Lohnt sich die 5. Staffel "Emily in Paris"?
Emily verhandelt diesmal in Rom die grossen Fragen um Liebe, Job und Freundschaft. Aber brauchen wir wirklich noch eine Staffel "Emily in Paris"? Drei annabelle-Redaktorinnen haben die ersten drei Folgen schon gesehen.
- Von: Jacqueline Krause-Blouin, Linda Leitner, Sandra Brun
- Bild: Parmigiani/Netflix
«Campe Klischees und schlechte Witze? Fühle ich total!» – Editor-at-Large Jacqueline Krause-Blouin
Erinnert ihr euch an den Film «Inglourious Basterds» von Tarantino? Dort, wo Brad Pitt so wunderbar furchtbar italienisch mit amerikanischem Akzent spricht? So ähnlich hört sich Lily Collins alias Emily in Paris in Staffel fünf an, wenn sie statt «Bonjour» nun «Buongiorno» sagt.
Auch in dieser Staffel spart die Serie nicht an Klischees und campen Witzen. Da wird alle 30 Sekunden ein «Oh my god» abgefeuert, in High Heels Trüffel suchend im Wald herumgestöckelt und mittels Mode über die Liebe philosophiert («Ich habe Angst, dass du eine Fake-Fendi bist»).
Alles an «Emily in Paris» ist over the top. Zu viel, zu bunt, zu platt – einfach fantastisch! Genau das, was ich gerade brauche. Auch die neue Staffel spart nicht an Wortwitzen, entbehrt oft jeglicher Logik und gibt sich mit ganzer Leidenschaft jedem erdenklichen Italien-Klischee hin. (1. Italiener:innen trinken den ganzen Tag Espresso, 2. kommen sie immer zu spät, 3. fassen sie ständig alle an, wenn sie sprechen, 4. arbeiten sie eigentlich nie, weil sie sich auf Liebe, Pasta oder Catfights konzentrieren, 5. fahren sie immer mit der Vespa herum, 6. schlafen sie in sehr kleinen Betten und 7. sagen sie den ganzen Tag «brava» und «ciao»).
Wenn man «Emily in Paris» schaut, will man dem echten Leben entfliehen, und das klappt auch in Staffel fünf ganz hervorragend. Was mich ein bisschen stört: zu viele Eat-Pray-Love-Food-Close-ups, und das Product Placement ist diesmal wirklich ausser Kontrolle geraten. Nun werden Brands schon im Titel der Episode genannt (zugegeben genial: «Intimissimi Issues»). Aber darüber sehe ich hinweg, weil ich nun mal keine Spassbremse bin. Ciao for now.
PS: Sylvie Grateau (Philippine Leroy Beaulieu) ist auch in dieser Staffel die eigentliche Ikone. Wie sie wie ein Bondgirl mit dem Motorboot davonfährt – absolut göttlich! Ich melde mich mal bei Netflix und fordere ein Spin-off («Too Frech For Feelings»?).
«Ich liebe es, zu hassen» – Lifestyle Editor Linda Leitner
Ob es sich lohnt, Emily nun auch noch nach Rom zu folgen? Selbstredend! Weil die Serie der eigenen Ästhetik und dem eigenen Humor entspricht? Selbstredend nicht. Aber man hat der neuen Staffel doch entgegengefiebert, weil man so gerne «hate watched» – was soviel bedeutet wie: das bewusste Konsumieren von vermeintlich grottig gemachten Inhalten, die man aus genau diesem Grund ultrageil findet. Und ja, auch die fünfte Staffel bereitet mir ein zuckriges morbid-faszinierendes Vergnügen, dass mir herrlich angenehm sämtliche Gehirnzellen verklebt.
Wenn ich vor lauter Euphorie über völlig deplatzierte, affektierte Looks und die Vorhersehbarkeit des Plots noch etwas zu kritisieren habe und mit meiner Kollegin Jacqueline weiter in die Klischeeschlacht ziehen darf, dann möchte ich mich nun kurz (wie nach jeder Staffel) darüber aufregen, wie es sein kann, dass Emily trotz ihrer unsympathischen Art so beliebt ist. Sie ist eine übermotivierte Streberin, nichts an ihr ist authentisch und sie lernt ums Verrecken nie die Sprache des Landes, in dem sie lebt. Dennoch verfällt ihr jedes männliche Wesen in Rekordzeit. Nun gut.
Aber jetzt, wo wir in Roma gelandet sind, wo Amore jede Pizza e Pasta toppt, hat plötzlich die gesamte Agentur einen Lover. Von den Angestellten Luc und Julien, bis hin zu Chefin Sylvie und natürlich Emily selbst. Letztere werden von ihren Ragazzi permanent angefleht, Italien doch bitte niemals zu verlassen. Gleichzeitig stehen die Männer, die sie in Paris zurückliessen (Sylvies Mann Laurent und Emilys willenloser Koch, Ex-Engel Gabriel), etwas verloren und anklagend schmachtend in Rom rum. Was mit den Rest-Charakteren, dem Neu-Single Mindy (Emilys Paris-Roomie und BFF) und Alfie (Emilys Ex, was sonst), passiert – damit möchte ich jetzt gar nicht anfangen. Ihr ahnt es.
Zurück zum Rant: Ja, Paris ist die Stadt der Liebe. Roma ergibt rückwärts gelesen Amor und ihre Bewohner sind sowieso alle notgeile Casanovas – si certo. Das mag alles irgendwo einen Funken Wahrheit in sich tragen, aber genau so wie sich nicht alle Französ:innen schon mittags nonchalant den Weisswein reinklingeln, haben nicht alle Italiener:innen ununterbrochen liebestolle Liebhaber:innen. Ich durfte sowohl bei einer Freundin, die längere Zeit in Rom verbrachte, als auch anhand der aktuellen Staffel «Love is blind Italy» beobachten: Dating ist auch da nicht sonderlich erquickend. Auch Römer:innen ghosten und sagen zu kurzfristig ab, wenn sie keine Lust auf ein appuntamento haben. In «Emily in Paris» ist aber jede:r stets begehrt und begehrenswert, Alleinsein ist keine Option.
Ich möchte sagen: Doch doch, Alleinsein kann eine sein. Es ist okay, wenn man weder Gatten noch heisse Affäre hat. Ebenso okay ist es, eine kleine Ewigkeit keine Matches oder Dates zu haben und nicht ständig in attraktive Personen zu stolpern, die sich dann auch vom Fleck weg in einen verlieben. Liebe ist cool und so, aber leider nicht so einfach. Spoiler: Die meisten Leute können sich vor Angeboten durchaus retten. Aber wir gönnen ja. Und lieben es, wenn Emily nervt.
«Die Serie irritiert mich leider nur noch» – Editor Sandra Brun
Während mich Eskapismus in Form von seichten Feelgood-Serien mitten in der Pandemie noch richtig abholte, irritiert mich «Emily in Paris» fünf Jahre später leider nur noch. In Zeiten von Ozempic nervt mich noch viel mehr als schon in den letzten Staffeln, dass jede einzelne weibliche Figur sehr, sehr dünn ist. In Zeiten von explodierenden Miet- und Lebensmittelpreisen nervt mich auch der Fact, dass man hier im Glamour schwimmt, mehr denn je. Und in Zeiten von Filtern und durchgestylten Influencer:innen nerven mich die over-the-top-gestylten Darsteller:innen, ihr ahnt es: over the top.
Meine Kollegin Esther Göbel kritisiert an der durchaus ähnlich überstylten Serie «All’s Fair» sehr treffend, was sich auch über «Emily in Paris» sagen lässt: «Das Problem ist die Gesetzmässigkeit, mit der das hochgetunte Aussehen der Protagonistinnen dargestellt wird: Hier altert niemand. (…) Nichts wabbelt, nichts hängt, nichts wackelt hier – alles sitzt zu jeder Zeit perfekt.»
Lässt sich eins zu eins auf die weiblichen Figuren in «Emily in Paris» übertragen. Keine ist je auch nur ein Quäntchen nahbar, weil auch mal zumindest nur halb-perfekt. Herzschmerz muss musikalisch untermalt werden, weil man ihn an eingefrorenen Gesichtszügen leider nicht mehr ablesen kann. Und der Foodporn scheint niemanden genug anzuturnen, um tatsächlich in ein Stück Pizza zu beissen.
Ja, ich mag Badass Sylvie Grateau genauso am allermeisten, aber mon dieu, so sieht nicht jede:r aus mit 62. Und ja, sie darf natürlich genau so aussehen, das ist gar nicht der Punkt hier. Aber: mir fehlt Körpervielfalt. Dass diese gerade immer mehr verschwindet und Dünnsein wieder – oder was Hollywood angeht wohl eher: weiterhin – zur Norm gekürt wird, hat Auswirkungen auf unser Körpergefühl. Ich würde mir wünschen, dass wir 2025 darüber nicht immer noch diskutieren müssten.