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Brutal ehrlich: Demi Lovato spricht in neuer Doku über Überdosis und Trauma

Popkultur

Brutal ehrlich: Demi Lovato spricht in neuer Doku über Überdosis und Trauma

Die US-Sängerin Demi Lovato verlor vor zwei Jahren bei einer Überdosis fast ihr Leben. Im Dokumentarfilm «Dancing with the Devil» spricht sie erstmals über die Traumata, die dazu führten.

Sechs Jahre lang war Demi Lovato clean. Bis sie 2018 fast an einer Überdosis starb. Die Sängerin kämpfte in der Vergangenheit mit einer Essstörung, war süchtig nach Kokain und Alkohol. Nach einem Reha-Aufenthalt lebte sie trocken und wurde zu einer Art Mental-Health-Ikone, die bei Konzerten und auf Social Media immer wieder über die Wichtigkeit psychischer Gesundheit sprach. Umso grösser war der Schock, als der Popstar am 24. Juli 2018 in seinem Haus in Los Angeles nach einer Partynacht bewusstlos von einer Assistentin gefunden wurde.

Tagelang kämpften Ärztinnen im Cedars-Sinai Medical Center um Lovatos Leben. Was genau passiert ist, behielt sie für sich – bis jetzt. Im vierteiligen Dokumentarfilm «Dancing with the Devil» erzählen Lovato und ihr engster Kreis erstmals von der Überdosis. Brutal ehrlich schildert die Sängerin, warum sie nach sechs Jahren wieder zu Alkohol und Drogen griff.

Toxische Schönheitsideale und hohe Erwartungen

In «Dancing with the Devil» lässt Lovato die Zuschauerinnen und Zuschauer hinter die Celebrity-Fassade blicken. So spricht sie über toxische Schönheitsideale und über den enormen Druck, für Fans als perfektes Vorbild dienen zu müssen. Die 28-Jährige zerbrach an den Erwartungen – denn das Bild des geläuterten Popstars, der mit seinen Dämonen im Reinen ist, entsprach nicht der Wirklichkeit. «Ich fühlte mich schuldig», sagt sie.

2018 erlitt Lovato einen Rückfall in ihre Essstörung. Da half auch eine Armada an Ressourcen wie einem Ernährungscoach, einem Wellnesscoach, Therapeuten und Assistenten nicht. Im Gegenteil: Kontrolle und harte Restriktionen hätten die Zusammenarbeit mit ihren damaligen Mitarbeitern geprägt. So wurde ihr etwa in jedem Hotelzimmer das Telefon aus dem Raum genommen, damit sie keinen Room-Service bestellen konnte. «Die Entscheidungen wurden für mich getroffen», sagt sie.

«Als Frau in diesem Business steht man unter einem riesigen Druck»

Sie wollte nicht mehr auf die Bühne, weil sie an Gewicht zugenommen hatte und sich in den Kostümen nicht mehr wohlfühlte. «Ich habe mehr gegessen, weil ich mehr Frieden mit Essen schliessen wollte», erinnert sie sich. Doch die Konsequenz waren Schuldgefühle. «Als Frau in diesem Business steht man unter einem riesigen Druck, wie man auszusehen hat. Das ist ein grosser Trigger.» Mit dem Rückfall in ihre Essstörung begann die Abwärtsspirale. «Ich fühlte mich miserabel und verlor die Kontrolle», sagt Lovato.

Nach einem Fotoshooting stellte sie sich die Frage, warum sie noch clean sei. Zuhause öffnete sie eine Flasche Rotwein und hatte eine halbe Stunde später ihren Dealer am Telefon. Sie mischte Meth, Kokain, Ecstasy, Oxycontin – «die Schleusen waren geöffnet», sagt sie. Wenige Wochen später rauchte sie erstmals Crack und Heroin. Letzteres brachte sie schliesslich ins Spital.

Hoffnungslosigkeit und Ohnmacht

Der Film zeigt, wie schwierig und kompliziert der Umgang mit einer Suchterkrankung ist – auch für die Angehörigen, die Lovato immer wieder manipulierte und belog. «Demi ist sehr gut darin, zu verstecken, was sie verstecken will», sagt ihre jüngere Schwester in die Kamera. Auch in der Nacht der Überdosis liess sie ihre Freunde im Glauben, dass alles okay sei, um schliesslich in den frühen Morgenstunden ihren Dealer zu sich einzuladen. «Ich versteckte den Fakt, dass ich süchtig nach Heroin und Crack war», so Demi. Es ist traurig, wenn Lovatos Eltern, Schwestern und Freunde von ihrer Hoffnungslosigkeit und Ohnmacht erzählen. Denn wie hilft man jemandem, der die Hilfe nicht annehmen will?

Wie knapp die Sängerin ihre Überdosis überlebte, wusste bislang nur ihr enges Umfeld. «Ich glaube nicht, dass die Leute realisieren, wie schlecht es um mich stand. Ich hatte drei Schlaganfälle, einen Herzinfarkt, eine Lungenentzündung und multiples Organversagen», sagt sie. Die Schlaganfälle hinterliessen bei Lovato Hirnschäden und liessen sie kurzzeitig erblinden. Bis heute dürfe sie kein Auto steuern und leide unter eingeschränkter Sicht. «Ich kann von Glück reden, am Leben zu sein. Meine Ärzte sagten, dass ich noch fünf bis zehn Minuten zu leben hatte», so Lovato. 

Für Lovato ist der Film ein Befreiungsschlag

«Dancing with the Devil» ist ein düsterer, sehr mutiger Blick hinter die Kulissen des Popgeschäfts. Selten sprach eine Celebrity so offen über den Konsum harter Drogen und den Druck, einen gewissen Beauty-Standard erfüllen zu müssen – und daran kaputtzugehen. Lovato ist vor der Kamera so offen, wie es andere höchstens mit ihren Therapeutinnen sein dürften. Spannend ist, dass sie just jene Maschinerie kritisiert, in der sie nun ihren Film vermarktet. Bereits 2017 erschien mit «Simply Complicated» ein Dokumentarfilm, in dem Lovato über ihr selbstverletzendes Verhalten und ihre Sucht sprach. Man könnte ihr also vorwerfen, dass sie ihre Sucht und ihre Probleme monetarisiert oder als PR-Masche nutzt. Vielleicht will sie aber auch einfach die Hoheit behalten über ihr eigenes Narrativ. Der gefallene Disney-Star – ein gefundenes Fressen für die Klatschpresse. Lovato will zeigen, dass sie es zurückgeschafft hat.

Für sie sei der Film ein Befreiungsschlag, sagt Lovato denn auch. Unter anderem, weil sie erstmals über ihr sexuelles Trauma spricht, das sie erlebt hat: Mit 15 wurde sie vergewaltigt, in der Nacht ihrer Überdosis wurde sie erneut Opfer eines sexuellen Übergriffes. Ihr Dealer habe sie in jener Nacht nicht nur sexuell missbraucht, sondern danach «weggeworfen, zum Sterben überlassen». Indem sie öffentlich darüber spricht, habe sich viel Wut in ihr gelöst. Sie wolle ein Tabu brechen, indem sie offen über die sexuelle Gewalt, die sie erlebte, spricht. «Ich will den Leuten zeigen, dass es okay ist, darüber zu sprechen. Du wirst dich stärker fühlen – und dich von der Scham befreien.»

Heute habe sie die Kontrolle über ihr Leben. Besonders im Lockdown habe sie sich erstmals richtig Zeit genommen, die inneren Wunden zu heilen. Was einen seltsamen Beigeschmack hinterlässt: Clean ist Lovato nicht – stattdessen sei sie «California sober», wie sie es nennt. Der Begriff steht für das gemässigte Konsumieren von Alkohol und Marihuana. Elton John, der in der Dokumentation ebenfalls zu Wort kommt, ist selbst seit mehr als dreissig Jahren clean und kritisierte ihre Entscheidung. Lovato betont, dass der gemässigte Konsum für sie der richtige Weg sei. Man wünscht es ihr.

Die ersten zwei Teile von «Dancing with the Devil» sind bei Youtube zu sehen. Die zwei weiteren Teile der Doku erscheinen am 30. März

Sie möchten mit jemandem reden? Hilfe finden Sie etwa bei der Dargebotenen Hand unter www.143.ch

Überlebende sexueller Gewalt können sich bei www.opferhilfe-schweiz.ch oder www.frauenberatung.ch beraten lassen

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