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Sabrina Carpenters «Man's Best Friend»: Warum ihr neues Albumcover gefährlich ist

Sabrina Carpenters «Man's Best Friend»: Warum ihr neues Albumcover gefährlich ist

Sabrina Carpenter enthüllte das provokante Cover ihres neuen Albums «Man's Best Friend» und löste damit eine Debatte über frauenfeindliche Rollenbilder und Übersexualisierung aus. Unsere Autorin Sarah Lau erklärt in ihrem Kommentar, warum der Popstar mit dem Cover zu weit geht.

  • Von: Sarah Lau
  • Instagram / Sabrina Carpenter

Wer sein Geld schreibend verdienen will, lernt rasch: Ironie ist der Garant, missverstanden zu werden. Nun ist Sabrina Carpenter zwar keine Journalistin, sondern Sängerin, mit ihrem auf Instagram lancierten neuen Album-Cover aber schreibt sie Skandalgeschichte.

Zu sehen ist Carpenter lasziv in die Kamera blickend, auf allen vieren kniend, auf Augenhöhe mit dem Geschlecht eines Gesichtslosen im schwarzen Anzug. Ob die Amerikanerin privat Lust auf devote Spielchen hat, ist mir dabei schnuppe. Dass aber ein Teenie-Idol sich in einer solch sexualisierten Szene von jemandem dominieren lässt, der ihr an den Haaren zieht und sie selbst unterwürfig wie ein Hund posiert – darüber rege ich mich auf.

Ironie oder reine Pose?

Was sie damit bezwecken wollte? Unklar. Eine ironische Brechung von Machtverhältnissen? Ein kalkulierter Tabubruch? Ausdruck von Selbstermächtigung? Ich sehe vor allem die unverantwortliche Selbstinszenierung eines aufmerksamkeitsheischenden Stars.

Denn auf Instagram, wo das Bild allein für sich steht, kippt die vermeintliche Ironie in reine Pose. Und wird damit Teil einer Bildsprache, die patriarchale Machtverhältnisse nicht bricht, sondern inszenatorisch zementiert.

In Zeiten steigender Misogynie, Femizide und häuslicher Gewalt sollten gerade Celebritys mit einer Zielgruppe zwischen 12 und 25 sich ihres Einflusses bewusst sein.

Natürlich darf Sabrina Carpenter mit Lust, Macht und Rollenbildern spielen und ich bin auch sicher keine bigotte Verfechterin der Entkopplung von Sex und Popkultur, die meint, Teenager vor Nacktheit schützen zu müssen.

Die Kontroverse, auch unter den rund 10 Millionen Follower:innen der 26-Jährigen auf Instagram offenbart aber, dass die hier durchaus vorhandene Kritik an der Pose von den Verfechter:innen rasch als Zensur der «Woke Police» abgetan wird, die heutzutage alles verbieten will, was sexy ist und genau das sei dieses Cover doch: sexy.

Provokation muss eingebettet sein

Ob gewollt oder nicht, wird Carpenter zum Postergirl einer toxischen Männlichkeitsfantasie. Und zu dem Sound meiner pochenden Halsschlagader höre ich bereits all die Andrew-Tate-Wannabes dieser Welt ein Freudentänzchen steppen, bestätigt die Sängerin doch vermeintlich, was sie selbst schon lange zu wissen glaubten: Euch Frauen gefällt es doch, euch zu unterwerfen, ihr sucht doch nach dem starken Geschlecht, das euch zeigt, wo es lang geht.

Pop darf provozieren, soll sogar. Aber Provokation muss eingebettet sein in Reflexion. Es gilt, das gesellschaftliche Klima zu berücksichtigen, in dem Gewalt gegen Frauen gerade im sexualisierten Kontext immer salonfähiger wird. Laut einer Studie der britischen BBC geben beispielsweise mehr als ein Drittel der Frauen unter 40 Jahren an, beim Sex gegen ihren Willen gewürgt, geschlagen oder bespuckt worden zu sein.

Die über vier Jahre laufende und 2024 beendete Studie unter rund 5000 Studierenden durch die US-Sexualwissenschaftlerin Debby Herbenick von der University of Illinois fand darüber hinaus heraus, dass der Anteil an Frauen, die zum ersten Mal im Alter zwischen 12 und 17 Jahren beim Sex gewürgt wurden, auf 40 Prozent angestiegen ist – verglichen mit einem Viertel vor vier Jahren.

Ohne Kontext und Hinweis auf Einvernehmlichkeit

Und das nicht aufgrund von einvernehmlichen BDSM-Praktiken – sondern aufgrund von fehlender Kommunikation, sozialem Druck oder schlichter Gewöhnung an Bilder, in denen Unterwerfung erotisiert wird. Die meisten dieser Bilder sind ohne Einordnung, ohne Kontext, ohne Hinweis auf Einvernehmlichkeit zu sehen – auf Pornoseiten, aber eben auch auf Social Media.

Für Jugendliche ist das längst Teil eines sexualisierten Alltags, in dem Rollenbilder nicht hinterfragt, sondern konsumiert werden. Und zwar oft: Laut der nationalen Plattform zur Förderung von Medienkompetenz «Jugend und Medien» nutzen 56 Prozent der 12- bis 19-Jährigen in der Schweiz mehrmals am Tag Instagram (die Zahlen basieren auf der James-Studie von 2024).

Ich will nicht darüber diskutieren, ob Lust, Unterwerfung oder Selbstinszenierung in der Popkultur erlaubt sind – natürlich sind sie das. Aber Pop ist auch Pädagogik. Und wenn Teenagerrollenbilder heute aus dem Instagram-Feed kommen, dann dürfen wir schon fragen: Welche Geschichte erzählen diese Bilder?

Vor allem, weil sie nachweislich und nachhaltig einen direkten Einfluss auf das Selbstbild von jungen Menschen haben. Die britische Fachzeitschrift BMC Women’s Health veröffentlichte 2022 eine Studie, die untersucht, wie jugendliche Mädchen soziale Medien wahrnehmen – und welchen Einfluss dies auf ihr Körperbild hat. Darin heisst es: «Sexuelle Objektivierung durch Bilder kann adoleszenten Mädchen vermitteln, dass ihr Wert auf ihrem Aussehen basiert.»

Achselzucken gegenüber realen Machtverhältnissen

Und eine Umfrage der Mental Health Foundation UK ergab, dass «40% der Jugendlichen (26% der Jungen und 54% der Mädchen) angaben, dass Bilder in den sozialen Medien sie dazu gebracht haben, sich Sorgen um ihr Körperbild zu machen.» Des Weiteren fühlten sich 25 Prozent durch Prominente beeinflusst. Prominente wie Sabrina Carpenter, die in Kürze bei den diesjährigen Kids Choice Awards zu sehen sein wird.

Der Titel ihres im August erscheinenden Albums – «Man’s Best Friend» – macht die Sache nicht besser. Auch nicht, wenn der erste Track angeblich unreife Männer kritisiert. Denn ein Hundehalsband mit Gravur als Instapost-Nachklapp zum Coverbild ist kein kritisches Statement, sondern ein visuelles Achselzucken gegenüber realen Machtverhältnissen.

Ich finde persönlich ja auch, dass Gleichstellung nur geschlechterübergreifend umzusetzen ist und erfreue mich an verschiedenen Freundschaften mit Männern, immer aber: auf Augenhöhe. Und sicher nicht, indem ich mich dabei selbst mit einer Hündin gleichsetze.

In unserer Gegenwart kann ein Cover wie das von Sabrina Carpenter jedenfalls nicht einfach als harmloser Sex-Appeal durchgehen. Es ist ein Signal. Und zwar das falsche.

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Giulia

Food for thought. Danke!