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Maggie und Alex – Ausserhalb der Normen

Body & Soul

Maggie und Alex – Ausserhalb der Normen

  • Maggie Tappert (60), Sexualberaterin, und Alex * (39), Speditionskaufmann, verbindet eine heisse Affäre. Mehr wollen sie nicht. Aber das ist viel.

Maggie Tappert: Alex schrieb mir ein Mail, weil er an einer meiner Männergruppen – es handelte sich um einen erotischen Abend, bei dem Männer ihre Sexualkompetenz verbessern können – teilnehmen wollte. Als ich ihn dann vor acht Monaten zum ersten Mal sah, dachte ich: Wow, ist der jung – und schön, der kommt in mein privates Team. Die Anziehungskraft
beruhte auf Gegenseitigkeit, ich sah es in seinen Augen, die sich bei meinem Anblick stärker weiteten. Hinter mir liegen zwei lange dauernde Ehen mit allem, was dazu gehört: Kompromisse, Ringen um Nähe und Abstand, die irrige Erwartung, dass ein einziger Mensch einem alle Bedürfnisse abdecken kann. Eine Erfahrung, die ich aus den Beziehungen mitgenommen habe, lautet: Man sollte den Sex und den Alltag trennen. Wenn ich so etwas sage, schauen mich gleichaltrige Männer mit grossen Augen an. Sie wollen ihre Ruhe, sonst nichts. Das ist mir zu wenig. Fürs Rosten fühle ich mich zu jung. Mit Alex, der über zwanzig Jahre jünger ist als ich, geniesse ich die Vorzüge der Jugend: die Leichtigkeit, die Schönheit, die Gesundheit und selbstverständlich fantastischen Sex.

Ich bin erfahren, Potenz allein genügt mir nicht. Mein Boy, wie ich Alex nenne, ist sexuell selbstbewusst, er weiss mit seinem besten Stück umzugehen, und den G-Punkt hält er nicht für eine grammatikalische Sonderregelung. Eine in die Jahre gekommene Lehrmeisterin will ich nicht sein. Von einem 20-jährigen Lover würde ich aus purem Eigeninteresse die Finger lassen. Wie sagt doch Madonna? «Sehr jung wissen sie nicht, was sie tun. Und im schlimmsten Fall tun sie es eine ganze Nacht lang.» Mit Alex kann ich – immerhin mehrfache Grossmutter – meine Sexualität neu definieren. Sie soll nicht losgelöst von meiner persönlichen Entwicklung funktionieren. Die schüchterne Romantiknummer funktioniert heute nicht mehr. Ich weiss ziemlich genau, was ich will, und habe jede Menge Fantasie. Mein Boy und ich treffen uns einmal pro Woche im Geheimen, weil er verheiratet ist. Ich richte mich nach seinem Terminkalender. Sobald das Datum feststeht, beschäftige ich mich mit den frivolen Rahmenbedingungen: Kerzen, Champagner, schöne Bettwäsche. Das ist alles wichtig. Dann stelle ich Szenario und Regeln auf, die uns in die Ektase führen sollen. Die Rollenspiele sind für mich ein spätes Glück, in denen ich mich sexuell berauschen kann. Betritt Alex meine Wohnung, sind wir bereits mitten im Szenario drin, das ich mir für uns ausgedacht habe. Manchmal ist Reden über weite Strecken verboten. Und mein Boy muss sich einfach ausziehen, und ich sehe mir seinen schönen nackten Körper an, streiche über seine seidenglatte, faltenlose Haut und fühle mich gut.

Alex: Ältere Frauen faszinieren mich, weil die Erotik mit ihnen lösgelöst von lästigen Verpflichtungen funktioniert. Eine Frau wie Maggie sucht keinen Versorger und keinen Mann, den sie umsorgen will. Die Chemie zwischen uns stimmte von Anfang an, und in der Zwischenzeit entwickelte sich die Beziehung auch emotional weiter. Wir führen interessante Gespräche. Dass eine Frau von ihrem Kaliber total auf mich steht, macht mich stolz. Wäre ich frei, würde ich Maggie sofort meinen Freunden und Eltern vorstellen. Aber das kann ich nicht. Ich kann mich auch nicht in der Öffentlichkeit mit ihr zeigen. Darf sie nicht vor Passanten abknutschen. Muss die Finger von ihr lassen. Unsere Affäre muss unser Geheimnis bleiben, weil alles andere mein sozialer Tod wäre. Ich bin verheiratet, und mit meiner Frau, die auch die Mutter meiner Kinder ist, führe ich eine gleichberechtigte Beziehung. Das heisst: Ich muss zu Hause staubsaugen und den Verführer geben. Mit meiner Geliebten tauche ich in eine andere Sphäre ein. Maggie übernimmt die Führung. Ich kann mich gehen lassen. Muss sie aber auch als Autorität akzeptieren.

Bei unserem ersten Date soll ich mit zwei jungen Blondinen, die am Nebentisch sassen, geflirtet haben. Wenig später erklärte mir Maggie, warum das für sie nicht gehe: «Besitzansprüche sollen in unserer Beziehung keine Rolle spielen. Der Anstand aber schon!» Von einer Frau in meinem Alter würde ich mir so was nicht sagen lassen. Wenn Maggie und ich uns heute in einem Restaurant treffen, geht mein Blick nicht einmal ansatzweise nach links oder rechts. Eine so viel ältere Partnerin zu heiraten, käme für mich nicht in Frage. Sie und ich wissen, dass wir uns in verschiedenen Lebensphasen befinden und sich unsere Amour fou aus unserem Altersunterschied nährt, der im Alltag Probleme verursachen und der Sexualität schaden würde. Wir geben einander mehr als das, was Paare zusammenschweissen kann: die Freiheit, keine Familie mehr gründen zu müssen. Die Freiheit, nicht zusammenwachsen zu müssen. Die Freiheit, eine leidenschaftliche Geschichte zu leben, die ausserhalb der Normen liegt. Kürzlich sagte ich zu Maggie: «Ich liebe dich sehr.» Im ersten Moment erschrak sie. Dann antwortete sie: «Ich dich aber auch, mein Toyboy.»

* Name von der Redaktion geändert