Literatur & Musik
Von St. Gallen bis Genf: 20 Konzerttipps für den Herbst
- Text: Melanie Biedermann
- Bild: Vidar Logi
Wenn die Tage kürzer werden und die Kälte aufs Gemüt drückt, geben Konzerte Wärme – an Auswahl mangelt es diesen Herbst in der Schweiz nicht. Hier kommen unsere Tipps.
Islandman, 26. Oktober, Gannet (Basel)
Eine Pause von der Welt klingt gerade sehr verlockend? Inmitten der anatolischen Melodien, psychedelischen Gitarrenriffs und schamanischen Beats, mit denen das türkische Trio Islandman Körper und Geist lockert, ist es ein Leichtes, sich im besten Sinne zu verlieren. Wer es nicht ans Konzert in Basel schafft, hat am Tag darauf eine zweite Gelegenheit – in Zürich.
Croc’ the Rock Festival, 26. bis 28. Oktober (Etagnièrs)
Auch am Croc’ the Rock Festival in Etagnièrs bei Lausanne lässt sich am Wochenende so einiges an Gefühlen abtanzen: Internationale Post-Punk-Lieblinge wie The Underground Youth, Shame oder Unschooling, aber auch eine Reihe Schweizer Acts wie EMZYG, Anna Erhard und Annie Taylor helfen da mit raunenden Gitarren nach.
Echolot Festival, 26. bis 28. Oktober (verschiedene Locations in Luzern)
Am noch jungen, kleinen, aber sehr feinen Luzerner Echolot Festival spielen in diesem Jahr etwa Neoklassiker Martin Kohlstedt, «Anarchist Gospel»-Interpretin Sunny War, die britischen Indie-Rocker Divorce oder Schlagzeug-Virtuose Nicolas Stocker. Eintauchen und entdecken.
Sun Ra Arkestra, 28. Oktober, Zentralwäscherei (Zürich)
Wer auf wahrhaft kosmischen Pfaden wandeln möchte, kriegt an diesem Konzertabend eine ganz seltene Gelegenheit: Das von Cosmic-Jazz-Legende Sun Ra gegründete Sun Ra Arkestra wird bis heute von Sun Ras Wegbegleiter, dem inzwischen 99-jährigen Saxophonisten Marshall Allen geleitet. Ob er auch in Zürich auftreten wird? So oder so: Der Eintritt in neue energetische Welten ist garantiert.
JazzNoJazz, 1.–4. November, Gessnerallee (Zürich)
Wen es mehr zum zeitgenössischen Jazz zieht, wird bestimmt am Zürcher JazzNoJazz-Festival fündig, etwa bei Laura Misch, Nubya Garcia und Samara Joy.
Alice Phoebe Lou, 1. November, Salzhaus (Winterthur)
Auch die südafrikanische Troubadour Alice Phoebe Lou zieht gern auf psychedelischen Pfaden. Was einen Abend mit ihren sweeten Singer-Songwriter-Vibes gerade noch reizender macht als sonst das augenblickliche Gefühl von Strand und Sommerwiese: alles, was von innen wärmt.
Wednesday, 2. November, Bogen F (Zürich)
Das Quintett aus North Carolina geht in seinem modernen Grunge zwischen Nirvana und Big Thief und oft schaurig rauen Songs den sehr schmalen Grat zwischen Komik und Tragik. An diesem Live-Abend dürfte es tschäddern. Mitschreien willkommen.
Weyes Blood, 4. November, Les Docks (Lausanne)
In ihrer Musik blickt die US-Musikerin Natalie Mering aka Weyes Blood oft tief in Abgründe, gern auch Weltuntergangsszenarien, kratzt dabei aber trotzdem immer die Kurve zu glühendem Optimismus. Wer seinen eigenen Optimismus zwischen orchestralen Folk-, Americana- und Alternative-Rock-Klängen finden will: Das Konzert in Lausanne ist die einzige Möglichkeit dazu in der Schweiz.
Nabihah Iqbal, 6. November, Bad Bonn (Düdingen)
«Dreamer»: Die Londoner Musikerin und Produzentin Nabihah Iqbal deutet mit dem Titel ihres aktuellen Albums vielleicht auch auf die Wirkung ihres Sounds: Alternative Rock, Dream Pop und immer wieder sphärisch-tiefes Clubwummern. Auch sie besucht die Schweiz in diesem Herbst nur für dieses eine Konzert.
Solar – Brazil Music Festival, 9. und 10. November, Moods (Zürich)
Ähnlich wie der Jazz erlebt derzeit auch Musik aus Brasilien viel frischen Anstrich. Bala Desejo, ein junges und an einschlägigen internationalen Festivals gefeiertes Quartett aus Rio de Janeiro, dürfte mit seinem sehr hippen, aber unangestrengt klingenden Sound zwischen Bossa Nova, Pop und Tropicália am ersten Festivalabend auch Quereinsteiger:innen ein Tänzchen entlocken.
Derya Yıldırım & Grup Simsek, 11. November, Le Rez Usine (Genf)
Eine Kombo mit Wurzeln in Deutschland, der Türkei, England und Frankreich spielt einen Sound, der auf anatolischen Folk- und Rockklassikern basiert und von Liebe und Protest erzählt, dank Funk- und Wah-Wah-Gitarren und Orgel- bis Flötenklängen aber besonders in der Live-Variante Schunkeln, Säuseln und Lebensfreude garantiert.
Sirens of Lesbos, 11. November, Werkstatt (Chur)
Die Schweizer Band mit den smoothsten World Beats ist mit einem neuen Album auf Tour: «Peace» kommt etwa in diesem charmanten Bündner-Venue auf die Bühne. Weiteres Datum: am 14. Dezember in der Schüür in Luzern.
Westerman, 14. November, Bad Bonn (Düdingen)
Westerman singt auf seinem aktuellen Album – Titel: «An Inbuilt Fault» – von einem Programmierfehler, der uns Menschen heimsucht. Als «warme Umarmung» beschreibt das Lokal, das seinen einzigen hiesigen Auftritt beherbergt, die Musik des melancholischen Londoner Singersongwriters. Es stimmt.
Eddie Chacon & The Zenmenn, 15. November, Rocking Chair (Vevey)
Vor gut 30 Jahren gelang Eddie Chacon mit Charles Pettigrew und dem gemeinsamen Song «Would I Lie to You» ein Welthit. Heute ist der Kalifornier 60 und tourt mit einem Solo-Album und neuen Funk- und Soul-Nummern wieder um die Welt. An diesem Abend hält er in der Schweiz. Weiteres Datum: 14. November im Exil (Zürich).
Les Créatives, 15. bis 26. November (verschiedene Locations Genf)
Das Genfer Festival sieht sich als feministisches Forum, dessen Künstler:innen mit multidisziplinären Beiträgen und Kollaborationen den Diskurs vorantreiben und den Weg zu mehr Gleichberechtigung ebnen. In diesem Jahr sind etwa die Malische Musikerin Fatoumata Diawara, die niederländisch-iranische Künstlerin Sevdaliza und auch eine ganze Menge hiesiger Vorreiter:innen mit Beiträgen dabei: Darunter Belia Winnewisser, Julie Campiche mit ihrem Quartett, oder Camilla Sparksss.
Mega Bog, 16. November, Palace (St. Gallen)
Erin Birgy aka Mega Bog singt vom «End of Everything», findet in ihren alternativen und manchmal skurrilen Popwelten aber immer ein Schlupfloch. Diesen Eskapismus voller Wunder gibt es hier.
Yves Tumor, 19. November, Kaufleuten (Zürich)
Schwere Gitarren, fiebrige Drums und Stimmen, die zwischen Sprechgesang und irisierenden Höhen pendeln – manche sehen im US-Musiker Yves Tumor eine Rock-Inkarnation von Prince, andere preisen die Nähe zu Grace Jones, wieder andere nennen ihn einen modernen David Bowie. Live? Eine Wucht.
Björk, 28. November, Hallenstadion (Zürich)
Björk live? In einer 360-Grad-Sound-Landschaft? Wer es sich gönnen kann und möchte, hat hier Gelegenheit, eine Ikone der Counterculture zu erleben.
Ami Yerewolo, 29. November, Dachstock (Bern)
Ami Yerewolo ist die erste weibliche Mandinka-Rapperin in Mali und Botschafterin für die Frauen in ihrer krisengeplünderten Heimat – gegen Unterdrückung, für die Freiheit aller. Ihr Besuch in Bern dürfte bei allen Anwesenden neue Energien wecken. Weitere Daten: 30.11. in der Kaserne (Basel) und 1.12. im Kulturpunkt (Flawil)
Louis Jucker mit Orchester, 3. Dezember, Théâtre du Jura (Delémont)
Louis Jucker ist Musiker, Label-Mitbegründer, Produzent, Veranstalter, Kurator – und obendrauf liebt es der Westschweizer, Instrumente zu entwickeln, die in Secondhand-Koffern Platz finden. Sein Album «Suitcase Suite» entstand im Auftrag des Nouvel Ensemble Contemporain, die Bühnenversion zu diesem herrlich cineastisch ausklingenden Pop-Experiment gibts jetzt hier.