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Autorin Verena Bogner: «In den Nullerjahren galt jede Chefin als feministische Inspiration»

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Autorin Verena Bogner: «In den Nullerjahren galt jede Chefin als feministische Inspiration»

Verena Bogner schreibt in ihrem Buch «Not your Business, Babe!» über eine von Männern geprägte Arbeitswelt und darüber, wie sich Frauen zwischen Hochstaplerinnensyndrom und Boys Clubs zurechtfinden können. Ein Gespräch über Bienenköniginnen, Solidarität und «Der Teufel trägt Prada».

Frau Bogner, stellen wir uns für einen Moment vor, Sie hätten absolute Macht: Was würden Sie als erstes an der Arbeitswelt verändern?
Verena Bogner: Ich würde bei unserem Verständnis von «Erfolg» ansetzen. Erfolg ist heute nach ganz bestimmten Parametern definiert. Es bedeutet Geld, Status, einen möglichst linearen Lebenslauf. Wohlbefinden im weitesten Sinne hat da kaum Platz. Es spielt für den Erfolg keine Rolle, ob es mir gut geht. Was Erfolg bisher nicht bedeutet: Dass ich einen langweiligen Job mache und die meiste Zeit für meine Familie, meine Freund:innen und mich selbst übrighabe. Warum kann das nicht auch «Erfolg» sein?

Wie wirkt sich dieses Mindset auf den Arbeitsalltag aus?
Im Moment ist unsere Arbeitskultur sehr individualistisch. Es geht vor allem darum, selbst voranzukommen. In weiten Bereichen der Arbeits- und Medienwelt geht es in meiner Erfahrung selten um Teamwork und Solidarität. Gerade unter Frauen. Das beste Beispiel dafür ist der sogenannte Queen Bee-Effekt: Viele Frauen, die es nach oben in eine Führungsposition geschafft haben, denken, bewusst oder unbewusst: «Ich habe mich nach oben gekämpft, jetzt musst du dich auch nach oben kämpfen.» Dabei könnten wir anderen auch Türen öffnen – mit oder ohne Führungsposition. Diese Art von Solidarität ist etwas, das man üben und lernen kann.

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«Millennials haben weniger Vertrauen in Firmen und Institutionen als die Babyboomer-Generation»

Ihr Buch schreiben Sie aus einem Zwiespalt heraus: Einerseits wollen Sie junge Frauen ermutigen, andererseits schreiben Sie auch, dass wir als einzelne Personen strukturelle Probleme der Arbeitswelt – den Gender Pay Gap, eine machoide Arbeitskultur – nur begrenzt verändern können.
Ja, es ist mir wichtig, dass wir erkennen, dass es zum Beispiel nicht unser Fehler ist, wenn wir schlechter bezahlt werden als unsere männlichen Kollegen. Dass sich von selbst aber auch nichts ändern wird, haben viele von uns erkannt: Studien zeigen, dass bei uns Millennials das Vertrauen in Firmen und Institutionen viel kleiner ist als bei der Babyboomer-Generation. Wir vertrauen nicht mehr darauf, dass es das System für uns regeln wird. Darum verfallen wir in Zynismus und eine gewisse Lethargie. Wir scrollen uns auf Social Media durch Memes darüber, wie doof unsere Chefs sind, und belassen es dabei.

Aber das kann auch nicht die Lösung sein, oder?
Nein. Ich möchte, dass wir beim Zynismus nicht stehen bleiben, sondern unsere Situation mit einem gewissen Realismus anschauen und uns fragen: Was kann ich in meinem Team tun? Wie kann ich andere Frauen oder Leute stärken, die in einer schwierigen Position sind? Wie kann ich zu einem Arbeitsklima beitragen, in dem wir Zusammenarbeit und Kollegialität genauso hoch werten wie die eigene Leistung? Aber es ist herausfordernd,  diese Balance zwischen dem, was wir tun und verändern können, und dem, was ausserhalb unserer Reichweite liegt, richtig einzuschätzen.

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«Die Kunst liegt darin, zu erkennen: Was ist ein Narrativ, das mir vorgelebt wird, und was will ich?»

 Sie schreiben nicht nur über Frauen in der realen Arbeitswelt, sondern auch in Filmen und Serien. Zum Beispiel über Miranda Priestly, die legendäre fiese Chefin aus «Der Teufel trägt Prada» – die viele von uns ein bisschen gehasst und gleichzeitig innig geliebt haben. Was machte damals, vor 20 Jahren, ihren Reiz aus?
Weil es Frauen in Führungspositionen noch nicht so lange gab, galt in den Nullerjahren und auch etwas darüber hinaus lang jede, die es dahin schaffte, automatisch als feministische Inspiration. Diese Rechnung geht aber nicht auf: Miranda zum Beispiel hält andere Frauen klein, beutet sie aus, macht sie fertig – das ist alles andere als feministisch. Solche oder ähnliche Figuren sind nach wie vor beliebt. Vor zwei Jahren habe ich «Inventing Anna», die Netflix-Serie über die Hochstaplerin Anna Sorokin, geschaut und auch kurz gedacht: «Geil, wie sie einfach die ganzen reichen Männer über den Tisch zieht.» Aber eigentlich können wir von einer solche Figur gar nichts lernen. Alles, was sie tut, tut sie für sich selbst.

Gerade weil Sie viel mit Popkultur arbeiten, musste ich beim Lesen des Buchs immer wieder an den Barbie-Film des vergangenen Jahres denken. Darin wird die Geschichte von Barbies als eine feministische erzählt, gerade weil Barbies schon immer gearbeitet haben – sie sind Ärztinnen, Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen. Schon 1961 gab es eine Barbie mit Doktortitel, 1965 flog Barbie zum Mond. Glauben Sie trotz Ihrer Kritik an unserer Arbeitskultur immer noch daran, dass Arbeit etwas Empowerndes und Emanzipatorisches sein kann?
Natürlich. Ich finde es aus heutiger Sicht groundbreaking, dass schon in den Sechzigerjahren alle Barbies Berufe hatten. Viele der feministischen Vorkämpferinnen würden sich wohl im Grab umdrehen, wenn wir die Tatsache, dass wir heute unser eigenes Geld verdienen können, als unwichtig erachten würden.

Trotzdem erzählen Sie in Ihrem Buch auch davon, dass es für Sie selbst zumindest besser war, sich nicht allzu sehr mit dem eigenen Job zu identifizieren, der Arbeit keinen zu hohen Stellenwert beizumessen.
Ja, aber das ist mein persönlicher Weg. Ich glaube, die Kunst liegt darin, zu erkennen: Was ist ein Narrativ, das mir vorgelebt wird, und was will ich? Es spricht nichts dagegen, ehrgeizig zu sein. Go for it! Aber wenn ich jeden Tag Überstunden mache und um drei Uhr morgens wach liege und mich nach einem anspruchsloseren Job sehne, in dem keine Extrameilen von mir erwartet werden – dann plädiere ich für einen Wechsel. Dafür, aufzuhören, diesem vermeintlichen Ideal hinterherzujagen. Ich bin nicht dafür, dass wir uns alle per se weniger mit unserem Job identifizieren. Sondern dafür, dass wir uns fragen: Wie arbeite ich, für wen arbeite ich, und wie viel von mir selbst möchte ich in meinen Job hineingeben?

Verena Bogner hat als Journalistin u.a. für Vice gearbeitet. Sie ist Co-Kuratorin des Instagram-Accounts «Galerie Arschgeweih». Ihr erstes Buch «Not your Business, Babe» (Verlag Kiepenheuer & Witsch, ca. 20 Fr.) erscheint am 11. Januar 2024.

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