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Warum es mit

Warum es mit "Sex and the City" noch ewig weitergehen sollte

Mit dem Finale von "And Just Like That…" endet eine TV-Ära. Unsere Editor-at-Large sagt Goodbye zu Carrie Bradshaw – mit gebrochenem Herzen.

Es ist an der Zeit, Goodbye zu sagen – diesmal wirklich. Am 15. August wird die letzte Folge von «And Just Like That…», dem «Sex and the City»-Spinoff, ausgestrahlt. Drei Staffeln haben Carrie, Miranda, Charlotte und ihre neuen Kameradinnen (fast schon ebenso ikonisch: Lisa Todd Wexley und Seema Patel!) durchgehalten. Und nun wurde abrupt das Ende bekannt gegeben.

Wir müssen endgültig Abschied nehmen – diesmal ohne Hintertür. Michael Patrick King, Showrunner und kreativer Kopf der Serie, schrieb in seiner Ankündigung: «Während ich die letzte Folge der dritten Staffel schrieb, wurde mir klar, dass dies ein wunderbarer Moment sein könnte, um aufzuhören.»

"Carrie und Co. haben uns nicht weniger als dabei geholfen, Frau zu werden"

Ein wunderbarer Moment, um aufzuhören? Finde ich nicht, Mr. King! Carrie und ihre Freundinnen begleiten uns seit dem 6. Juni 1998! Nichts schrie damals mehr «Zeitgeist» als «Sex and the City». 1998 war ich zwölf, entdeckte Carrie und Co. etwas später – aber ich kann sagen: Sie haben mir und meinen Freundinnen nicht weniger als dabei geholfen, Frau zu werden. Viele meiner schreibenden Kolleginnen wollten wohl auch wegen Carrie Autorinnen werden. (Nur dass wir niemals vier Dollar pro Wort verdient haben, ha! Das wären bis zu diesem Absatz schon 792 Dollar!)

Ja, die Kritik an «And Just Like That…» war harsch und nachvollziehbar: zu bemüht woke, unnatürliche Dialoge, brüchige Figurenentwicklung und zu viele Nebenfiguren, die den alten SATC-Zauber verwässerten. Und wo war überhaupt Carries berühmtes Voice-over, das so manche absurde Szene einordnete und die Geschichte zusammenhielt?

Die Serie wurde auch zum Paradebeispiel für Hate-Watching: dieses genüssliche Weiterschauen, nur um sich über Plotlöcher, Absurditäten und fragwürdige Entscheidungen zu empören.

Ganz ehrlich: Mir ist das alles egal. Man möge mir meine absolut unjournalistische Subjektivität in diesem Fall vergeben, aber ich schaue Carrie und Co. offenbar mit dem Herzen, nicht mit dem Hirn. Die Geschichte ist schon lange nicht mehr zeitgeistig, schon lange nicht mehr revolutionär.

«And Just Like That…» ist eher wie ein warmes Untertauchen in der Badewanne der Nostalgie – um in Carries pathetischem Schreibstil zu bleiben, mit dem sie plötzlich einen Historienroman verfasst. Ich brauche Carrie nicht als Podcasterin, sie muss nicht über Instagram sinnieren und schon gar nicht flache Schuhe tragen. Das wäre Verrat an der Figur.

"Die Revolution sollte man wirklich woanders suchen als bei den Ladys der Upper East Side"

An SATC habe ich immer das Campe, das Lustige, Übertriebene, nicht ganz Stringente gemocht. Es war eine Serie, die sich selbst nicht zu ernst nahm. Hat man Lisa Todd Wexleys Vater zweimal sterben lassen? Ups. Trägt Carrie nach einer Hüft-OP trotzdem zu Hause (allein!) Stilettos? Natürlich! Kann man doof finden – aber die Revolution sollte man wirklich woanders suchen als bei den gut betuchten Ladys der Upper East Side, deren Probleme schon mal daraus bestehen, dass ihre Hunde auf Social Media gedisst werden.

"Carrie zuzuschauen, ist immer auch eine Begegnung mit einer früheren Version seiner selbst"

Charlotte wirkt inzwischen meist albern, Miranda zunehmend unbeholfen – und Carrie ist endlich wieder mit ihrem Liebesleben beschäftigt. Genau das hat die dritte Staffel richtig gemacht: Der Fokus lag weniger auf gesellschaftlichen oder politischen Themen, sondern wieder auf Carrie und ihren Beziehungen – wie in den frühen Tagen von «Sex and the City».

Doch während die Serie gerade zu ihrem alten Rhythmus zurückgefunden hat, zeigt sich auch, dass manche Geschichten kein Happy End kennen: Aidan kommt auch jetzt nicht über Carries frühere Untreue hinweg. Genau darin liegt für mich der Reiz, Jahrzehnte später zu einer Geschichte zurückzukehren und zu zeigen, wie Menschen sich verändern und wie sie es eben nicht tun. Derart berührt von einem simplen Plot kann man als Zuschauerin wohl nur sein, wenn man sehr viel Zeit mit den Figuren verbracht hat. Carrie und Co. zuzuschauen, ist immer auch eine Begegnung mit einer früheren Version seiner selbst.

Aber leider sind die Zahlen nicht auf Carrie Bradshaws Seite. Von der einstigen Quoten-Ikone ist wenig übrig: Staffel 1 von «And Just Like That… » startete 2021 noch mit rund 1,1 Millionen US-Haushalten pro Episode, Staffel 2 fiel auf 463’000 – und Staffel 3 rutschte weiter auf 429’000. Das sind über 60 Prozent weniger als zum Auftakt. Zum Vergleich: «Sex and the City» erreichte in seinen besten Zeiten bis zu zehn Millionen Zuschauer:innen pro Folge – und dies sind nur die Zahlen aus den USA.

"Aufhören, wenn es am schönsten ist? Diesen Moment hat die Serie schon vor Jahrzehnten verpasst"

Aufhören, wenn es am schönsten ist? Diesen Moment hat die Serie schon vor Jahrzehnten verpasst. Also könnte es doch auch ewig weitergehen – wie bei der «Lindenstraße», nicht? Ich jedenfalls hätte Carrie gern auch noch als Achtzigjährige gesehen.

Beim Schauen bin ich zwar öfter eingeschlafen als Miranda in einer Lesung über Steuerrecht. Aber nie schlafe ich so selig wie zu Carries Stimme. «Sex and the City» ist wie Hühnersuppe – nicht aufregend, aber altbekannt und wohltuend. Die Serie hat schon lange nicht mehr die Welt verändert. Aber vielleicht so manchen Tag gerettet. Danke, Carrie!

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