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Irene und Michael – Belebende Wirkung

Body & Soul

Irene und Michael – Belebende Wirkung

  • Irene Mahrer-Gandola (63), Kulturmanagerin, und Michael Gandola (52), Sozialversicherungsfachmann, sind seit zwanzig Jahren ein Paar, allen Unkenrufen zum Trotz.

Irene Mahrer-Gandola: Als ich Michael vor über zwanzig Jahren kennen lernte, war er für mich der Inbegriff des neuen Mannes. Die Frauen meiner Generation wollten etwas anderes als ihre Mütter. Sie wagten auszubrechen, ihre Situation zu verbessern, sich für die Gleichberechtigung einzusetzen. Für die gleichaltrigen oder älteren Männer waren diese Ansprüche unbequem. Viele blieben irgendwo in ihrer Entwicklung stehen, waren besitzergreifend und verhielten sich Frauen gegenüber jovial. Dass Michael elf Jahre jünger ist, realisierte ich erst richtig, als er seinen Bart, den er anfänglich trug, abrasierte. Er sah so wahnsinnig jung aus! Bis wir zusammenkamen, verging einige Zeit. Der Altersunterschied war für mich anfänglich eine Hürde, fast ein Tabu. Wir wurden Kollegen, Freunde. Ich dachte aber immer: Wer den bekommt, hat es einmal gut. Als er mir dann eines Tages sagte, er habe sich in mich verliebt, war ich zunächst nur baff. Ich wiegelte ab und meinte, wir können doch gute Freunde bleiben. Gleichzeitig war ich glücklich, und schliesslich liess ich mich auf ihn ein, weil ich überzeugt war, dass wir einander gut tun. Und so war es auch. Er unterstützte mich. Er engte mich nicht ein. Stellte nicht tausend Ansprüche.

So konnte ich mich weiterentwickeln und zu der werden, die ich heute bin. Michael begleitete mich häufig zu repräsentativen Verpflichtungen, die ich auf Grund meiner Tätigkeit in den Medien wahrzunehmen hatte. Sein Selbstbewusstsein erlitt dabei keinen Zusammenbruch. Es störte ihn nicht, nur die Begleitung zu sein. Sein Verhalten erlebte ich als Befreiung aus alten Zwängen. Anfänglich räumte ich der Beziehung wenig Chancen ein. Ich dachte: Vielleicht will er doch noch eine Familie, vielleicht läuft ihm eine Jüngere über den Weg. Dieses Gefühl gab der Beziehung eine spezielle Qualität: Wir standen ohne die verkrampfte Erwartungshaltung, es müsse für die Ewigkeit sein, absolut füreinander ein. Mittlerweile sind wir seit zwanzig Jahren zusammen. Den Altersunterschied bemerke ich in Wellen. Früher schien mir der Unterschied zwischen uns grösser als heute. Ich kann dies aber nur als subjektives Gefühl beschreiben. Mit achtzig, so stelle ich mir manchmal vor, wird der Altersunterschied sich wieder stärker bemerkbar machen. Vielleicht kommt ja aber auch alles anders, weil Frauen im Alter oft besser beieinander sind als gleichaltrige Männer und Michael einen vitalisierenden Effekt auf mich hat. So gesehen sind ein jüngerer Mann und eine ältere Frau die ideale Kombination, um einem guten Alter entgegenzusehen.

Michael Gandola: Es gibt die ewigen Kindsköpfe und jene, die früher erwachsen werden. Ich gehörte schon in der Pubertät zur zweiten Kategorie. In der Schule war ich der Einzige, der Zeitung las und sich für andere Dinge interessierte, als ein Töffli zu frisieren. Meine Kollegen waren immer älter als ich. Nur meine damalige Freundin war vier Jahre jünger, und als ich auf Irene traf, hatte ich die Nase gestrichen voll von jugendlicher Hysterie. Jüngere und gleichaltrige Frauen, so meine Erfahrung, können ziemlich anstrengend sein. In Irene erkannte ich eine Persönlichkeit, die wusste, was sie wollte, und auch, dass sie dies ohne Ernährer an ihrer Seite schafft. Als ich sie endlich von mir überzeugt hatte, gab es im Umfeld negative Reaktionen. Das wird nicht halten, meinten die Miesepeter. Von den Pumas sprach damals noch niemand. Dem jüngeren Mann unterstellte man unisono einen Mutterkomplex, der Frau was weiss ich. Jedenfalls wurde unsere Beziehung im entfernteren Bekanntenkreis pathologisiert. Dahinter steckt ein konservatives Gedankengut. Ich wollte meine neue Geliebte so bald als möglich meiner Mutter vorstellen, die nur zehn Jahre älter ist als Irene. Meine Mama ist auch ungewöhnlich und selbstständig, und so hat sie mich erzogen. Sie gestaltet ihr Leben noch heute so, wie es ihr gefällt, ungeachtet allfälliger abschätziger Bemerkungen aus ihrem Umfeld. Ihr gefiel Irene. Bezüglich des  Altersunterschieds verkniff sie sich wohlweislich jeden Kommentar. Meine Mutter realisierte bestimmt sogleich, dass sie nicht mit Enkeln rechnen konnte.

Irenes Sohn, elf Jahre jünger als ich, versuchte mich in seiner rebellischen Phase in Frage zu stellen. Seine Sticheleien nahm ich mit Humor, und schliesslich reagierten wir uns beim Tennisspielen ab. Heute läuft alles bestens. Am Anfang hat Irene häufig gedacht, die Leute sähen uns den Altersunterschied an der Nasenspitze an. Das war ihr unangenehm. Heute scheine ich etwas älter, als ich bin, und meine Frau wirkt jünger. Man gleicht sich an, auch optisch. Wir wurden häufig gefragt, wie wir uns das denn vorstellen, wenn sie in Rente geht und ich noch voll im Berufsleben sein werde. Diese Situation ist nun eingetroffen. Es ist ein spezielles Gefühl. Wir beobachten mit Interesse, wie bei anderen Paaren die pensionierten Ehemänner ihren Frauen den letzten Nerv ausreissen, weil sie sich langweilen und zu Kletten werden. Bei uns ist das nicht der Fall. Bei uns scheint alles im Fluss zu sein und alles spannend zu bleiben. Irene ist freiberuflich sehr engagiert, hat viele Interessen und Kontakte. Neulich bot sie an, meine Hemden zu bügeln, und auch meine übrige Mithilfe im Haushalt ist etwas weniger gefragt. Aber den richtigen Wein zum Essen, den besorge ich immer noch selber.