Werbung
Kritik: Wir haben Kamala Harris’ Biografie gelesen

Literatur & Musik

Kritik: Wir haben Kamala Harris’ Biografie gelesen

  • Bild: Shutterstock

US-Vizepräsidentin Kamala Harris gewährt Leserinnen in ihrer Autobiografie «The Truths We Hold» Einblick in private, berufliche und politische Momente ihres Daseins. Das Buch ist nun auf deutsch erschienen.

Spätestens seit den US-Amerikanischen Präsidentschaftswahlen Ende 2020 und dem Sieg Joe Bidens über den damals amtierenden Republikaner Donald Trump, ist der Name Kamala Harris auch bekennenden Politikbanausinnen ein Begriff. Als erste weibliche und Schwarze Vizepräsidentin eröffnet Harris ein neues Kapitel in der Geschichte der Vereinigten Staaten und entfacht damit einen regelrechten Hype um die eigene Person.

In ihrer selbstgeschriebenen Autobiografie «Der Wahrheit verpflichtet» schlägt Harris als Autorin nun weitere, bisher unbekannte Seiten auf. «The Truths We Hold» erschien bereits im Januar 2019, nun wurde es ins Deutsche übersetzt.

Dem konservativen System die Stirn bieten

Auf eine liebevolle Art und durch kleinere Anekdoten, schwelgt Harris in Kindheitserinnerungen, dankt all denen, die sie auf ihrem Weg geprägt und gefördert haben und gibt hie und da Fragmente ihres Privatlebens preis. Sie erweckt damit einen nahezu unverblümten Eindruck, das makellose Bild einer modernen Familien- und Ehefrau, sowie einer liebenden Tochter.

Generell inszeniert sich Harris als fortschrittliche, liberale Politikerin. Als Reformistin, die sich für die Neuerung des US-Amerikanischen Justizsystems, die Ehe für alle, faire Löhne, den Klimawandel, Antidiskriminierung und Cannabislegalisierung einsetzt. Das alles führt sie in Ihrer Autobiografie gekonnt zusammen und eröffnet mit einer nahezu theatralisch-dramatischen Rückblende: So beschreibt Harris auf den ersten Seiten die Wahlnacht, in der sie zur kalifornischen Senatorin und Trump zum Präsidenten gewählt wurde.

Werbung

«Wollen wir uns verstecken, oder wollen wir kämpfen? Ich werde kämpfen!»

Kamala Harris

Damit will sie zeigen, dass sie vor allem eines ist: Die Superheldin, die, ganz nach US-Amerikanischem Klischee, dem antagonistischen Machthaber Trump, sowie dem konservativen Regime die Stirn bieten und das Ruder an sich reissen will, um in eine bessere und hellere Zukunft zu segeln.

Zugegeben, auch wenn gewisse Passagen für eine nüchterne und sachliche Schweizerin etwas überspitzt und aufgedrängt erscheinen, so wird man als politische Nullrunde, schnell in Kamalas Bann gezogen und beginnt mit ihrer humorvollen, klaren, dennoch seriösen Schreibweise und ihrer politischen Haltung zu sympathisieren.

Plötzlich Cannabis-Befürworterin

Dabei vergisst man, dass Autobiografien tendenziell dazu neigen, die rosigen Aspekte der betreffenden Person hervorzuheben und unschöne Tatsachen gerne unter den Teppich kehren. So stand Harris in Vergangenheit für ihre Handlungen als Staatsanwältin oftmals in medialer Kritik und wurde in Sachen Politik einer opportunistischen Vorgehensweise bezichtigt.

Als Exempel: Harris setzte sich aktiv gegen die Entkriminaliserung von Sexarbeit ein, gefährdete durch bestimmte Gesetzesvorlagen laut Kritikern gar die Sicherheit von Prostituierten. 2015 wurde sie von der LGBTQIA-Gemeinde stark kritisiert, als sie sich gegen das Recht auf eine Geschlechtsanpassung einer (in einem Männergefängnis) inhaftierten trans Frau aussprach. Zudem lachte sie vor Jahren noch öffentlich über die Idee der Cannabis-Legalisierung und wird heute plötzlich zur Befürworterin.

Gezielte Werbekampagne – dennoch spannende Einblicke

Dass Kamala Harris in «Der Wahrheit verpflichtet» fast schon als heroische Mutter Theresa des Westens wegkommt, überrascht kaum. Offensichtlich ist: Beim Buch handelt es sich vorwiegend um eine gezielte Werbekampagne, als um die Darbietung inspirierender Memoiren. Gesagtes lässt sich besonders vom Zeitpunkt der Erstpublikation, sowie den stark linksorientierten Ansichten, die vor allem junge Wählerinnen überzeugen sollen, ableiten.

Nichtsdestotrotz gewährt «Der Wahrheit verpflichtet» spannende Einblicke in Leben und Karriere der amtierenden Vize, in die Missstände der US-Amerikanischen Politik, sowie in den verbissenen Kampf um die Wählerschaft. Das Buch thematisiert Bereiche, denen wir als Nicht-Amerikaner begrenzt begegnen, aber auch globale Fragen, wie etwa die Klimakrise, Gleichstellung, Migrations- und Drogenpolitik. Letztendlich sind wir alle, unabhängig unserer Herkunft oder Staatsangehörigkeit, von genannten Themen betroffen, was eine gelegentliche Reflexion diesbezüglich erforderlich macht. Keine Pflichtlektüre, aber ein Go-to.

«Der Wahrheit verpflichtet», Siedler Verlag, 336 Seiten

Mitte der sechziger Jahre wird Kamala Harris als Tochter einer indischen Krebsforscherin und eines jamaikanischen Wirtschaftsprofessors in Oakland, Kalifornien, geboren. Nach der Trennung der Eltern wachsen Kamala und ihre jüngere Schwester Maya bei der Mutter in Berkley auf. Durch ihr Umfeld werden die Mädchen früh mit sozialpolitischen Themen und Ungerechtigkeiten konfrontiert. Als junge Erwachsene verspürt Kamala den Drang, etwas zu verändern, sich für die schwächsten der Gesellschaft einzusetzen und entscheidet sie sich folglich fürs Jurastudium. Trotz kleinerer Niederschläge arbeitet sie sich hoch zur Staatsanwältin, wird später zur Generalstaatsanwältin und Justizministerin und schlussendlich 2016 zur Senatorin Kaliforniens gewählt. Seit dem 20. Januar 2021 steht sie als Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten an Joe Bidens Seite.

Subscribe
Notify of
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments