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Rosalías Album

Rosalías Album "LUX": Eine Neuverhandlung religiöser Symbolik

Von Nonnen-Referenzen bis zum Heiligenschein: Popstar Rosalía bricht in ihrem neuen Album "LUX" sakrale Symbole auf und interpretiert sie aus feministischer Perspektive.

Rosalías neues Album «LUX» ist eines jener Werke, die schon beim ersten Hören wie ein kleines Erdbeben wirken – und mit jedem weiteren Durchlauf wächst die Intensität. Während ich diesen Artikel schreibe, läuft das Album in Dauerschleife, und selbst nach dutzenden Wiederholungen bekomme ich erneut Gänsehaut.

Die Kompositionen, die Stimmführung, der Mut zur Stille, die sprachlichen Details – alles daran wirkt durchdacht, aufgeladen, fast schon sakral.

All over Social Media

Man scheint Rosalía in diesen Tagen kaum vermeiden zu können: In den sozialen Medien ist sie omnipräsent – mal in strahlendem Weiss, mal in tiefem Schwarz, immer mit einem in ihr dunkles Haar gebleichten hellen Kreis, der an einen Heiligenschein erinnert, und einem Blick, der zwischen Ergebenheit und Entschlossenheit changiert.

Das Album-Marketing ist so perfekt orchestriert wie die Musik selbst.

 

Dieser christlich-spirituelle Look hat mich nachdenklich gemacht. Ist es zeitgemäss, religiöse Symbolik so zu glorifizieren? Meine Kollegin Darja Keller beschrieb es in ihrem Essay: «Protestantismus ist ein Gesundheitsschuh, Katholizismus ein Stiletto».

Ich interpretiere das so: Katholizismus lässt sich als eine Art begehrenswertes Accessoire begreifen – schön und verführerisch, aber bei längerem Tragen auch unbequem.

Nutzt Rosalía diese Bildsprache also nur dekorativ? Oder steckt dahinter eine tiefere, persönliche und künstlerische Auseinandersetzung?

Religiös und feministisch

Sie interpretiert die spirituelle Bildwelt neu, und zwar auf eine Weise, die man durchaus feministisch nennen kann. Denn «LUX» reproduziert nicht einfach religiöse Symbolik, sondern bricht sie auf: Die weibliche Figur im Zentrum ist nicht Objekt der Verehrung, sondern diejenige, die das Heilige neu deutet.

Rosalía nimmt sich Raum in einer Tradition, in der Frauen historisch wenig Raum hatten, und verwandelt Spiritualität in eine Form von Selbstermächtigung. In Songs wie «Dios es un stalker» beschreibt sie Gott poetisch-paradox – zugleich als intime Nähe und als eine Kraft, der man sich kaum entziehen kann. Es ist ein Gespräch mit dem Göttlichen, das weder dogmatisch noch distanziert wirkt, sondern zutiefst persönlich.

Das Albumcover von «LUX» erinnert an das Habit einer Nonne. Nicht als Karikatur, nicht als provokantes Mode-Statement, sondern als bewusst gewählte Bildsprache religiöser Hingabe. Auch ihre Pose wirkt hingegeben – aber nicht im Sinne von Unterordnung, sondern als selbstbestimmte, ruhige Präsenz im Sakralen.

Der Albumtitel, abgeleitet vom lateinischen «lux», bedeutet Licht – und genau in diese Richtung scheint sich in den Songs darauf alles zu drehen: Gott, Gnade, Erleuchtung, aber eben auch um das Ringen darum.

Nicht neu, aber anders

Religiöse Symbolik in Mode und Popkultur ist nichts Neues. Jean Paul Gaultier zeigte Heiligen-Referenzen schon in den 90ern und in seiner Haute-Couture-Kollektion für Frühjahr/Sommer 2007 mit dem Titel «Virgins».

Dolce & Gabbana spielen seit Jahren mit byzantinischen Mosaiken. Und Madonna, die Pop-Ikone schlechthin, hat das Kreuz jahrzehntelang als Modeobjekt neu codiert und es zum Symbol des Aufrufs nach sexueller Freiheit gemacht, während sie «Like a Virgin» sang.

Doch Rosalía setzt diese Tradition nochmal anders fort. Ihre Symbolik ist weniger Provokation durch Sakrileg, also Vergehen an einem Heiligtum, wie man es aus der Modegeschichte kennt, sondern eine Re-Inszenierung weiblicher Spiritualität, die weder ironisch noch distanziert wirkt.

«LUX» eröffnet ein Feld, in dem Glaube, Kunst und Feminismus nicht im Widerspruch stehen, sondern miteinander ins Gespräch kommen. Und vielleicht macht gerade das dieses Album zu einem der aufregendsten popkulturellen Momente des Jahres.

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