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Goodbye My Lover, Hello My Friend

Leben

Goodbye My Lover, Hello My Friend

  • Text: Jessica Prinz; Foto: Getty Images

Unsere Autorin hat sich von ihrem Freund getrennt. Die Prophezeihungen aus ihrem Umfeld, eine Freundschaft mit dem Ex sei nicht möglich, haben sich nicht bewahrheitet. Sie hat zwar einen Partner verloren, dafür einen Freund gewonnen. 

Vielleicht wäre zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort alles anders verlaufen. Vielleicht hätten wir unter anderen Umständen, wären wir älter gewesen oder hätten wir uns an einem anderen Punkt im Leben getroffen, unsere Geschichte anders schreiben können. Vielleicht wäre sie noch länger geworden, hättest du mehr zugehört und ich mehr geredet. Wärst du mehr aufgestanden, ich mehr hingesessen. Wärst du mehr mitgekommen, und ich mehr daheim geblieben. Vielleicht. Jedenfalls ist es nun so, wie es eben ist. Du bist du, und ich bin ich. Das Uns, das gibt es nicht mehr. Jedenfalls nicht so, wie es mal war.

Mit dem Ex kann/darf/will man nicht befreundet sein, sagen viele in meinem Umfeld. Ich fand die Vorstellung aber immer komisch, dass ein Mensch, der jahrelang der wichtigste in meinem Leben war, der wohl mehr über mich weiss, mich näher kennt als jeder andere Mensch, der meine guten Seiten geliebt und meine schlechten (fast alle) akzeptiert hat, dass dieser Mensch nach einer Trennung nicht mehr Teil meines Lebens sein sollte. Gestrichen – aus dem gemeinsamen Terminkalender, der gemeinsamen Haftpflichtversicherung, den gemeinsamen Plänen. Auf WhatsApp blockiert, aus dem Leben gelöscht. Obwohl seine Nummer für immer in mein Gedächtnis eingebrannt ist. Genauso wie Festnetznummer und Adresse seiner Eltern, der Geburtstag seines Bruders und seiner Schwester, seine Schuh- und, so klischiert es auch tönt, seine Hosengrösse, obschon ich oft nur schon bei meiner eigenen Hosengrösse überfragt bin. All das vergessen? Geht doch gar nicht.

Vielleicht wäre es einfacher, gäbe es dieses allumfassende Bild dieses Menschen nicht. Das Gefühl, all seine Gedanken antizipieren zu können und sie auch vollumfänglich zu verstehen, zu wissen, worin sie gründen. Wenn all das Wissen und die Vertrautheit nicht wären, würde ich vielleicht gar nicht mit ihm befreundet sein wollen. Will ich aber. Ich will ihn weiterhin in meinem Leben haben, auch wenn das manche nicht verstehen. Einfach nicht mehr als meinen Partner. Dafür fehlt etwas Wichtiges, das Grundlegendste, das eine Beziehung ausmacht: romantische Gefühle, rosarote Brillen, Verliebtheit, Liebe. Auch wenn die platonisch noch da ist. Ich will also weiterhin die lustigen, spannenden und inspirierenden Gespräche mit ihm führen. Weiterhin mit ihm tanzen und lachen, ihn wegen seiner Talente loben und ihn aufziehen, wenn eine seiner Macken zum Vorschein kommt. Eine, die nur Ich sofort durchschaue. Weil ich ihn so gut kenne. Wie er mich kennt. Wie kein anderer uns kennt. Vielleicht ist er nämlich einfach mehr als nur mein Ex, so wie er auch während unserer Beziehung schon mehr war als nur mein Partner. Er war mein bester Freund, Arbeitskollege, Trinkbruder, Liebhaber … Und manches davon, finde ich, sollte er noch immer sein dürfen. Nur eben nicht alles.

Trennungen gibt es zuhauf. Täglich, stündlich, wahrscheinlich minütlich zerbrechen überall Beziehungen, und dennoch ist jede Trennung einzigartig – was eine Pauschallösung für die richtige Trennung schon mal per se ausschliesst. «Ich will dich eigentlich gar nicht hassen», sagte er einmal zu mir, als auch er realisierte, dass er mich als Menschen eigentlich immer noch mochte, obschon ihm sein Umfeld eintrichterte, dass er das nicht sollte. «Dann machs einfach nicht», antwortete ich ihm. «Aber es tut weh», erwiderte er. Und er hatte recht. Denn kann eine Trennung überhaupt ohne Schmerz, ohne Enttäuschung, ohne Wut vonstatten gehen? Ohne zurückbleibende Narben? Kann man ein Konstrukt, das über so lange Zeit tragendes Element eines noch so jungen Lebens war, einfach zerstören? Ein Element, das mehr als ein Viertel eines Lebens nachhaltig prägte? Kann man sich überhaupt richtig trennen? Ich glaube nicht, nein. Und trotz all dem Schmerz kann das Gefühl bleiben, dass man einen Menschen, der eben auch so viel Freude in ein Leben brachte, nicht einfach ausklammern möchte – auch wenn andere das Gegenteil behaupten. 

Ja, vielleicht können das nicht alle. Und vielleicht kann man gewisse Dinge, die zu einer Trennung führen, einfach nicht verzeihen – oder erst, wenn viel Zeit vergangen ist. Vielleicht wäre es aber in vielen Fällen einfach besser damit Frieden zu schliessen. Was passiert ist, ist passiert. Vermutlich geht das auch bei mir nicht immer so gut wie momentan, ein Jahr nach der Trennung. Vielleicht geht es irgendwann gar nicht mehr. Für den Moment ist es aber nur schon schön, dass wir es beide versuchen, dass wir diese Freundschaft beide wollen. Dass wir im Jetzt bleiben und nicht an der Vergangenheit, verpassten Chancen und verletzten Gefühlen herumnagen. Und nicht einer Zukunft nachtrauern, die hätte sein können, einer Vorstellung von ihm als dem schrumpligen Mann an meiner schrumpligen Seite. Für den Moment bin ich froh, dass wir die Dinge so nehmen – pragmatisch, realistisch, ehrlich – wie sie grad sind. Und das Beste draus machen.