
Nach Schweiss und Latex riechen: Warum verstörende Parfums jetzt im Trend liegen
Die Nase ist voll, dezent war gestern – der neue Parfum-Trend lautet: Viel und provokativ, schreibt unsere Autorin Sarah Lau.
- Von: Sarah Lau
- Bild: Une Nuit Nomade
Als Dolce & Gabbana vergangenes Jahr mit «Fefé fragrance mist for dogs» ein Parfum für Hunde lancierte, rümpften Tierärzt:innen die Nase. Immerhin riskieren die eingedieselten Vierbeiner durch die sie umgebende Wolke aus Sandelholz und Moschus nebst der eigenen Orientierungslosigkeit, dass Artgenossen sie nicht mehr erkennen und wegknurren.
Ein Phänomen, das sich auf die menschliche Spezies übertragen lässt. Wer je im Flieger einer hochdosierten Menge unliebsamen Parfums ausgesetzt war, versteht es, wenn Mitmenschen ein Schleudersitz an den Allerwertesten gewünscht wird.
Dominanzstrategien olfaktorisch interpretiert
Dass die Royals im 16. Jahrhundert extrem schwere Kompositionen wählten, logisch – damals hatten sie es ja nicht so sehr mit Körperhygiene und es galt, überzeugend zu überdecken. Warum aber geht der Trend heute zu schweren und regelrecht verstörenden Düften? Kurz gefasst: Auffallen ist alles. Gerade praktizieren vor allem junge Männer sogenanntes «Scentmaxxing» – ein Subtrend des «Looksmaxxing», das ursprünglich aus Incel-Foren stammt, also Online-Plattformen, auf denen sich unfreiwillig im Zölibat lebende Männer austauschen und frauenfeindliche Weltanschauungen teilen.
Während es bei Letzterem um die Optimierung äusserer Merkmale für maximale Attraktivität und vermeintliche maskuline Überlegenheit geht, werden die Dominanzstrategien nun olfaktorisch interpretiert. Dabei stehen XXL-Wolken gerade von Luxusdüften mit erlesenen Inhaltsstoffen wie jene von Tom Ford oder Acqua di Parma schon bei 12-Jährigen hoch im Kurs.
"Provokation deluxe. Sind Parfums die neuen Tattoos?"
Auf Tiktok tummeln sich unter dem Hashtag #perfumetok inzwischen an die sieben Milliarden Follower:innen, die bei Influencer:innen wie The Cologne Boy oder That Fragrance Kid Inspiration suchen.
Darüber hinaus erfreut sich auf Social Media noch eine zweite Fraktion von Duft-Expert:innen steigender Popularität. User:innen wie Ismellunusual kennen sich mit dem wachsenden Markt extravaganter Unisex-Noten aus. Lust auf Latex, Schiesspulver und Keks? Dann kommt ein Spritzer Eau de Space von Nase Steve Pearce gut. Das Odeur alter Hotelwände verspricht indes Memory Motel von Une Nuit Nomade.
Wie einst die Punks suchen nun auch erste Parfumeur:innen politisch ein Zeichen zu setzen: Der aus Bukarest stammende Brand Toskovat lanciert mit Anarchist A ein Wässerchen, das an schmutzige Dollarnoten erinnern soll. Parfumeur James Elliott spendete den Erlös seines Dufts Laughing With a Mouthful of Blood an Abtreibungshelfer:innen und die LGBTQIA+-Jugend. Gerade entwickelt er ein Parfum, das von Schwulenclubs inspiriert nach Leder, Schweiss und gebrauchter Unterwäsche riechen soll.
Provokation deluxe. Sind Parfums die neuen Tattoos? Die Anmeldungen zur Entfernung gestochener Hautbilder schiessen hoch, mit der günstigen und reversiblen Alternative lässt sich eine Duftmarke setzen. Bei der nächsten Aktivierung des Sprühknopfes empfiehlt es sich dennoch, Rücksicht walten zu lassen – sonst kann es auch mal von genervten Artgenoss:innen eins auf die Nase geben.