass ich ein sehr hohes Risiko auf eine Frühgeburt habe. Ich wurde von jetzt auf gleich aus einem sehr vollen Terminkalender gerissen und musste ab sofort liegen. Davor war ich so auf zack, leitete zwei Module an einer Hochschule, war in der GL einer Agentur. Plötzlich fühlte ich mich komplett nutzlos, sogar meine Tochter fand mich langweilig. Das war sehr hart, und rückblickend so unglaublich dumm, mich so stressen zu lassen. Meine Tochter kam dann auch zwei Monate zu früh zur Welt.
Etwas, das ich aufgegeben habe: Spät ins Bett zu gehen
Meine erste Massnahme, wenn ich Familienpolitiker:in wäre: Ich würde das schwedische Modell von geteilter Elternzeit von 16 Monaten einführen, wobei man 45 Tage an andere Angehörige weitergeben kann. Wie grossartig ist das bitte?
Mein Lifesaver Nummer eins, immer wieder: Das iPad, meine Eltern und Freund:innen
Das überrascht mich an meinem Schulkind: Wie reif sie schon ist und wie sie Konflikte löst
Das nervt mich am Schulalltag: Die schlechte Kommunikation und der Mangel an Lehrpersonal
Das würde ich am Schulsystem ändern, wenn ich könnte: Die Kommunikation streamlinen. Falls Sie mitlesen, melden Sie sich!
Welche Note würde ich mir gerade selbst als Mami geben? Eine solide 5
Ein Entwicklungsschritt meines Kindes, auf den ich mich freue: Ich freue mich immer auf alles, was sie neu lernen und können. Auf die Personen, die sie werden.
"Als ich den Schoppen vergessen hatte, stillte eine andere Frau mein Kind. Women are magic! "
Die Schwangerschaften ... waren anstrengend. Ich war nicht gern schwanger.
Die Geburten ... waren crazy. Wie das ganze System einfach funktioniert hat: Mein Körper, meine Babys, die Hebammen, die Ärzt:innen, alles. Unendlich dankbar dafür.
Komplett ans Limit komme ich ... wenn ich nicht genügend Regenerationszeit habe (grosses Learning!).
Zuletzt so richtig verzweifelt war ich ... als ich auf einer langen Zugfahrt mit meinem Baby den Schoppen vergessen und schon abgestillt hatte. Eine dänische Kinderärztin, die im selben Zug war und meine Verzweiflung mitbekam, eilte mir zu Hilfe und stillte mein Baby. Women are magic!
Alles wäre so viel einfacher ... wenn wir Supportsysteme hätten, die selbstverständlich greifen würden, wenn man sie braucht.
Wenn Geld keine Rolle spielen würde ... würde ich weniger arbeiten.
Kindergeburtstage ... am besten outsourcen.
Erziehungstipps ... nur dann geben, wenn man danach gefragt wird.
Hier findet ihr alle Folgen "The Mamas and the Papas"