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Elle Fanning im Interview:

Elle Fanning im Interview: "Man darf seine Liebsten nicht vernachlässigen"

Elle Fanning ist immer sie selbst – obwohl es ihr Job ist, sich zu verstellen: Eine Begegnung mit dem ebenso glamourösen wie bodenständigen Star.

Noch immer kichert und gluckst sie. So wie damals 2010 mit elf Jahren, als sie in Sofia Coppolas Vater-Tochter-Geschichte «Somewhere» ihre erste grosse Rolle spielte und in einem Garten in Venedig zum ersten Mal allein Interviews gab. Ein noch etwas linkisches blondes Mädchen mit Stupsnase, das sein unfassbares Talent wohltuend leicht nahm. «Für mich ist Spielen wie Verkleiden – ich nehme das gar nicht so schwer», blubberte sie damals. Ein Mini-Star mit einer Maxi-Souveränität. Man ahnte sofort: Die wird mal ganz gross.

Und nun ist sie es. Das kindliche Gesicht blieb, auch wenn die Schauspielerin mittlerweile 27 ist, mit mehr als sechzig Filmen quasi als Veteranin durchgeht und heute als Hollywood-Royalty auf einer Dachterrasse hoch über Cannes sitzt. Auch als Erwachsene verströmt sie noch einen fast kindlichen Enthusiasmus, eine grosse Begeisterung fürs Leben und alles, was es ihr bietet. Verkniffen, kompliziert, zickig? Nie. Elle Fanning strahlt von innen, als hätte sie eine riesige Portion kalifornischer Sonne und nordisches Feenlicht verschluckt.

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Vielleicht, weil sie sich nie bemüht, jemand anderes zu sein – obwohl es ihre Spezialität ist, sich zu verstellen. Ihr Debüt als Schauspielerin gab sie schon mit zwei Jahren, als sie mit Sean Penn in «I Am Sam» auf einer Schaukel sass, als Mini-Version ihrer Schwester Dakota Fanning. Seitdem stand sie ständig vor der Kamera. «Somewhere», Coppolas melancholisches Porträt des Starkults, betrachtet sie jedoch bis heute als ihr eigentliches Debüt.

«Wer weiss, ob ich ohne Sofia wirklich Schauspielerin geworden wäre und heute hier sitzen würde. Sie war damals eine Mischung aus grosser Schwester und Mutter.» Bei ihrem zweiten gemeinsamen Film «Die Verführten» (2017) mit Colin Farrell und Nicole Kidman wurden sie Freundinnen, die auch mal den Abend gemeinsam verbrachten. «Sofia musste sich nur daran gewöhnen, dass ich Colin Farrell küsste! Da hatte sie noch die Elfjährige vor Augen», sagt sie und lacht herzlich.

Elle Fanning ist einen weiten Weg gegangen und trotzdem ganz bei sich geblieben. Auch wenn sie lässig zwischen Elternhaus und roten Teppichen hinund herdüste, hat sie ihre Bodenhaftung genauso behalten wie ihr Babyface. Ihre früheren Vorbilder – Nicole Kidman, Angelina Jolie oder Michelle Pfeiffer – sind längst Freundinnen auf Augenhöhe und Fanning-Fans. Mit Leichtigkeit tobt Elle Fanning durch die unterschiedlichsten Filmgenres, von schwersten Stoffen zu Pop-Kultur und retour.

Ihre Lust auf wilde Rollen zeigte sie zum ersten Mal in «How to Talk to Girls at Parties» neben Nicole Kidman, als blutjunge Punk-Amazone im knallgelben Latexanzug. In den konnte sie nur reingleiten, verriet sie später vergnügt, wenn sie sich mit Gel bestrich. Damals entdeckte das Engelsgesicht ihr Herz für den Punk. «In jedem von uns schlummert etwas Rebellisches mit Drang nach Freiheit, Punk und Revoluzzertum», behauptete sie da. Auf der Premierenparty hatte sie sich das Anarchie-Symbol auf den Bauch gemalt und tanzte wild zur Punkmusik. Sie erinnert sich: «Vom Head-Banging hatte ich am nächsten Tag richtig Muskelkater im Nacken!»

 

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"Ich finde immer neue Seiten an mir"

Die Lust zum Mut hat sie nie verlassen. Ob als eiskaltes Model in «The Neon Demon», als anarchische Zarin Katharina in der Streaming-Serie «The Great» oder als Bob-Dylan-Muse Sylvie Russo in «Like a Complete Unknown» – für Fanning sind Filme wie Abenteuerspielplätze und Figuren wie Erkundungsreisen. «Ich finde dabei immer neue Seiten von mir.» Ihre berufliche und persönliche Entwicklung liefen Hand in Hand. «Ich lernte ja viel von den erwachsenen Schauspieler:innen. Mit jedem Film veränderte ich mich, als ob die Erfahrung einer Figur etwas dazu beitrug, dass ich selbst klüger und erwachsener werde.» Grenzen testet sie lieber aus, anstatt sich in ihnen einzurichten.

Jede Figur, die sie spielt, schillert. In ihrem neuen Film «Sentimental Value» des norwegischen Regisseurs Joachim Trier spielt der Hollywoodstar einen Hollywoodstar, der mit einem norwegischen Regisseur dreht – «total meta!», kichert sie. «Es ging sogar weiter: Meine Figur ist ein grosser Science-Fiction-Star – und ich kam gerade vom Dreh des Sci-Fi-Abenteuers ‹Predator: Badlands›.» Laute Lachsalve.

Dabei war schon die Koordination ein Kraftakt, aber bei ihr klingts eher wie ein Kuriosum: Vier Monate hatte Elle Fanning als Android in Neuseeland vor der Kamera gestanden, direkt nach der letzten Klappe stieg sie ins Flugzeug nach Paris. «Ich landete mittags, fuhr ans Set nach Deauville, hatte abends Kostümprobe, stand am nächsten Morgen um fünf auf und fing an zu drehen. Das war wild. Aber es fühlte sich richtig an.» Regisseur Joachim Trier stand auf ihrer Bucketlist, gesteht sie, seit sie «Der schlimmste Mensch der Welt» gesehen hat. «Das ist für mich einer der besten Filme des letzten Jahrzehnts.»

"Meine Schwester Dakota hält immer noch ihre schützende Hand über mich"

«Sentimental Value» berührt sie persönlich, denn er huldigt auch einem Herzensthema: Schwesternschaft. «Eine Szene ging mir besonders nah: Da sagt die jüngere Schwester zur älteren: ‹Ich hatte den Vorteil, dass ich immer dich hatte, die mich beschützte.›» Ihre Schwester Dakota Fanning ist vier Jahre älter und wird von Elle liebevoll «Cody» genannt. Mit «I Am Sam» und «Taken» wurde Dakota Fanning mit sechs Jahren in Hollywood zur Sensation, ihre Schwester Elle war zunächst nur ihr Mini-Me.

Während Dakota Fanning später lange Pausen einlegte und an die Uni ging, ging ihre kleine Schwester ganz in der Filmwelt auf. Die Verbindung der beiden ist innigst. «Cody ist mein Lieblingsmensch», postete Elle an deren 31. Geburtstag. Und sagt jetzt über sie: «Dakota und ich sind wie Freundinnen, ich unternehme viel mit ihr und ihrem Freundeskreis. Sie hält immer noch ihre schützende Hand über mich, passt noch immer auf mich auf. Aber ich merke, sie nimmt mich auch immer mehr als Frau wahr.»

"Sobald es keinen Spass mehr macht, höre ich auf"

Im nächsten Jahr passiert das, was längst überfällig ist: Die Fanning Sisters werden zum ersten Mal gemeinsam vor der Kamera stehen. Nach langer Suche fanden sie das perfekte Projekt dazu im Roman «The Nightingale» von Kristin Hannah und kauften die Rechte. Die sonst so quecksilbrige Elle Fanning hatte in Cannes noch auffallend herumgedruckst, im Sommer wurde die Neuigkeit dann gross verkündet. 2026 gibt es einen weiteren Meilenstein: Elle Fanning übernimmt von Elizabeth Banks die ikonischen Rolle der Effie Trinket in den neuen «Die Tribute von Panem». Jetzt gerade steht sie in Nordspanien vor der Kamera. «Ich liebe es, zu spielen – aber sobald es keinen Spass mehr macht, höre ich auf», hat sie mit 13 gesagt. Heute, mit 27, klingt das noch genauso wahr.

Die Verbindung zu Dakota und zum Rest der Familie ist der Grund, warum Elle Fanning bei allem Hollywood-Hype nie den Kontakt zur Erde verloren hat. Die junge Frau versprüht zwar Glamour und Grandezza wie kaum eine andere ihrer Generation. Aber auf die Reise nach Cannes machte sie sich mit ihrer Grossmutter. «Darum gehts doch», erklärt sie mit einem grossen Lächeln. «Man darf sich vom Filmbusiness nicht so verwirren lassen, dass man seine Liebsten vernachlässigt.» Ihre Bodenhaftung zeigte sich, als sie das Protokoll sprengte, weil sie die Strecke zwischen Hotel und Filmpalast zu Fuss lief, statt in der Limousine zu sitzen.

Wenn Elle Fanning dann auf dem roten Teppich steht, ist das Kindliche wie ausgeknipst. Sie ist nicht nur stilsicher, sondern «hat Hollywoods Glanz der Goldenen Ära inhaliert», schrieb eine Kritikerin. Sobald sie Couture trägt, ist das Goofyhafte an ihr verschwunden. Ihr Glam ist nie übertrieben, sondern wirkt immer edel, als habe Grace Kelly höchstpersönlich sie gestylt.

Mode fasziniert sie sehr. Schon als Teenie zog sie mit Sofia Coppola durch die Secondhand-Läden und zeichnete Modeskizzen, jetzt reissen sich Designer: innen und Brands um sie. Heute trägt sie stolz ein weisses T-Shirt mit der krakeligen Aufschrift: Joachim Trier Summer. «Am Musikfestival Coachella hat Charli XCX mich darauf gebracht, ihr Motto Brat Girl Summer abzuändern – und der elfjährige Sohn meiner Stylistin ist mit einem Filzstift zur Tat geschritten», erzählt sie grinsend. Und klar, Charli XCX kennt sie. «Wir hingen schon auf ein paar Partys ab, ich finde sie supercool.»

Was für sie selbst sentimentalen Wert hat? Da zögert sie nur kurz. «Ein Kuscheltier, mein Cockerspaniel Jessie, den habe ich, seit ich sechs, sieben war.» So ist sie: Eine Frau, die in Hollywood gross wurde, aber heil blieb. Deren Wachstum wir alle im Kino beobachten konnten. Die im Rampenlicht steht und trotzdem weiss, wie wohltuend sich der Schatten anfühlt. Die als Android Action macht und dabei ihr Plüschtier im Gepäck hat. Die Familie feiert und mit Popstars Party macht. Mal Kobold, mal Königin. Sie selbst nennt ihr buntes Leben ein Puzzle.

Dazu gehört seit zwei Jahren auch der 35-jährigen Gus Wenner, CEO und Erbe des «Rolling Stone»-Imperiums. Sie nennt ihn «love of my life», fährt mit ihm Ski in Aspen, cruist im Motorboot übers Meer, läuft glaceschleckend über eine Piazza in Italien und lacht sich mit ihm kringelig.

Natürlich fehlte er an ihrem Geburtstag nicht, den sie im engsten Kreis feierte. «Loving 27 already», postete sie. Auf den Fotos sieht es aus, als ob ihr Strahlen noch mal ein Refill bekommen hätte. Jetzt strahlt sie nicht nur, sie leuchtet.

Im Kino: «Sentimental Value»

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