
Dating-Coach Silke Denk: "Viele werden nicht geghostet, sondern weggegähnt"
Digitales Daten bringt so einige Hürden mit sich. Silke Denk coacht unter dem Namen Dr. Love Beziehungswillige, die auf Onlineplattformen die Liebe suchen. Sie sagt: Schon zu Beginn läuft vieles schief.
- Von: Ulf Lippitz
- Symboldbild: Stocksy
annabelle: Silke Denk, unter dem Namen Dr. Love coachen Sie Menschen, die online ihr Glück finden wollen. Welche Fehler beobachten Sie bei der digitalen Partnerwahl?
Silke Denk: Frauen öffnen sich nur zögerlich, schreiben oft so langweilig, dass sie sich nicht vom Rest der Masse abheben: "Wie geht’s dir so am Wochenende? Heute war ich bei der Physio." Daraus entsteht selten eine tiefere Verbindung.
Wie stellt man die her?
Wenn jemand zum Beispiel ein Foto mit einem Hund gepostet hat, schreiben Sie auf keinen Fall: "Oh, süsser Fratz", sondern "Wie heisst er?" Und immer gilt: Lieber tatsächlich etwas Witziges verfassen, als bloss von sich zu behaupten, man sei ein lustiger Typ.
Welche anderen Fehler werden beim Online-Dating noch häufig begangen?
Eine Klientin wollte mal in ihr Profil schreiben, dass sie einen Mann brauche, der zuhören kann. Aber Tinder ist kein Onlineshop, wo man nach Grösse, Augenfarbe und Charaktereigenschaften einen Partner finden kann. Nur Männer ab 1.85 Meter? Vielleicht ist aber jener, der passt, 1.75 Meter gross. Die Suche auf einen Umkreis von zehn Kilometer begrenzen? Was ist, wenn der Traummann ein Dorf weiter lebt? Man muss sich die Chance geben, herauszufinden, was zu einem passt.
Viele haben eine falsche Anspruchshaltung an Dating-Plattformen?
Ja. Sie wären weniger frustriert, wenn sie Onlineplattformen als das sehen, was sie sind: eine tolle Möglichkeit, von der Couch aus Menschen kennenzulernen, die sie sonst nie treffen würden.
"Wie gehts?" ist ein Chat-Einstieg, von dem Sie abraten. Warum?
Weil es eine geschlossene Frage ist, die man schon 600-mal gelesen hat. Auch diese lokale Identität – Was habe ich studiert? Wo wohne ich? Was arbeite ich? – interessiert bei der Kontaktaufnahme niemanden. Wir suchen die universelle Identität: Wovon träume ich? Wovor fürchte ich mich? Dann fangen wir an, über Gefühle zu sprechen. Und dann wird es interessant.
Das sagt sich so einfach.
Mit Sprachspielen fällt es Menschen leichter, sich zu öffnen. Bist du Planet Pizza oder Planet Pommes? Gebt euch Spitznamen! Hallo Mister Surfbrett oder Mister Oberhalb-der-Baumgrenze! Da habe ich sofort eine persönliche Note. Ich rate den Frauen deshalb immer: Sucht euch ein Thema!
Welches hat den grössten Erfolg?
Essen funktioniert immer. Eine Klientin, die in der Ernährungsbranche arbeitete, schrieb auf Tinder: "Ich bin die Queen der ketogenen Crunchies." Sofort erhielt sie Dutzende Nachrichten. Bei einem Date hilft oft die Frage: Was ist in deinem Kühlschrank? Je detaillierter die Antwort, desto besser. Bloss nie sagen: Ich esse alles. Dann ist jedes Gespräch schnell vorbei.
Einige Frauen sagen, sie würden auf Tinder & Co. rasch geghostet, erhielten plötzlich keine Antworten mehr.
Viele werden nicht geghostet, sondern weggegähnt. Wenn jemand nicht mehr antwortet, lass ich mir von Klient:innen gern die Kommunikation zeigen. "Hi, wie war dein Wochenende? Ach, du wohnst in Bern? Da wohnt meine Schwester auch." Sorry, aus solchen Chats ist einfach die Luft raus. Antwortet jemand nicht, einfach weiterziehen und der nächsten Person texten.
Wie schnell soll man auf Nachrichten reagieren?
Wenn ich sehe, der andere erwidert eine Stunde später, würde ich das ähnlich handhaben. Ansonsten gilt: Keine Nachrichten nach Mitternacht. Und: Nach höchstens fünf Nachrichten mit maximal drei, vier Sätzen sollte es zu einem konkreten Date kommen.
"Leute, die in eine Pizza beissen, kriegen unzählige Anfragen"
Beim Profilbild tun sich viele schwer. Was schlagen Sie vor?
Drei Bilder reichen. Auf jeden Fall ein aktuelles ohne Sonnenbrille, bei dem ich lächle und meine Zähne zu sehen sind. Als zweites ein Ganzkörperfoto. Es muss nicht mit Bikini sein, aber das Gegenüber muss erahnen, wie mein Körper aussieht. Und als drittes eines, bei dem ich Spass habe. Leute, die in eine Pizza beissen, kriegen unzählige Anfragen.
Darf man beim Alter schummeln?
Nein. Flunkern ist kein gutes Fundament für eine ernsthafte Beziehung.
Sie beraten auch Frauen ab vierzig. Wie unterscheidet sich die Herangehensweise Ihrer jüngeren Klientinnen von derjenigen der älteren?
Die grosse Frage ist: Will ich noch eine Familie gründen? Diese Frauen haben einen grösseren Druck als jene, die schon geschieden sind und zwei Kinder haben. Da gilt sich zu überlegen: Wann erwähne ich, dass ich Kinder will? Wie gut ist der Mann von seiner vorherigen Beziehung getrennt? Wenn ich eine Nachricht bekomme, in der steht: "Ach, du wohnst in derselben Strasse wie meine Ex", würde ich nicht mehr weiterschreiben. Andererseits bemerke ich, je älter Frauen werden, umso schwerer fällt es ihnen, etwas über sich zu sagen oder überhaupt mit Menschen in Kontakt zu treten. So erzählte mir etwa eine Klientin, dass sie einen tollen Urlaub verbracht hatte. Doch als ich sie fragte, mit wie vielen Leuten sie in den zwei Wochen gesprochen hat, erfuhr ich, dass sie mit niemandem geredet hatte. Offenheit und Neugier sind wie Muskeln, die man trainieren kann – unabhängig vom Alter.

Silke Denk, 47, lebt mit Familie in Berlin und betreut Klient:innen in allen deutschsprachigen Ländern.