Das neue Heft ist da: Barbara Loop übers Loslassen
Ab heute liegt die neue Ausgabe der annabelle am Kiosk. Lest hier das Editorial von Chefredaktorin Barbara Loop.
- Von: Barbara Loop
- Cover: Marcello Junior Dino; Collage: annabelle
Das Weihnachtsfest steht vor der Tür, ein Jahr geht zu Ende. Feiertage sind wie Geburtstage, eine Zäsur, die uns vor Augen führt, dass alles vergänglich ist: Kinderlachen, die Stunden mit den Liebsten, die straffe Haut, die guten Vorsätze und die Überzeugung, dass für einen noch alles möglich ist.
Für diese Ausgabe hat meine Kollegin Sarah Lau darüber nachgedacht, warum das Loslassen trotz jahrelanger Übung nicht einfacher wird. «Während das deutsche ‹Loslassen› nach Verlust, nach einem Entgleiten klingt, schwingt im englischen ‹release› eine andere Nuance mit», schreibt sie. «Release bedeutet nicht nur loslassen, aufgeben, sondern auch: freigeben – ein Akt der Öffnung. Es ist der Moment, in dem etwas nicht nur endet, sondern neu beginnt.»
Das weiss auch Susanne Strässle. Im Interview mit Helene Aecherli im neuen Heft erklärt die Trennungscoachin, warum es wichtig sei, im Abschied auch einen Neuanfang zu sehen – und sich dennoch hin und wieder dem Schmerz einer verlorenen Liebe auch einfach hinzugeben.
"Es gibt Dinge, die lassen wir nur zu gern hinter uns, selbst wenn die Trennung wehtut"
Es gibt Dinge, um die wir trauern. Und es gibt Dinge, die lassen wir nur zu gern hinter uns, selbst wenn die Trennung wehtut: Schwierige Beziehungen gehören dazu, zuweilen auch die Babyjahre der Kinder, die uns ein volles Herz, aber auch Augenringe schenkten. Und das vergangene Jahr: Kriege, Krisen, Klima. Es war ein schwieriges Jahr.
Darüber wollte ich in diesem Editorial eigentlich schreiben – bis ich merkte, dass sich das falsch anfühlt. Ich sitze nämlich gerade in einem weichen Sessel, in einem schönen Café, in einer schönen Stadt. Eben habe ich eine Freundin getroffen, später gehe ich auf eine Party. Ja, ich sorge mich um die Zukunft, nicht nur die eigene. Aber wem wäre geholfen, wenn ich hier gepflegt um den Zustand der Welt traure?
Es ist erlaubt, hin und wieder in den Zehn-Franken-Matcha-Latte zu heulen ob der Ängste und Schwierigkeiten, die wir haben. Aber dann gilt es, die eigenen Privilegien zu prüfen. Ich kann mir Dinge leisten, von denen meine Vorfahren nur träumen konnten. Ich arbeite bei einem Magazin, kann mit einem wundervollen Team Geschichten publizieren, die beschreiben, was ist. Das ist alles andere als selbstverständlich in Zeiten, in denen die Pressefreiheit derart unter Druck ist.
Sich auf die Dinge zu fokussieren, die intakt sind, ist nicht ignorant. Es geht mir nicht darum, gute Laune zu verbreiten und Probleme zu verdrängen. Im Gegenteil. Denn kämpfen werden wir nur für Dinge, die wir auch feiern.