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Frauen vor, noch ein Tor!

Leben

Frauen vor, noch ein Tor!

  • Interview: Julia Hofer, Peter AckermannFoto: Herbert Zimmermann

Eine Nati-A-Spielerin, eine FCZ-Tifosa und eine Hobbykickerin fachsimpeln über Fussball.

Übers Runde, das ins Eckige muss, fachsimpeln immer mehr junge Schweizerinnen genauso gewandt wie die Männer. Eine Kostprobe.

Fussball ist längst keine Männerdomäne mehr. Junge Frauen stürmen die WM-Bars und jagen auch immer häufiger selber dem Ball nach: In der Schweiz spielen über 20 000 Mädchen und Frauen in einem Verein, bald wird Fussball auch bei den Schweizerinnen die beliebteste Teamsportart sein. Nadia Bianchi, Luisa Heim und Sara Garcia gehören zu dieser neuen Generation fussballverrückter Frauen. Die angehende Hotelfachfrau Nadia (16) liebt den FC Zürich so sehr, dass sie die blauen Männchen ihres Töggelikastens mit Paninibildern der FCZ-Spieler beklebt hat. Die Gymnasiastin Luisa Heim (17) spielt in ihrer Freizeit drei- bis viermal pro Woche beim Nationalliga-B-Club Old Boys Basel. Sara Garcia (19) ist Mitglied der Nationalliga-A-Mannschaft des FC Basel sowie in der portugiesischen Nationalmannschaft und besucht die International School of Sports. Später möchte sie vielleicht einmal in den USA als Profifussballerin kicken. Ein Gespräch über Ronaldo, Lesben im Frauenfussball und die Frage, ob Ottmar Hitzfeld den Weltmeistertitel für die Schweiz heimbringen wird.


Können Männer zugeben, dass sie weniger von Fussball verstehen als ihr?

Nadia: Nein.
Luisa: In meiner Klasse wäre das kaum ein Problem.

Wäre? Redet ihr nicht über Fussball?
Luisa:
Kaum. Damit Fussball in unserer Schule Gesprächsstoff wird, muss Lionel Messi schon vier Goals in einem Match schiessen.

Spielt in deiner Klasse sonst niemand in einem Club?
Luisa:
Doch, mehrere Buben. Wahrscheinlich reden die untereinander auch öfter über Fussball.

Seit wann interessiert ihr drei euch denn für Fussball?

Nadia: Bei uns ist die ganze Familie FCZ-Fan, ich war schon als kleines Kind im Stadion.
Luisa: Ich habe auf dem Schulhausplatz zu spielen angefangen. Mit acht Jahren habe ich in einem Club gespielt, doch ich hörte bald wieder auf, weil alle anderen älter waren. Mit elf habe ich dann bei den Old Boys angefangen.
Sara: Meine Eltern wollten nicht, dass ich Fussball spiele. Frauen und Fussball, das passt für sie nicht zusammen. Sie kommen aus Portugal, dort ist das halt noch etwas anders. Meine Mutter sagt immer, wir haben es dir nur erlaubt, weil du ein ganzes Jahr lang dafür gekämpft hast. Jetzt, wo ich das Leibchen der portugiesischen Nati trage, sind sie aber voll stolz auf mich.

Luisa, Fussball ist dein Hobby. Wenn man dir einen Profivertrag anbieten würde, würdest du die Schule sausen lassen?
Luisa: Heute nicht mehr. Die Matur bedeutet mir viel, in den letzten Jahren sind auch andere Sachen wichtig geworden, Ausgang etwa.

Nadia, du hast sicher eine Saisonkarte des FCZ?
Nadia: Das lohnt sich nicht mehr, seit ich die Lehre angefangen habe und oft am Wochenende arbeite. Aber wenn irgend möglich, gehe ich an jeden Match, auch auswärts.

Im Letzigrund stehst du in der Südkurve, bei den hartgesottenen Fans. Gibts dort viele Frauen?
Es geht so, etwa ein Drittel sind Frauen. Die meisten haben halt Angst vor unserer Kurve, wegen der Pyros (Feuerwerk).

Du hast keine Angst?
Nein, während des Matchs bin ich so im Feuer, dass ich das Gefühl habe, mir kann nichts passieren. Aber an die Heimspiele des FC Basel gehe ich nicht mehr. Die FC-Basel-Fans kommen dir mit Stangen entgegen, auch uns Frauen, und du musst wegrennen. Das sind keine echten Fans mehr.

Was macht einen echten Fan aus?
Sara (deutet lachend auf Nadia): Ich würde sagen, hier sitzt einer.

Sara und Luisa sind also keine Fans?
Luisa: Ich unterstütze einfach gewisse Mannschaften, den FC Basel etwa oder den FC Liverpool.
Sara: Wenn Portugal spielt, gehe ich auch voll ab und singe, ein geniales Gefühl.

Interessieren sich Frauen für Fussball, weil sie auf die Spieler stehen?

Nadia: Es gibt schon solche. Als Zürich in der Champions League gegen Real Madrid gespielt hat, waren viele Frauen in unserer Kurve, natürlich nur wegen Ronaldo. Da sagen die Männer dann zu Recht: Ihr Frauen seid keine echten Fans. Dass sie alle in denselben Topf werfen, tut aber weh.

Welches sind eure Lieblingsspieler?

Nadia: Von den Grossen Ronaldo, von Zürich Dusan Djuric und Hannu Tihinen.

Warum gerade die?

Nadia: Okay, ich muss zugeben (grosses Gelächter), früher habe ich Ronaldo einfach nur hübsch gefunden, erst später habe ich gemerkt: Wow, der kann ja Fussball spielen! Tihinen
habe ich mal im FCZ-Shop getroffen und gefragt, ob ich ein Foto mit ihm machen dürfe. Dieses Bild habe ich später zu einer Autogrammstunde mitgenommen, was ihn total gefreut hat. Er hat extrem fett unterschrieben.

Hast du ein Ronaldo-Poster überm Bett aufgehängt?
Nadia (lacht): Sogar zwei.
Sara: Früher war mein ganzes Zimmer zugepflastert mit Bildern von Ronaldo und andern Fussballstars. Ich muss zugeben, er sieht voll gut aus. Aber seine Art zerstört alles.
Luisa: Egal, ob er ein Foul oder ein Goal macht, sein Gesichtsausdruck sagt immer: Ich bin besser als ihr. Er ist mir auch zu geschleckt, dieser Style mit zerrissenen Hosen und so, furchtbar.

Sara, hingen bei dir auch Bilder von Fussballerinnen?
Sara: Ja (zögert), das heisst: Am Anfang wusste ich noch gar nicht, dass es professionelle Fussballerinnen gibt. Erst als ich dann selbst ernsthaft gespielt habe, habe ich auch Bilder
von Mia Hamm und Marta aufgehängt.

Wann hast du sie runtergenommen?
Nach einem heftigen Streit hat meine Mutter alle Bilder heruntergerissen.

Gings bei dem Streit um Fussball?

Nein. Um etwas ganz Banales.
Luisa: Ich habe mich eigentlich nie mit Frauenfussball beschäftigt. Wenn ich Fussball schaue, dann Männerfussball.

Warum nicht Frauenfussball?
Luisa: Der ist halt, biologisch bedingt, langsamer. Das ist schon fast eine andere Sportart.
Sara: Ich würde gern mehr Frauenfussball sehen, aber der wird am Fernsehen nicht gezeigt. Von den Männern werden dagegen sogar Zweitligaspiele übertragen.

Vielleicht weil die technisch immer noch besser sind als die Erstligaspiele der Frauen?

Sara: Das kann man nicht sagen. Marta etwa ist eine grosse Technikerin, man kennt sie einfach nicht. Mein Vater war jedenfalls erstaunt, als er sah, auf welchem Niveau die spielt.

Ist Fussball überhaupt eine Sportart für Frauen?

Luisa: Klar, es gibt so viele Mädchen, die jetzt anfangen zu spielen und die wirklich gut sind. Das sehe ich auch bei meinen beiden jüngeren Schwestern, deren Mannschaft technisch sehr gut spielt, mit Seitenwechseln und allem. Die können mit den Buben mithalten.

Spielt ihr nie mehr gegen Männer?
Sara: Hmm, die Buben werden in der Pubertät halt kräftiger. Wir haben mal mit der U-19-Nati gegen die U-16-Nati der Männer gespielt. Und 0:10 verloren. Wir hatten keine Chance, was Schnelligkeit und Ausdauer angeht.

Und in der Freizeit?
Luisa: Ja, das ist cool. Du wirst unterschätzt, und dann wird alles auf dem Platz geklärt.

Unter Lesben gilt Frauenfussball als beliebteste Sportart. Haben es Lesben im Fussball ähnlich schwer wie Schwule?

Sara: Voll nicht. Bei uns hats auch lesbische Spielerinnen, deren Freundinnen kommen auch an die Spiele.

Warum jubeln Frauen nach einem Goal zurückhaltender als Männer?
Sara: Das möchte ich auch mal wissen.
Luisa: Ich zeige meine Freude auch nicht so; wahrscheinlich, weil ich nicht möchte, dass die andern denken, ich bilde mir etwas ein.
Sara: Vielleicht freuen sich die Männer mehr über ihre persönlichen Erfolge, weil sie wissen, dass sie eine steile Karriere machen können, wenn sie echt gut sind. Oder es hat damit zu tun, dass mehr Fans im Stadion sind.

Was hält die Südkurve eigentlich vom Frauenfussball?
Nadia: Sie unterstützt die Frauenmannschaft des FCZ. Und ich denke schon auch, dass für sie eine lesbische Spielerin das kleinere Problem ist, als ein schwuler FCZ-Spieler es wäre.
Luisa: Viele finden es seltsam, wenn ein Spieler dem Klischee des «männlichen» Fussballers nicht entspricht. Eigentlich kindisch.

Freut ihr euch auf die WM?

(Alle im Chor): Wahnsinnig.

Ist Ottmar Hitzfeld der richtige Trainer für die Nati?

Nadia: Hitzfeld macht immer so ein ernstes Gesicht, man hat das Gefühl, der bringt die Spieler um, wenn sie schlecht spielen. Köbi war mir sympathischer.
Luisa: Schon, aber der war eben auch eine Schlaftablette …
Sara: … genau!

Was macht Hitzfeld richtig?
Sara: Er nimmt die Mannschaft richtig dran, schweisst sie zusammen.
Luisa: Ich hoffe, er bietet die jungen Talente auf.

Hat Hitzfeld denn überhaupt die Spieler, um erfolgreich zu sein?
Luisa: Man kann auch ohne Weltstars gewinnen. Argentinien wird ja auch nicht einfach wegen Messi Weltmeister.

Auf welche Spieler muss Hitzfeld setzen?
Sara: Auf Inler, Derdiyok.
Luisa: Es braucht auch Frei. Er hat Erfahrung und kann Tore schiessen.
Nadia: Barnetta sollte auch dabei sein.

Wer soll in den Sturm?

Sara: Derdiyok und Nkufo.
Luisa: Derdiyok wird bestimmt öfter spielen. Wenn Alex Frei fit ist, ist er als Kapitän gesetzt.

Die Schweiz spielt meist 4-4-2. Das richtige System?
Sara: Ja, wenn sie 3-5-2 spielen würden, könnten sie dem Druck nicht standhalten.
Luisa: Im Mittelfeld haben wir nicht so viele Spieler, die Tore schiessen können. Da muss man hinten dichtmachen – und vorne hoffen.

Warum bringen die Schweizer den Ball kaum ins Tor?
Luisa: Das ist die Krankheit der Schweizer. Sie schliessen zu wenig schnell ab, spielen noch einen Pass und noch einen.
Sara: Wenn die Türken angreifen, dann bricht jede Mauer, diese Entschlossenheit fehlt den Schweizern.
Luisa: Sie wollen schön spielen wie eine Weltklassemannschaft, obwohl ihnen das Niveau dazu noch fehlt.

Werden sie überhaupt über die Gruppenphase hinauskommen?

Nadia: Sie können es schaffen. Aber Spanien ist ein hartes Los.
Luisa: Der FC Basel hat auch schon gegen Barcelona ein Unentschieden erreicht.

Wen unterstützt ihr eigentlich?
Sara:
Portugal, mein Heimatland.
Nadia: Die Schweiz. Und Italien.
Luisa: Die Schweiz. Und Spanien. Und England.

Warum nicht nur die Schweiz?
Sara:
Weil sie kaum Chancen hat.