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Das neue Heft ist da: Barbara Loop über Humor

Das neue Heft ist da: Barbara Loop über Humor

Ab heute liegt die neue Spezialausgabe der annabelle am Kiosk. Lest hier das Editorial von Chefredaktorin Barbara Loop.

  • Von: Barbara Loop
  • Cover: Yannick Schuette; Collage: annabelle

Während der Amtsantrittsrede von Donald Trump konnte Hillary Clinton nicht mehr an sich halten. Als der frisch gewählte US-Präsident den Golf von Mexiko in Golf von Amerika umbenannte, brach sie in herzhaftes Gelächter aus. Zu komisch mutete die Idee an, grad so, als hätte sich der Narr höchstpersönlich die Krone aufgesetzt.

Doch auch wenn Trump in den ersten Monaten seiner zweiten Amtszeit so viele Pointen lieferte wie kaum ein Politiker zuvor, so sind wir doch an einem Punkt angelangt, an dem man sich nur noch eine Frage stellen kann: Was, bitte schön, gibt es hier noch zu lachen?

Die Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine, der vergessene Konflikt im Sudan, der unverhohlene Sexismus, der offenkundige Rassismus, die Pulverisierung von Rechtsstaatlichkeit, der Kampf gegen die Wissenschaften ... – nicht nur Hillary Clinton ist das Lachen im Hals stecken geblieben. Warum also eine Lachnummer? Warum gerade jetzt?

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"Lachen lässt uns die Welt ertragen, gerade dann, wenn sie aus den Fugen gerät"

Weil Lachen eine Superkraft ist, die uns erleichtert, heilt und nie dringender gebraucht wird als in finsteren Zeiten. Lachen lässt uns die Welt ertragen, gerade dann, wenn sie aus den Fugen gerät.

Der deutsche Philosoph Helmuth Plessner beschrieb in den 1940er-Jahren das Lachen als körperliche Reaktion auf eine Grenzerfahrung, genau wie das Weinen. Lachen ist ein Affekt, setzt aber Vernunft voraus. Wer lacht, reagiere auf eine Überforderung des Verstandes, etwa wenn Dinge nicht zusammenpassen oder widersprüchlich sind. Wer in Gelächter ausbricht, verliert die Kontrolle und schafft gleichzeitig eine Distanz zwischen sich und der Welt, wie nur vernunftbegabte Wesen es vermögen.

Humor hilft uns, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen und Widersprüche auszuhalten. Der Narr spricht die Wahrheit und hält dem König den Spiegel vor. Doch was, wenn der König selbst zum Narren wird? Das hat meine Kollegin Helene Aecherli für unsere Spezialausgabe den Karikaturisten Patrick Chappatte gefragt, dessen politische Satire derzeit nicht selten von den realen Ereignissen überholt wird. Sarah Lau erforschte fürs neue Heft, wie viel Nüchternheit der Spass verträgt, und Jacqueline Krause-Blouin gibt ihr Debüt als Stand-up-Comedian.

Lachen ist entlarvend, Lachen kann Gemeinschaft stiften – aber auch ausgrenzen und verletzen. Es ist wahrlich nicht alles lustig, was uns derzeit Unerwartetes begegnet. Aber es ist vieles unerwartet, was uns zum Lachen bringt. Guter Humor folgt nur der einen Regel, dass er mit Regeln bricht.

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