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Hype um die Serie

Hype um die Serie "Dying for Sex": Darf der Tod sexy sein?

Die neue Serie “Dying for Sex” mit Michelle Williams erforscht ein doppeltes Tabu: Das Letzte, woran man denkt, wenn es um den Tod geht, ist Sex. Warum eigentlich?

Wie oft haben wir uns diese Frage schon gestellt – bei einem Trinkspiel mit den besten Freundinnen, damals beim Sternegucken mit dem ersten Freund, bei deepen Diskussionen mit Uber-Fahrern. Wer wie ich Millennial ist, hat womöglich sogar noch das Lied «Wenn ich nur noch einen Tag zu leben hätte» von Basis im Ohr.

Also: Was würdest du tun, wenn du wüsstest, dass du sehr bald sterben wirst? Den Job kündigen und eine Pilgerfahrt machen? Deine Autobiografie schreiben? Endlich mehr Zeit mit den Kindern verbringen? Nun, für Molly Kochan konnte es 2015, als sie die Diagnose Brustkrebs im Endstadium bekam, nur eine Antwort geben: Ich will Sex. Viel Sex. Und zwar mit Orgasmus.

Was als Podcast zwischen zwei Freundinnen begann, ist nun eine hinreissende Serie mit dem klingenden Namen «Dying for Sex». In der Hauptrolle die grossartige Michelle Williams, die auch Mitproduzentin der Serie ist. «Als ich den Podcast gehört habe, fand ich mich heulend auf dem Küchenboden wieder, unfähig zu sprechen», sagte sie vor kurzem an der Pressekonferenz zum Serienstart. «Ich musste diese Serie machen, um herauszufinden, warum ich derart bewegt war».

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"Wer sagt denn, dass alle kranken Menschen automatisch zu asexuellen Wesen werden, denen jegliche körperlichen Sehnsüchte abhandenkommen?"

Sterblichkeit in Zusammenhang mit Sex zu setzen – «Dying for Sex» spielt mit diesem doppelten Tabu so wahnsinnig clever, einfühlsam und ja, verdammt lustig. Molly bekommt die Diagnose ausgerechnet bei einer Paartherapie-Sitzung und entscheidet noch an Ort und Stelle, ihren liebenden Ehemann zu verlassen.

Es ist bereits das zweite Mal, dass Molly an Krebs erkrankt, aber diesmal gibt es keine Hoffnung auf Heilung. Ihr Mann betrachtet sie seit Jahren nur noch als Patientin, als eine Art Care-Arbeitsprojekt, aber sicher nicht als begehrenswerte Frau.

Das Leben voll auskosten

Und das ist ein wichtiger Punkt – denn wer sagt denn, dass alle kranken Menschen automatisch zu asexuellen Wesen werden, denen jegliche körperlichen Sehnsüchte abhandenkommen? Im Gegenteil: Wenn man das bisschen, was noch von seinem Leben übrig ist, voll auskosten möchte, will man dann nicht gerade Sex haben? Seinen Körper spüren, auch wenn man weiss, dass er schon bald versagen wird?

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Mollys Mann aber sieht seine Frau als ätherisches Wesen, als entmenschlichten Halb-Engel, den man beschützen, aber sicher nicht vögeln soll. Während sie ihm einen Blowjob gibt, beginnt er zu weinen.

Aus Fleisch und Blut

Also macht sich Molly, die noch nie einen Orgasmus hatte, auf die Suche danach. Sie will sich selbst spüren, aus Fleisch und Blut, vor allem aber kennenlernen, solange sie noch kann. Über ihren Körper führt der Weg tief in ihr Inneres, bis zu einem Kindheitstrauma. Wir begleiten sie auf Sexpartys, zu kinky Spielchen mit dem Nachbarn, den sie eigentlich widerlich findet, in Momenten mit lesbischen Sex-Mentorinnen und bei ganz viel Selbsterforschung. Dabei sind die fantastischen Dialoge der wahre Höhepunkt.

Selten hat eine Serie auf so berührende Weise gezeigt, wie viel Komik im Tod steckt. Und dass wir Menschen bis zum Ende sexuelle Subjekte sein können. «Dying for Sex» lässt uns mit einer wichtigen Frage zurück: Was, wenn wir das Leben auch ohne Todesdiagnose genau so leben würden, wie wir wollten?

«Dying for Sex» ist ab sofort bei Disney+ zu sehen.

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