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Stille Stars – Unbeachtete Bestseller

Kultur

Stille Stars – Unbeachtete Bestseller

  • Text: Anne Ameri-Siemens

Manche Bücher verkaufen sich hunderttausendfach, ohne dass in den Medien je ein Artikel über sie erscheint. Wer schreibt diese heimlichen Bestseller?

Es gibt Bücher, die man nicht gelesen hat, und trotzdem kommt man nicht an ihnen vorbei. Charlotte Roches «Feuchtgebiete» gehört dazu oder Frank Schätzings Roman «Limit». Bei Erscheinen dieser Bücher sehen wir ihre Autoren überall in den Medien. Sie erzählen in Talkshows über sich und ihr Leben. Sie geben Radio- und Zeitungsinterviews. Und in den Feuilletons erscheint eine Flut von Rezensionen. Was diese Bücher verbindet: Sie sind allesamt Bestseller. Und zwar laute. Sprich: Sie erlangen hohe Medienaufmerksamkeit, der wiederum Leseraufmerksamkeit folgt. Andere Bücher aber machen ihren Weg zum Erfolg ganz oder nahezu ohne die Beachtung der Journalisten. Manche verkaufen sich sogar hunderttausendfach, obwohl sie beharrlich totgeschwiegen werden. Wer sind diese leisen Bestsellerautoren? Und in welchen Genres schreiben sie?

Es gibt im deutschsprachigen Raum zwei Bereiche, die dafür beispielhaft sind: Liebesromane und Fantasy. Bei Letzterem könnte man glauben, es handle sich bloss um eine Nische. Doch das hat sich in der letzten Zeit klammheimlich geändert. Der Piper-Verlag zum Beispiel startete sein Fantasy-Programm im Jahr 2002 mit nur fünf Titeln. Heute gehört Piper mit über 400 lieferbaren Büchern zu den Top-3-Fantasy-Verlagen in Deutschland. Wie wichtig das Genre für den Buchmarkt ist, zeigt auch der jährliche Umsatz von rund 150 Millionen Franken. «Für Buchhandel und Verlage ist das ein bedeutender Faktor», sagt Carsten Polzin, der bei Piper das Fantasy-Programm leitet. Nicht nur das, «der Fantasy-Markt wächst auch schneller als der Rest des Buchmarkts».

Zu den erfolgreichsten Fantasy-Autoren zählen etwa Michael Peinkofer («Das Gesetz der Orks») und Dan Wells («Ich bin kein Serienkiller»), vor allem aber Markus Heitz, dessen Bücher sich – um einen prominenten Vergleich zu ziehen – «weitaus besser verkaufen als die von Michael Crichton», wie Carsten Polzin erklärt. Markus Heitz habe mit seiner Serie «Die Zwerge» die erfolgreichste Fantasy-Reihe der letzten Jahre geschrieben. Gesamtauflage des Autors: über 1.5 Millionen Exemplare. Die Fortsetzung der «Zwerge»-Serie, «Die Legenden der Albae», erschien im Mai 2009, stieg gleich auf Platz vier der «Spiegel»-Bestsellerliste ein und hat sich bereits über 100 000 Mal verkauft. Von solchen Erfolgen können die meisten der von den Feuilletons gehätschelten Grossschriftsteller nur träumen.

Die Autorin Kerstin Gier schreibt in beiden Genres – Fantasy ebenso wie Liebesroman – , und man kann sie mit Fug und Recht als die Königin der stillen Bestseller bezeichnen, zumindest, was den deutschsprachigen Raum anbelangt. Ihr Jugendbuch «Rubinrot» erschien im Januar 2009 und war sieben Monate lang auf der Jugendbuch-Bestsellerliste. Es erzählt die Geschichte der 16-jährigen Gwendolyn, die sich eines Tages, ohne so recht zu wissen, wie das passieren konnte, im London der Jahrhundertwende wiederfindet. Gwendolyn beginnt zu verstehen, was oder genauer wer das Geheimnis ihrer Familie ist. Und sie verliebt sich – wie könnte es anders sein? – während ihrer Zeitreise. Es geht also um die grossen Fragen des Lebens, ähnlich wie auch in ihren Liebesromanen, mit denen Kerstin Gier als Autorin gross geworden ist. 1996 hatte sie ihren ersten grossen Erfolg mit dem Buch «Männer und andere Katastrophen». Das Buch wurde verfilmt. Heike Makatsch spielte die Hauptrolle. Ihr auflagenstärkster Roman heisst «Für jede Lösung ein Problem» und hat sich eine halbe Million Mal verkauft. Das Buch erzählt Gerris Geschichte, die an alle, die sie kennt, Abschiedsbriefe schreibt und dabei nichts auslässt, was schon längst mal gesagt werden sollte – wie man das eben so macht, wenn man davon ausgeht, die anderen ohnehin nie wieder zu sehen. Nur klappt es mit den Schlaftabletten und dem Wodka nicht. Von da an kann sich Gerri über mangelnde Spannung in ihrem Leben nicht mehr beklagen. Gar nicht so einfach, mit seinen Mitmenschen klarzukommen, wenn die erst mal wissen, was man wirklich von ihnen hält.

Auf die Frage, warum Liebesromane von den Feuilletons totgeschwiegen werden, sagt Kerstin Gier: «Viele Journalisten verbinden damit seichte Schnulzen und Arztromane.» Es stört sie nicht. Sie würde, sagt sie, über nichts anderes schreiben wollen. «Meine Bücher sollen vor allem gute Laune verbreiten und Mut machen, und wenn man den zahllosen Leserzuschriften glauben kann, die mich täglich erreichen, dann tun sie das auch.»

Verkaufen sich Liebesromane in Zeiten, die Menschen als unsicher empfinden, eigentlich besser? «Ich bin keine Wirtschaftsexpertin», sagt Kerstin Gier, «aber tatsächlich glaube ich, dass Bücher in schlechten Zeiten für relativ wenig Geld sehr viel zu bieten haben: Man kann die Sorgen für ein paar Stunden vergessen.» Ihr Output ist atemberaubend. In der letzten Zeit ist von Kerstin Gier in jedem Jahr ein Roman erschienen. Mindestens einer. Nach «In Wahrheit wird mehr gelogen» vom vergangenen September kam im Januar «Saphirblau» heraus, die Fortsetzung von «Rubinrot». Für den kommenden Herbst ist dann «Smaragdgrün» geplant. Ein kleines Wirtschaftswunder, mitten in der Krise. Und ganz ohne die freundliche Unterstützung von Presse, Radio und Fernsehen.

Michael Peinkofer: Das Gesetz der Orks. Piper-Verlag, 2008, ca. 28 Fr.

Dan Wells: Ich bin kein Serienkiller. Piper-Verlag, 2009, ca. 24 Fr.

Markus Heitz: Die Zwerge. Band 1–4. Piper-Verlag, 2003–2008, je ca. 28 Fr.; Die Legenden der Albae. Gerechter Zorn. Piper-Verlag, 2009, ca. 29 Fr.

Kerstin Gier: Männer und andere Katastrophen. Lübbe-Verlag, 1996, ca. 16 Fr.; Rubinrot. Arena-Verlag, 2009, ca. 28 Fr.; Für jede Lösung ein Problem. Lübbe-Verlag, 2007, ca. 16 Fr.; In Wahrheit wird viel mehr gelogen. Lübbe-Verlag, 2009, ca. 25 Fr.; Saphirblau, Arena-Verlag, 2010, ca. 29 Fr.