
Wieso Frauen regelmässig ihren Blutdruck messen sollten
Fachärztin Claudia Ferrier-Guerra erklärt, warum Bluthochdruck bei Frauen oft unbemerkt bleibt. Besonders in den Wechseljahren ist das problematisch – dabei kann man einfach dagegenwirken.
- Von: Manuela Enggist
- Bild: Stocksy
annabelle: Rund die Hälfte aller Frauen leiden nach den Wechseljahren an Bluthochdruck. Wieso ist das Alter ein derart grosser Risikofaktor?
Claudia Ferrier-Guerra: Ursache für das erhöhte Risiko ist der sinkende Östrogenspiegel im Blut. Das weibliche Geschlechtshormon sorgt für elastische Blutgefässe und somit für einen normalen Blutdruck. Dadurch schützt es vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Abnahme des Östrogenspiegels in den Wechseljahren führt zur Zunahme von Bauchfett sowie zu Insulinresistenz, was sich auf den Blutdruck auswirkt. Wenn in den Wechseljahren ausserdem Ängste, erhöhte Anfälligkeit für Stress und Gewichtszunahme durch weniger körperliche Bewegung dazukommen, kann dies ebenfalls einen negativen Effekt auf die Blutdruckwerte haben. Dieser Lebensabschnitt erfordert deshalb besondere Aufmerksamkeit.
Warum genau ist ein hoher Blutdruck problematisch?
Bleibt der Blutdruck über lange Zeit erhöht, belastetet er die Gefässe. Das kann zu Herzinfarkten und Schlaganfällen führen sowie zu einer Schädigung von Herz und Nieren.
Bluthochdruck bleibt oft unerkannt. Warum?
Es ist wichtig zu wissen, dass nur zwei Prozent der Frauen zwischen 20 und 34 einen hohen Blutdruck haben. Vermutlich sehen beschwerdefreie Frauen in den Wechseljahren oft keine Veranlassung, den Blutdruck regelmässig zu kontrollieren. Leider ist es so, dass die Auswirkungen von einem zu hohen Blutdruck bei Frauen sehr viel weniger erforscht sind als bei Männern.
Liegt das daran, dass der Mann als medizinischer Prototyp gilt?
In Studien sind Frauen in der Regel untervertreten. Die Ergebnisse solcher Studien fliessen aber in die Normwerte und Empfehlungen für Medikamente zur Blutdrucksenkung ein, die für beide Geschlechter gelten.
"Männern und Frauen stehen dieselben Medikamente zur Blutdrucksenkung zur Verfügung, sie wirken aber je nach Geschlecht unterschiedlich lang und stark"
Sollte man als Frau also die Finger lassen von Medikamenten, die den Blutdruck senken?
So würde ich es nicht formulieren. Aber es ist eine Tatsache, dass Männern und Frauen grundsätzlich dieselben Medikamente zur Blutdrucksenkung zur Verfügung stehen, sie je nach Geschlecht aber unterschiedlich lang und stark wirken.
Gibt es noch weitere blinde Flecken im Bezug auf Bluthochdruck bei Frauen?
Diese Liste ist sehr lang. Es ist mittlerweile bekannt, dass die Anti-Baby-Pille einen negativen Einfluss auf den Blutdruck hat. Die genauen Mechanismen kennen wir nicht. Bei familiärer Vorbelastung und anderen Risikofaktoren für Bluthochdruck ist bei der Anti-Baby-Pille also Vorsicht geboten.
Inwiefern erhöht eine Schwangerschaft das Risiko für Bluthochdruck?
Nun, auch gesunde Frauen können in der Schwangerschaft Bluthochdruck entwickeln, was gefährlich werden kann für Mutter und Kind. Frauen, die schon vor der Schwangerschaft an Bluthochdruck leiden, haben ein deutlich höheres Risiko, an einer Schwangerschaftsvergiftung zu erkranken.
Welche Folgen hat ein Schwangerschafts-Bluthochdruck in späteren Jahren?
Derzeit wissen wir nur, dass Frauen mit Nierenerkrankungen gehäuft auch Schwangerschaftsvergiftungen erlitten haben, aber bisher konnte noch kein Kausalzusammenhang nachgewiesen werden. Das Thema ist jedoch sehr aktuell und wird weltweit erforscht.
Was können Frauen tun, um sich vor einem hohen Blutdruck im Alter zu schützen?
Es sind die üblichen Dinge: Ein möglichst aktives Leben führen und sich gesund ernähren. Das heisst etwa: viel Bewegung, wenig Salz und Fertigprodukte, nicht rauchen. Zudem empfehle ich, den Blutdruck schon in jungen Jahren regelmässig von einer Ärztin oder einem Arzt kontrollieren zu lassen, um möglichst früh zu erkennen, falls er zu hoch wäre. Wobei auch hier Vorsicht geboten ist: Die heute gültigen Leitlinien bezüglich Blutdruckgrenzwerten sind aktuell für beide Geschlechter gleich definiert, zudem gibt es länderspezifische Unterschiede. Auch wenn auf Frauen ausgerichtete Vorgaben wünschenswert wären, sind die heute gültigen Werte zu beachten.
Muss man zwingend zu einer Fachperson, um den Blutdruck zu messen? Viele Menschen sind bei einem Arztbesuch so nervös, dass der Blutdruck massiv ansteigt.
Tatsächlich ist die "Weisskittel-Hypertonie" ein bekanntes Phänomen, auch wenn es noch nicht durch Studien belegt ist. Entgegenwirken kann man ihm mit einem Blutdrucktagebuch, das man zuhause führt, oder mittels einer 24-Stunden-Blutdruckmessung.
Lässt sich ein zu hoher Blutdruck auch ohne Medikamente senken?
Ja, durch eine salzarme Diät, gesunde Ernährung, körperliche Bewegung, Gewichtsabnahme und Stressabbau. Oft reichen diese Massnahmen aber nicht aus, dann ist eine medikamentöse Behandlung notwendig. Eine salzarme Ernährung ist aber so oder so zu empfehlen: Sie verbessert auch die Wirkung der Medikamente.
Claudia Ferrier-Guerra ist seit 1993 Fachärztin für Nephrologie und Innere Medizin. Ihre Fachgebiete sind Nierenkrankheiten mit Schwerpunkt Bluthochdruck.