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Besuch in der Geburtsklinik in Tansania: «Die Sicherheit von Gebärenden war lange ein blinder Fleck»

Politik

Besuch in der Geburtsklinik in Tansania: «Die Sicherheit von Gebärenden war lange ein blinder Fleck»

Vor zwölf Jahren sammelte annabelle Geld für eine Geburtsklinik in Tansania. Gut 200 000 Franken kamen zusammen. Nun ist das Spital eröffnet worden: Es gilt als Meilenstein in der Gesundheitsversorgung einer ganzen Stadt. Ein Augenschein in Dar es Salaam.

Scolastica schiebt sich hoch, lockert den Kanga, den sie sich um ihren Körper gewickelt hat, und führt das Baby an ihre Brust. Die Pflegefachfrau assistiert, nimmt den winzigen Kopf in ihre Hände, bewegt ihn sanft in die richtige Position. Sorah, Scolasticas Mutter, sitzt auf einem Stuhl in der Ecke des Raumes und beobachtet die Szene aufmerksam. Auf ihren Knien hält sie einen Teller mit Bananensuppe, den sie eben von einem Pfleger entgegengenommen hat. Das Frühstück für ihre Tochter. Die Suppe, so meint sie, rege den Milcheinschuss an.

Scolastica liegt in einem Einzelzimmer auf der Abteilung für Privatpatientinnen der neuen Geburtsklinik des CCBRT Hospitals in Dar es Salaam. Sie hat eingewilligt, dass wir sie in diesem fragilen Moment, so kurz nach der Geburt besuchen; als wir eintreten, begrüsst sie uns mit einem stoischen Lächeln.

Ein Ort, wie es ihn in Tansania zuvor so nicht gab

Sie ist 32 Jahre alt, arbeitet am Flughafen der Stadt. Sie habe sich vor der Geburt gefürchtet, erzählt sie, weil das Baby während der letzten Wochen auf ihren Ischias-Nerv gedrückt habe. Die Geburt verlief dann aber problemlos, elf Stunden hat sie gedauert. Ihre Mutter war an ihrer Seite, anfangs auch ihr Mann, doch er habe es nicht ausgehalten und den Gebärsaal nach ein paar Stunden verlassen. «Es ist mein erstes Kind», sagt sie stolz. «Ein Mädchen.» Sie will es Zoe nennen: «Leben».

Die Geburtsklinik ist nur wenige Wochen älter als Scolasticas Baby. Sie wurde gut einen Monat vor unserem Besuch offiziell eröffnet. An der feierlichen Einweihung war Samia Suluhu Hassan persönlich dabei gewesen, die Präsidentin des Landes, das Spital, so heisst es, sei ihr eine Herzensangelegenheit. Es ist ein spezialisiertes Zentrum für Hochrisikoschwangere und Notfallgeburten. Ein Zentrum auch, wo behinderte Frauen sowie Teenager-Mütter ihr Baby sicher zur Welt bringen und Frauen, die zum Beispiel an Geburtsfisteln leiden, operiert werden können. Ein Ort, wie es ihn in Tansania zuvor so nicht gegeben hat.

Rund dreissig Geburten täglich

Auch das Spitalgebäude selbst ist beeindruckend: Der Empfang mit seinem segelartigen Vordach ähnelt einem stilisierten Schiff, dahinter befinden sich sechs dreistöckige Blöcke, die über Rampen miteinander verbunden und so konzipiert sind, dass der Wind alle Bereiche durchdringen kann. Gebaut wurde es von einem Team aus lokalen und internationalen Architekt:innen. Kosten: rund 44 Millionen Dollar.

Das Spital bietet sechs Operationssäle, acht Gebärzimmer und insgesamt 200 Betten. Rund dreissig Geburten können täglich durchgeführt werden, gut 11 000 pro Jahr – das sind mehr als dreimal so viele, wie am Universitätsspital Genf stattfinden. Es ist das Spital, für das einst auch annabelle und ihre Leser:innen gespendet haben – das Baobab-Geburtsspital.

Aus öffentlichen und privaten Geldern finanziert

Die neue Klinik gehört zum Spitalkomplex der CCBRT, der «Comprehensive Community Based Rehabilitation Tanzania», eine tansanische Nichtregierungsorganisation (NGO), die in Dar es Salaam seit 1994 ein Spital für Menschen mit Behinderungen betreibt. Es liegt im Nordwesten der Millionenmetropole, im Viertel Oyster Bay, in seiner Nachbarschaft befinden sich die Büros der Unicef und der Aga-Khan-Stiftung. Auf der staubigen Strasse, die sich wie ein Gürtel um den Komplex zieht, knattern Autos, Tuk-Tuks und Töffs in halsbrecherischem Tempo aneinander vorbei.

Finanziert wird das Spital aus öffentlichen und privaten Geldern. Und von Privatpatientinnen wie Scolastica, die für Behandlung und Aufenthalt bezahlen müssen. Rund 200 000 Schilling, knapp achtzig Franken und etwa ein Sechstel eines durchschnittlichen Monatslohns, kostet das Einzelzimmer pro Nacht. Gut zwei Millionen ein Kaiserschnitt. Auf diese Weise wird auch der Klinikaufenthalt für mittellose Patientinnen quersubventioniert.

Das Spital gehört zu den grössten medizinischen Versorgern des Landes

Anfangs war die NGO auf Augenleiden spezialisiert, später kamen dann die Behandlung von Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, Klumpfüssen oder zerebralen Lähmungen dazu – und ganz besonders die chirurgische Behandlung von Geburtsfisteln; eine besonders tragische Komplikation. Sie entsteht, wenn man Frauen zu lang in den Wehen liegen oder auf einen Kaiserschnitt warten lässt, und das Baby dabei auf den Geburtskanal der Mutter drückt, bis sich ein Loch zwischen Scheide und Blase oder dem Darm bildet.

Die Folgen sind fatal: Achtzig Prozent der betroffenen Frauen verlieren ihr Baby während der Geburt, danach bleiben sie oft ein Leben lang inkontinent. Viele werden aufgrund des Geruchs von Urin oder Kot, der ihnen anhaftet, stigmatisiert und isoliert. Gut 600 Fistel-Patientinnen werden jährlich am CCBRT operiert. Mittlerweile gehört das Spital zu den grössten medizinischen Versorgern des Landes.

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«Während Millionen in die Bekämpfung von HIV, Tuberkulose und Malaria investiert worden waren, waren Sicherheit und Wohlergehen von Gebärenden lange Zeit ein blinder Fleck»

Mütter- und Säuglingssterblichkeit in Tansania reduzieren

2010 lancierte die NGO das Projekt für die neue Geburtsklinik; sie wollte mehr Kapazitäten für Fistel-Patientinnen schaffen und zugleich eine Strategie entwickeln, mit der öffentliche Spitäler entlastet und deren medizinische Versorgung verbessert werden könnten. Dabei stand ein Ziel über allem: die Mütter- und Säuglingssterblichkeit in Tansania zu reduzieren.

Jährlich sterben in in dem ostafrikanischen Land 11 000 Frauen bei der Geburt und rund 54 000 Babies in den ersten vier Wochen; die Zahlen divergieren je nach Quelle. Diese Sterblichkeitsraten gehören zu den höchsten der Welt. Besonders prekär ist die Lage in Dar es Salaam: Die Metropole ist eine der am schnellsten wachsenden Städte südlich der Sahara.

Innerhalb eines Jahrzehnts ist die Bevölkerung von vier auf über sieben Millionen angestiegen, die rasche Urbanisierung hat zu einer heillosen Überforderung des ohnehin schwachen Gesundheitssystems geführt. Mittlerweile sind die Geburtsrisiken in den urbanen Zentren höher als in ländlichen Gebieten. Vielen Spitälern fehlt es an Ersatzteilen für medizintechnische Geräte, an ausgebildetem Personal, Strom oder sauberem Wasser. Health Center haben oft nicht einmal ein Blutdruckmessgerät. Ambulanzen bleiben im Verkehr stecken oder sind gar nicht erst einsatzfähig.

Fast jedes vierzigste Kind kam tot zur Welt

Obwohl neunzig Prozent der Frauen in Dar es Salaam in Spitälern gebären, gab es laut einer Studie des «British Medical Journal» im Jahr 2010 bis zu 218 Todesfälle pro 100 000 Lebendgeburten. Zwischen 27 und 44 von 1000 Frauen starben vor oder nach der Geburt, fast jedes vierzigste Kind kam tot zur Welt. Eine unerträgliche Bilanz. Aber auch ein Weckruf: Während Millionen in die Bekämpfung von HIV, Tuberkulose und Malaria investiert worden waren – wodurch auch grosse Fortschritte erzielt wurden –, waren Sicherheit und Wohlergehen von Gebärenden lange Zeit ein blinder Fleck.

Nun kam die Müttergesundheit auf die politische Agenda. «Baobab Maternity Hospital», so wurde das Klinikprojekt der CCBRT liebevoll genannt – analog zum mächtigen Baum, der auf dem Spital-Gelände stand. Der Baobab gilt in Tansania als Lebensbaum; er wurde zum Sinnbild für die Vision des neuen Geburtsspitals.

Gut 200 000 Fr. über annabelle-Spendenaktion

Unterstützt haben die Finanzierung des Baobab neben tansanischen Firmen vor allem Unternehmen und Regierungsorganisationen aus Europa und Nordamerika. Die Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit stellte rund 4.5 Millionen Franken bereit. Im Dezember 2010 veröffentlichte annabelle eine Reportage über die prekären Verhältnisse und die «Gratwanderung zwischen Leben und Tod» in öffentlichen Kliniken Dar es Salaams – und rief zu Spenden auf.

Gut 200 000 Franken kamen zusammen; Geld für Zement, Gebärbetten, Beatmungs- oder Ultraschallgeräte. Die annabelle-Spendenaktion wurde mit dem Schweizer Hilfswerk Christoffel Blindenmission koordiniert, einer langjährigen Partnerorganisation der CCBRT. Sie verwaltete das Geld und bürgte dafür, dass die Spenden zu hundert Prozent in den Aufbau der Klinik flossen.

«Der Geist des Baobabs ist ungebrochen»

Heute heisst das «Baobab» prosaischer: CCBRT-Maternal and Newborn Wing. Es hatte unter dem gleichen Namen registriert werden müssen wie das Spital, zu dem es gehört. Der Baobab-Baum wurde ebenfalls gestutzt, allerdings von einem Sturm. Übrig blieb kaum mehr als der Strunk. «Aber nach einer Weile begannen wieder Äste aus ihm heraus zu wachsen», sagt Brenda D’Mello. «Das zeigt uns: Der Geist des Baobabs ist ungebrochen.»

Brenda D’Mello ist wie kaum eine andere mit der Geschichte der Klinik verbunden. Die 55-jährige Gynäkologin, selbst Mutter zweier Kinder, ist technische Beraterin der Geburtsklink. Dr. Brenda, wie sie von allen genannt wird, strahlt jene natürliche Autorität aus, die Menschen eigen ist, die niemandem mehr etwas beweisen müssen. Sie spricht schnell, hat eine sonore Stimme, die sofort beruhigend wirkt, unter ihrem weissen Kittel trägt sie ein langes blaues Kleid, ihr Lieblingskleid, wie sie schmunzelnd sagt, auf ihrem Kopf sitzt eine Brille, die sie immer wieder ungeduldig hochschiebt.

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«Frauen sind das wirtschaftliche Rückgrat der Gesellschaft»

Brenda D’Mello, Gynäkologin

Alles ist möglich, wenn man gelernt hat, nicht aufzugeben

Damals, vor zwölf Jahren, hatte Brenda D’Mello den annabelle-Reporterinnen die Pläne für die Baobab-Klinik erklärt, hatte sie auf einem Tisch in einem kargen Sitzungszimmer ausgelegt «als bette sie ein Kleinkind». Heute eilt sie mit uns, der tansanischen Fotografin und der Reporterin aus der Schweiz, durch eben dieses neue Spital und erklärt, dass alles möglich ist, wenn man gelernt hat, nicht aufzugeben.

Damit spielt sie nicht nur auf die Bauarbeiten an, die unter anderem wegen mangelnder Spenden – «donor fatigue» – immer wieder verzögert worden waren. Sondern auch auf die Vision einer «respectful maternal care», die eines Tages im ganzen Land die Basis der Pflege sein soll. «Als wir mit dem Bau anfingen, erstellten wir zusammen mit dem Gesundheitsministerium eine Checkliste, die Punkt für Punkt festhielt, wie eine Patientin künftig zu behandeln ist», sagt Brenda D’Mello, «und zwar vom Moment an, wo sie die Klinik betritt, bis zu jenem, wo sie sie verlässt.»

«Stirbt die Mutter, stirbt meistens auch ihr Baby»

Sie kamen auf 73 Punkte, darunter auch das Recht, den eigenen Ehemann bei der Geburt dabeizuhaben, so, wie es Scolastica gewünscht hat. Ein Tabubruch. «Das war in Tansania noch bis vor Kurzem undenkbar», so Brenda D’Mello. «You see: we have come a long way.»

Sie nimmt uns mit auf eine Rampe, die zwei Spitalblöcke miteinander verbindet. Von hier aus sieht man auf dichte Palmengruppen, der feuchtwarme Wind lässt die Nähe des Indischen Ozeans erahnen. Es ist einer ihrer Lieblingsstellen. Auf die Frage, was sie so leidenschaftlich antreibt, antwortet sie: «Die Frauen in diesem Land. Sie sind nicht bloss Vehikel, die Kinder gebären, sondern das wirtschaftliche Rückgrat der Gesellschaft. Sie sind es, die die Familie ernähren, sie umsorgen und sie am Leben erhalten.» Nüchtern fügt sie an: «Stirbt die Mutter, stirbt meistens auch ihr Baby.»

«Erst wenn Frauen wissen, dass ihre Kinder überleben, werden sie den Mut haben, weniger Kinder zu bekommen»

Thailändischer Gynäkologe

Rund fünfzig Geburten seit Eröffnung

Seit der Eröffnung im Juli bis zum Zeitpunkt unseres Besuchs Anfang August 2022 haben in der neuen Klinik rund fünfzig Geburten stattgefunden. Aufgrund der erst langsam steigenden Patientinnenzahl ist die Wochenbettstation nur teilweise offen. Acht Betten von insgesamt 45 stehen bereit, aufgereiht mit dem Kopfende zur Wand, vier auf jeder Seite. Sie sind mit lindgrünen Vorhängen voneinander abgetrennt, über jedem hängt ein trichterförmig zusammengebundenes Moskitonetz.

Auf der Station macht sich Intisar Saleh für ihre Schicht bereit. «Karibu», guten Tag, sagt sie lächelnd. Sie ist die Leitende Hebamme der Geburtsklinik, 28 Jahre alt, trägt die blaue Krankenhaus-Uniform und ein weisses Kopftuch. Sieben Pflegekräfte arbeiten derzeit unter ihr, die Grösse ihres Teams ist an jene der Wochenbettstation angepasst.

Schwere Geburtskomplikationen

Schon in dieser kurzen Zeit der Anfangsphase hat sie schwere Geburtskomplikationen erlebt; Blutungen, Krampfanfälle – Eklampsie – das HELLP-Syndrom, eine lebensgefährliche Erkrankung in der Schwangerschaft. «Komplikationen», sagt sie, «die anderorts wohl zum Tod von Mutter und Kind geführt hätten.»

Einen Stock tiefer, in einem Innenhof, liegt der ambulante Bereich. Vor den Türen der Untersuchungszimmer reihen sich Holzbänke aneinander, an den Wänden hängen Bildschirme. Als wir den Hof überqueren, läuft gerade ein Film über Empfängnisverhütung mit der Spirale. Er läuft in Dauerschleife, abwechselnd auf Englisch und Swahili. Gebannt starrt ein junges Paar auf den Screen.

Verantwortungsbewussterer Umgang mit der Familienplanung

Dr. Brenda entgeht mein Blick nicht. Dank der neuen Präsidentin, so sagt sie, werde in Tansania heute viel verantwortungsbewusster mit der Familienplanung umgegangen als noch unter ihrem Vorgänger. John Magufuli habe die Verhütung tabuisiert, Frauen regelrecht dazu angehalten, viele Kinder zu bekommen. Heute müsse jede Frau, die frisch entbunden hat, über Verhütung aufgeklärt werden, zudem werde ihr empfohlen, möglichst zwei Jahre zwischen den Schwangerschaften zu warten.

«Aber wir haben ein Dilemma», meint Brenda D’Mello. «Solange wir Frauen nicht versichern können, dass ihre Babys bei der Geburt nicht sterben, ist es schwierig, ihnen Methoden zur Familienplanung zu nahezubringen.» Ein thailändischer Kollege habe es einmal so formuliert: «Erst wenn Frauen wissen, dass ihre Kinder überleben, werden sie den Mut haben, weniger Kinder zu bekommen.» Die Geburtenrate in Tansania stagniert seit Jahren auf hohem Niveau: bei rund 4.8 Kindern pro Frau.

«Wir pflücken zuerst die Mangos, die tief hängen»

Brenda D’Mello, Gynäkologin

«Dieses Spital ist Teil der Lösung»

Brenda D’Mello drängt uns weiter. Sie hat eine Präsentation vorbereitet. Sie will uns zeigen, welche Massnahmen ergriffen wurden, um Geburten in den urbanen Zentren Dar es Salaams sicherer zu machen. «Dieses Spital ist Teil der Lösung», betont sie, «aber es ist nur die Spitze des Eisbergs.»

Um die Müttersterblichkeit in der Millionenmetropole erfassen zu können, haben die CCBRT und das Gesundheitsministerium im Jahr 2010 ein Netzwerk aus 22 staatlichen Spitälern und Krankenstationen erstellt, die zusammen für sechzig Prozent der Geburten in der Region zuständig sind. Dabei wurde ersichtlich, dass in den drei grössten Spitälern gut neunzig Prozent aller Geburten stattfanden, rund hundert pro Tag, in den anderen hingegen kaum mehr als zwei.

Alle zwanzig Minuten eine Geburt, achtzig pro Tag

Das Temeke-Hospital war eines jener Spitäler, in denen wie am Fliessband geboren wurde. Alle zwanzig Minuten eine Geburt, achtzig pro Tag. Eine Hebamme betreute sechs bis sieben Gebärende gleichzeitig.

Was das bedeutete, beschrieb annabelle in der damaligen Reportage so: «Im Temeke-Spital funktioniert momentan nur einer von drei Operationssälen, und der war ständig besetzt. Jede Woche überlebten bis zu zwei Frauen die Geburt ihres Kindes nicht. Täglich kamen zwei Babys tot zur Welt. Für die 64 Frauen, die in den vergangenen Stunden ein Kind zur Welt gebracht haben, gibt es gerade mal zehn Betten. Vier Frauen sitzen auf dem Boden und untersuchen ihre wenige Minuten alten Babies. (…) Aus Plastiksäcken quellen dunkelrote Binden. Einige der Mütter haben Temeke bereits wieder verlassen, andere werden bald fortgeschickt. Kaum eine darf länger als sechs Stunden bleiben.»

«Wir pflücken zuerst die Mangos, die tief hängen»

Brenda D’Mello hat jenes Bild des überfüllten Raumes, das in annabelle erschienen ist, in ihre heutige Präsentation integriert – «um daran zu erinnern, wo wir angefangen haben». Man setzte bei der Infrastruktur an, begann, die Klinken innerhalb des Netzwerks auf- und umzurüsten. «Wir pflücken zuerst die Mangos, die tief hängen», sagt Brenda D’Mello. So erhielt etwa das kleinere Mbagala Rangitati Health Center eine Geburtenabteilung, einen Operationssaal sowie Toiletten, die Vijibweni-Krankenstation Saugglocken, Blutdruckmessgeräte und Sterilisationsanlagen.

Das Ziel war, dass diese Einrichtungen vermehrt Routineuntersuchungen und unkomplizierte Geburten durchführen können, was die grösseren Spitäler wie das Temeke entlasten sollte. Gleichzeitig wurden Pflegende ausgebildet, Notfälle rechtzeitig zu erkennen, lebensrettende Massnahmen zu ergreifen und die betroffenen Frauen an das nächstgrössere Spital innerhalb des Netzwerks zu überweisen.

Vision, dass Veränderung möglich ist

Darüber hinaus fingen Teams der CCBRT an, Statistiken zu den verstorbenen Müttern und Babies zu erheben. Die Daten wurden viermal pro Jahr evaluiert. Dabei kam heraus, dass ein schlechtes Spitalmanagement, mangelndes Teamwork sowie gegenseitige Schuldzuweisungen eine Kultur der Scham geschaffen hatten, die für die hohen Todeszahlen mitverantwortlich war. Zudem fühlten sich Hebammen und Ärztinnen angesichts der prekären Verhältnisse auf den Abteilungen machtlos, viele litten an einem Burn-out. Sie waren oft derart entmutigt, dass sie gar nicht erst versuchten, den Problemen auf den Grund zu gehen. Sie schauten weg.

«Früher galt die Arbeit in den Gebärsälen als Strafe»

«Diesen Teufelskreis galt es zu durchbrechen», sagt Brenda D’Mello. Und so wurden regelmässige Qualitätsüberprüfungen eingeführt – was auch den Wettbewerb unter den Kliniken fördern sollte. Jene Spitäler, die am besten abschlossen, erhielten zur Belohnung Baby-Wärmebetten oder tragbare Ultraschallgeräte. In gewissen Kliniken bekamen besonders motivierte Mitarbeitende ein kleines Geschenk, etwa eine Schwesternuhr oder ein Paar Stationsschuhe, Hebammen, die die Nachtschicht übernahmen, eine Lohnzulage.

«Früher galt die Arbeit in den Gebärsälen als Strafe», sagt Brenda D’Mello. «Nun beginnt sie an Prestige zu gewinnen.» Hinzu kam aber noch etwas, das über materielle Anreize hinausgeht: eine Vision. Die Vision, dass Veränderung möglich ist. «Wir sagten uns: Eines Tages werden wir saubere Gebärsäle haben, wir werden Leintücher und Spitaluniformen haben. Lasst es uns versuchen. Und das haben wir getan.»

Die Strategie scheint aufzugehen: Bis 2019 sank die Müttersterblichkeit innerhalb des Spital-Netzwerks von knapp 154 Todesfällen auf 100 000 Lebendgeburten auf 79. Zwar verringerte sich die Zahl der Totgeburten im selben Zeitraum nur von 26 auf 21 auf tausend Geburten. Die verhältnismässig hohe Zahl wird damit erklärt, dass die Frauen bei Komplikationen noch immer zu oft zu spät in eine Klinik gelangen.

«Unser Spital ist noch immer überfüllt»

Joseph Gaspar Kimaro, Gynäkologe und Direktor des Temeke-Spitals

14 Millionen Menschen leben unter Armutsgrenze von 21 Dollar pro Monat

Das Temeke-Hospital liegt im gleichnamigen Bezirk im Süden Dar es Salaams. Wir haben die Bewilligung erhalten, auch dieses Spital zu besuchen, um uns selbst ein Bild davon zu machen, was sich zwischen damals und heute verändert hat. Bevor wir ins Landesinnere abbiegen, gleiten die glänzenden Fassaden der Banken und Geschäftshäuser der Metropole an uns vorbei, draussen, vor der Küste, liegen Dutzende von Frachtschiffen vor Anker, die darauf warten, im Hafen Dar es Salaams ihre Waren zu löschen. Nachts leuchten ihre Scheinwerfer wie ein gigantischer Schwarm von Glühwürmchen.

2020 stufte die Weltbank Tansania – mit einer Bevölkerung von 58 Millionen das sechstgrösste Land Afrikas – zum ersten Mal als «Land mit mittlerem Einkommen im unteren Bereich» ein. Doch die Arbeitslosenquote liegt, je nach Quelle und Definition, zwischen 2.2 und 10 Prozent, rund 14 Millionen Menschen leben unter der Armutsgrenze von 21 Dollar pro Monat. Davon zeugen Holzbaracken und Blechhütten, die sich immer dichter ineinander zu verzahnen scheinen, je weiter wir uns vom Zentrum entfernen.

Joseph Gaspar Kimaro, Gynäkologe und Direktor des Temeke-Spitals, begrüsst uns persönlich. Er will uns gleich selbst durch die Geburtsstation begleiten, obwohl er eben erst von einer Notfalloperation zurückgekommen ist. Die Patientin habe Zwillinge erwartet, sagt er, doch der eine Fötus sei in ihrer Bauchhöhle gewachsen. Sie habe nichts von dieser Komplikation gewusst. Er musste ihr nach der Operation sagen, dass ein Kind längst gestorben war.

Ein Friedhof des Inventars vergangener Zeiten

Die Geburtenabteilung liegt ein paar hundert Meter vom Hauptgebäude entfernt, bungalowähnliche Trakte, die in Gartenanlagen eingebettet sind. Ein Trakt befindet sich noch im Rohbau, hier entsteht ein weiterer Operationssaal. In einem Raum werden 16 neue Betten mit Infusionsgestellen zwischengelagert, hinter dem Gebäude stapeln sich Berge von ausrangierten OP-Tischen und rostigen Gitterrosten – ein Friedhof des Inventars vergangener Zeiten.

Die Geburtenabteilung sei komplett renoviert worden, sagt Joseph Gaspar Kimaro. Man habe die Bettenzahl erhöht, Toiletten eingebaut, eine Blutbank errichtet. Inzwischen hätten sie nicht mehr achtzig Geburten pro Tag, sondern nur noch etwa dreissig, wohl auch deswegen, weil das benachbarte Rangitatu Health Center seine Geburtenrate massiv erhöht hat. «Trotzdem ist unser Spital noch immer überfüllt», sagt er. «Wir sind hier in einem Einzugsgebiet von über zwei Millionen Menschen. Und sie strömen aus allen Richtungen zu uns.» Er brauche dringend mehr geschultes Personal, brummt er, das die Überweisungen managen könne.

Böden und Leintücher sind sauber, in den Gängen riecht es nach Aprikose

Die Station besteht aus zwei Flügeln; im einen die Mütter, die per Kaiserschnitt entbunden wurden, im andern jene, die natürlich geboren haben. Joseph Gaspar Kimaro eilt voraus, begrüsst die Patientinnen, erklärt, weshalb wir hier sind. Einige Frauen ziehen sich zurück, als sie die Fotokamera sehen. Auf der kleinen Terrasse vor den Eingängen der Wards hat sich eine Handvoll Frauen versammelt. Sie tragen bunte Kangas, in den Händen kleine Behälter. Es ist Mittagszeit. Sie bringen das Essen für ihre Töchter, Schwestern oder Schwägerinnen, die eben geboren haben.

Dreissig Frauen sollen auf der Station für die frisch operierten Mütter eingeschrieben sein, trotzdem herrscht kein Gedränge. Eine Patientin befindet sich noch in Narkose, eine andere geht mit einem Badetuch um die Schultern den Gang hinunter. Am Empfangspult sitzen ein paar Pflegerinnen, sie machen sich Notizen in dicke Bücher. Wer einen Kaiserschnitt hatte, darf zwei Tage im Spital bleiben. Die Frauen aus dem «Normal birth»-Ward hingegen werden zwölf Stunden nach der Geburt entlassen.

Station erinnert an eine Wartehalle

Deren Station erinnert an eine Wartehalle: 34 Frauen sitzen zu zweit oder zu dritt auf einem Bett, ihre neugeborenen Babies in Kangas gewickelt auf der Matratze. Einige der jungen Mütter stehen regungslos daneben. Dennoch hat die Geburtsabteilung des Temeke-Spitals von heute kaum mehr etwas mit jenen fast schon apokalyptischen Zuständen von damals gemein: Böden und Leintücher sind sauber, in den Gängen riecht es nach Aprikose. Das Pflegepersonal trägt Uniformen, die Patientinnen Spitalhemden.

Im Gebärsaal sind die Liegen mit Vorhängen abgeschirmt. Bis auf ein Bett ist der Saal leer, die meisten Geburten, sagt man uns, geschehen nachts. Was aber auffällt: Es ist ungewöhnlich still. Man hört kein Reden, kein Weinen, nicht einmal das Stöhnen jener Frau, die im Gebärsaal nebenan gerade in den Wehen liegt. Von afrikanischen Frauen werde erwartet, so wird Benda D’Mello uns später erklären, ihre Angst und ihren Schmerz stumm zu ertragen.

Am Ausgang des überfüllten Ward begegnen wir Antusa. Die 22-jährige sitzt auf einer Bettkante, neben sich ein Teller mit Gemüse, unter einer Decke ihr neugeborener Sohn. Sie will ihn Gordon nennen, verrät sie. Ihrem Freund hat sie noch nicht gesagt, dass sie das Kind geboren hat. Sie lächelt schüchtern. «Das wird eine Überraschung für ihn».

«Es geht vorwärts»

Zurück in Dar es Salaam treffen wir Antke Züchner, Kinderkardiologin und Neonatologin aus Deutschland. Sie kommt gerade von der Visite, zum Gespräch bittet sie uns auf die Wochenbettstation. Seit Jahren arbeitet die 58-Jährige in Ländern Afrikas, 2017 wurde sie von der CCBRT «ausgeliehen», wie sie sagt. Im Rahmen des «capacity building» war sie in verschiedenen staatlichen Spitälern in der Region tätig. Ihr Fazit: «Es geht vorwärts.»

Als einen der grössten Erfolge wertet sie die Känguru-Methode, die an vielen Spitälern eingesetzt wird. Dabei werden die Frühchen eng auf den Körper der Mutter gebunden, um sie warm zu halten. Über eine Whatsapp-Gruppe ist Antke Züchner mit 350 Kinderärzt:innen aus dem ganzen Land verbunden, sie diskutieren Fälle, die sie in ihrem klinischen Alltag sehen. Offene Bäuche. Babies, die ohne Gehirn zur Welt kommen. Oder mit angeborenen Herzfehlern.

«In Tansania wurde die Pflege lange Zeit von Angehörigen geleistet»

An der Universität von Dar es Salaam werden nun erstmals ein Masterstudiengang für Neonatologie und eine Fachausbildung für Pflegekräfte durchgeführt. Gerade Letzteres, sagt Antke Züchner, sei dringend, denn noch wird die Krankenpflege nicht richtig in den Blick genommen, und das ist nach wie vor eine grosse Herausforderung. «In Tansania wurde die Pflege lange Zeit von Angehörigen geleistet», erklärt sie. «Die Versorgung hat sich zwar verbessert, aber dadurch wurde der eklatante Mangel an geeignetem Pflegepersonal offensichtlich. Die Nurses müssen sich spezialisieren, vorher waren sie alle einfach Midwifenurses.»

Doch das wiederum führt zu einem weiteren Problem: Inzwischen würden zwar viele Fachkräfte ausgebildet, so Züchner. Aber – der Staat stellt sie nicht ein. Ihm fehlt das Geld für die Löhne. Ein Dilemma. Durch die Fenster dringt das Rauschen des Regens, der wie aus dem Nichts auf Dar es Salaam niederzuprasseln beginnt. Antke Züchner hält einige Sekunden inne. Sie habe hier schon viele berührende Momente erlebt, sagt sie dann.

Sie erinnert sich an eine Patientin, die vor kurzem an dieser Klinik entbunden hatte. Sie hatte hohen Blutdruck und weinte, war ausser sich vor Angst, sie könnte das Baby verlieren. Aufgrund ihres Blutdrucks wurden die Herztöne des Babys überwacht, und als sie über dem Monitor plötzlich nicht mehr zu hören waren, holte das Team das Kind per Notfallkaiserschnitt. Das Mädchen war kerngesund. «Da haben wir alle vor Glück geweint», erzählt Antke Züchner. Geweint hat in jenem Moment auch die Mutter, aber vielmehr aus Erleichterung. Denn drei Jahre zuvor hatte sie in einem der grössten staatlichen Spitäler Dar es Salaams ihr erstes Kind geboren. Es überlebte nur durch Zufall – schwer behindert.

Im siebten Monat bekam sie Krämpfe und Bluthochdruck

Magdalena Josef Masulwa, so heisst die Mutter, ist nach anfänglichem Zögern bereit, uns ihre Geschichte zu erzählen. Sie tut es, weil sie davon überzeugt ist, dass vielleicht alles anders gekommen wäre, hätte sie damals eine bessere medizinische Betreuung erhalten. Magdalena lebt mit ihrer Familie in einem Dorf im Norden der Stadt. Das Labyrinth seiner Lehmgassen ist so verästelt, dass unser Taxifahrer sich resigniert dazu bereit erklärt, auf uns zu warten. Magdalena winkt uns herein und schiebt hinter uns das Tor, das ihr Haus von der Aussenwelt trennt, rasch wieder zu. Fremde ziehen hier zu viel Aufmerksamkeit auf sich.

Magdalena bittet uns ins Wohnzimmer. Die schweren Vorhänge lassen nur fahles Licht herein, neben der Stereoanlage steht ein fluoreszierendes Kruzifix, am Eingang ein Kinderstuhl mit Nackenstütze und mit auf der Fussplatte fixierten Schuhen, der Therapiestuhl für ihre dreijährige Tochter Michelle. Magdalena lässt sich neben uns auf das Sofa fallen. Ihre Schwester legt ihr das Baby in den Arm: Megan. Keck blickt es uns an.

Als sie mit Michelle schwanger war, so beginnt Magdalena zu erzählen, bekam sie im siebten Monat Krämpfe und Bluthochdruck. Sie fiel in Ohnmacht, wurde mit Rotlicht ins Spital eingeliefert. Rückblickend weiss sie, dass sie an einer Eklampsie gelitten hatte, einer Erkrankung, die ohne intensivmedizinische Behandlung zum Tod von Mutter und Kind führen kann.

Diagnose: zerebrale Lähmung

Als sie zu sich kam, sagte man ihr, dass ihr Baby wohl gestorben sei. Sie erhielt wehenfördernde Mittel, um das Kind zu gebären, doch weil sie zu schwach war, um zu pressen, zog man es mit einer Saugglocke heraus. Der vermeintlich leblose Körper wog 1.2 Kilo. «Ich hörte, wie der Arzt der Hebamme sagte, sie solle das Baby in die Leichenhalle bringen.» Tränen rinnen ihr über die Wangen. «Aber als die Hebamme den Bauch meines Babys berührte, merkte sie, dass es sich bewegte.»

Das Frühgeborene bekam Sauerstoff, wurde auf die Neonatologie verlegt. Nach zwei Wochen durften Mutter und Kind nachhause. Michelle schien sich gut zu entwickeln. Doch nach sechs Monaten konnte sie ihren Kopf noch immer nicht selber halten. Wenig später erhielt sie die Diagnose: zerebrale Lähmung.

«Furchtbare Angst, die Geschichte könnte sich wiederholen»

Michelle kam zur Physiotherapie an das CCBRT, die Klinik stellte der kleinen Familie auch den Therapiestuhl zur Verfügung. Längst hatte Magdalena, 35 Jahre alt, ihren Job als Kundenberaterin bei einer Telefonfirma aufgegeben, um Michelle rund um die Uhr betreuen zu können. «Als ich erneut schwanger wurde, hatte ich furchtbare Angst, die Geschichte könnte sich wiederholen», sagt sie.

Ein Arzt, der am CCBRT-Spital mit behinderten Kindern arbeitete, überwies sie an die neue Geburtsklink. Erst wollte sie nicht, denn wie die meisten Menschen in Tansania hat auch sie keine Krankenversicherung. «Aber ich habe nur für die erste Konsultation bezahlt. Danach war die Behandlung kostenlos.» Trotz ihrer Angst wurde die Geburt von Megan schliesslich zu einem schönen Erlebnis.

Ihre Hebamme sei nie von ihrer Seite gewichen, die Ärzt:innen hätten ihr die ganze Zeit Mut zugesprochen. «Ich habe mich so geborgen und geliebt gefühlt wie nie zuvor.» Plötzlich ertönt aus dem Kinderzimmer nebenan ein vorwurfsvoll-drängendes Weinen, das langsam in ein heiseres Gurgeln absinkt. Wir zucken zusammen. «Das ist Michelle», sagt Magdalena und putzt sich die Nase. «Ich glaube, sie hat Hunger.»

«Im Moment ist es so, als würde ich einen Ferrari mit zehn Kilometern pro Stunde fahren»

Brenda D’Mello, Gynäkologin

An Magdalenas und Michelles Geschichte offenbaren sich die Schwachstellen im Gesundheitssystem von Tansania, die noch immer vorhanden sind, meint Brenda D’Mello. «Die Geburtshilfe an staatlichen Institutionen ist gratis, aber die Qualität der medizinischen Versorgung längst nicht gut genug. Und wenn die Qualität schlecht ist, können wir nicht wirklich von medizinischer Versorgung reden.»

Wir treffen die Ärztin zu einem letzten Gespräch in einem Sitzungszimmer neben dem «Out-patient»-Bereich der Geburtsklink. Der Raum ist fensterlos, aber angenehm kühl. Brenda D’Mello wirkt müde. Sie sei daran, Anträge für neue Spendengelder vorzubereiten. Sie benötigen dringend mehr finanzielle Ressourcen, mindestens eine Million Dollar pro Jahr. «Im Moment können wir uns nur etwa ein Drittel des Personals leisten, das wir eigentlich bräuchten, um die Geburtsklinik in ihrer vollen Kapazität zu betreiben – auch für einkommensarme Patientinnen», sagt sie.

«Wir werden nicht aufgeben»

Das sei sehr frustrierend. «Denn wir haben mit unserem Aufbauprogramm neue Standards gesetzt und wissen, dass wir diese umsetzen können. Auch die Leute wären vorhanden, die Fachkräfte. Sie sind hungrig. Hungrig nach Wissen und der Chance, endlich zu tun, wofür sie ausgebildet worden sind.»

Als die CCBRT vor Kurzem für ihr Geburtsspital vier Stellen ausgeschrieben habe, hätten sich über hundert junge Ärzt:innen beworben. «Aber wir werden nicht aufgeben», meint Brenda D’Mello eindringlich. «Wir haben schon so viel investiert. Dieses Spital könnte 24 bis 30 Geburten pro Tag durchführen. Es sollte voll sein.» Sie seufzt. «Im Moment ist es so, als würde ich einen Ferrari mit zehn Kilometern pro Stunde fahren.»

Seit unserem Besuch ist die Zahl der Patientinnen in der neuen Geburtsklinik stetig gestiegen. Vom Januar bis Anfang Juni 2023 wurden 324 Entbindungen durchgeführt, fast so viele wie im ganzen Jahr 2022. Und die Tendenz ist steigend: Allein im vergangenen Mai brachten 84 Frauen im CCBRT ihr Kind zur Welt. Das bisher kleinstes Baby war ein Zwillingsfrühgeborenes, ein Mädchen, mit 1500 Gramm, sein Bruder brachte 1650 Gramm auf die Waage. Beide sind wohlauf und werden voll gestillt.

Besonders erfreulich ist, dass die Klinik besonders in ihrer Hauptzielgruppe, Frauen mit Behinderungen, Frauen mit einer Geburtsfistel in der Vorgeschichte und schwangere Teenager, deutlich mehr Patientinnen verzeichnet. In diesem Jahr haben bereits 35 Teenager kostenfrei entbunden, die jüngsten waren gerade erst 14 Jahre alt. Nach der Geburt werden die jungen Mütter sozialmedizinisch betreut. Sie erhalten eine Stillberatung und werden über Verhütungsmethoden aufgeklärt.

Mehr Informationen zur Geburtsklinik sowie Informationen zu Spendenmöglichkeiten findet ihr hier.

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