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Talk dirty to me: So geht Dirty Talk in der Gebärdensprache

Liebe & Sex 

Talk dirty to me: So geht Dirty Talk in der Gebärdensprache

  • Text: Sonya Jamil
  • Bild: ZVG. / Illustrationen: We-Vibe / Deborah Skorupka

Heute ist der Internationale Tag der Gebärdensprache. Wir wollen wissen: Wie funktioniert eigentlich Dirty Talk in der Gebärdensprache? Sex-Expertin Conny Tiedemann klärt auf.

Der Schweizerische Gehörlosenbund geht in der Schweiz von rund 10’000 vollständig gehörlosen Personen aus. Bis zu 600’000 Personen sind leicht bis hochgradig schwerhörig; sie gelten als hörbehindert. In Deutschland sind 210’000 Menschen schwerhörig oder taub. Als Sozialarbeiterin in einem Verein für taube Menschen setzt sich Conny Tiedemann – selbst hörbehindert– in Deutschland stark für die Enttabuisierung und Destigmatisierung der Sexualität von Menschen mit Behinderungen ein.

Auf ihrem Instagram-Kanal @sexfee.conny leistet sie Aufklärungsarbeit rund um den Körper, Masturbation, Sex und Beziehung für taube oder schwerhörige Menschen. Sie ist der Meinung: «Taube Menschen können alles ausser hören. Das heisst, wir können auch guten Sex haben.»

Wie Zuneigung und Intimität in gesprochenem Deutsch ausgedrückt werden können, ist kein Geheimnis. Damit dies aber auch in deutscher Gebärdensprache gelingt, ob beim Flirten oder beim Sex, hat die Sexual Wellness-Marke We-Vibe in Zusammenarbeit mit der tauben Illustratorin Deborah Skorupka die vier Gebärden «Ich finde dich gut», «Ich mag dich», «Ich habe Lust auf dich» und «Möchtest du Sex mit mir?» visualisiert.

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annabelle: Frau Tiedemann, gibt es einen universellen Gebärden-Dirty-Talk?
Conny Tiedemann: Es gibt keine universelle Gebärdensprache, das vorab zu Info. Das heisst, wenn ich in einem anderen Land bin, werde ich deren nationale Gebärdensprache nicht ganz verstehen und wahrscheinlich auch deren Dirty Talk nicht.

Wie funktioniert der Dirty Talk unter Gehörlosen?
Für uns haben Stöhnen oder Reden keine Wirkung. Man muss also am Gesicht ablesen können, dass die Person erregt oder in Stimmung ist und Dirty Talk nutzt.  Da schauen wir uns intensiv in die Augen, beziehungsweise sind sie halb geschlossen. Wenn wir Dirty Talk gebärden, merkt man, dass es in die erotische Richtung geht.

Geht Dirty Talk also nur, wenn im Schlafzimmer die Lichter an sind?
Im Prinzip schon, denn ohne Licht fehlt der wichtigste Teil: die Mimik. Mit den Händen können wir auch zeigen, dass wir die Person heiss finden, den Oralsex geniessen oder Lust auf mehr haben.

Hat sich Dirty Talk in der Gehörlosen-Community eher neu etabliert?
Da müsste ich meine Grosseltern fragen. Wenn ich sie mir aber genauer anschaue, dann bin ich mir sicher, dass es damals gar keinen oder sehr wenig Dirty Talk bei tauben Menschen gab. Diese Generation weiss sehr wenig über Sexualität, geschweige denn von Dirty Talk.

Welche Rolle spielen beim Sex die anderen Sinne, wenn Gehörlose Sex haben?
Wenn ein Sinn nicht vorhanden ist, werden die anderen dafür verstärkt. Wir spüren viel mehr – ganz kleine Berührungen am Körper reichen schon aus. Auch der Geruchsinn machts für mich aus: Ich muss mein Gegenüber wirklich gut riechen können. 

Taube Menschen haben in Sachen Dating und Sex nicht selten mit Vorurteilen zu kämpfen.
Vorurteile oder veraltete Denkmuster sollten beiseitegeschoben werden, um eine Person wirklich kennenzulernen. Erst dann kann man sagen, ob man Lust auf mehr hat. Ich will mit dem Vorurteil aufräumen, dass Menschen mit Behinderungen einen gar nicht erst antörnen, weil sie behindert sind. Eine Barriere ist natürlich vorhanden, und zwar die Kommunikation. Es braucht Zeit, um gemeinsam einen Weg zu finden. 

Haben taube Menschen gar besseren Sex als Hörende, da sie gezwungen sind, besser miteinander zu kommunizieren?
Nein, das denke ich nicht. Viele taube Menschen kommunizieren nicht deutlich im Bett, weil es ihnen an Aufklärung fehlt oder sie nicht wissen, wie sie ihre Bedürfnisse mitteilen sollen. Und das möchte ich ihnen beibringen.

Was können hörende Menschen in Sachen Dating und Sex von Gehörlosen lernen?
Hörende können von tauben Menschen vielleicht lernen, dass sie ihre Mimik anstelle ihrer Stimme nutzen können. Taube Menschen schauen sich in die Augen, wenn sie miteinander gebärden, und zwar die ganze Zeit; das ist nicht als Flirt gemeint. Und wir fassen uns öfters an, an den Schultern oder an den Beinen, wenn wir nebeneinandersitzen. Diese Berührungen sind für uns ganz normal. 

 

Das Interview wurde in schriftlicher Form geführt. 

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