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Atemtherapeut erklärt: Warum Lachen gegen Stress hilft

Atemtherapeut erklärt: Warum Lachen gegen Stress hilft

Was passiert, wenn man beim Lachtelefon anruft? Wir haben es ausprobiert – und Leichtigkeit gefunden. Lachtrainer und Atemtherapeut Christian Hablützel erklärt uns ausserdem, warum Lachen die beste Atemübung ist und wie man damit optimal Stress bekämpfen kann.

Lachtelefon (Christian Hablützel): Hallihallo, da ist das Lachtelefon, guten Morgen.
annabelle: Hallo. Ich möchte herausfinden, was das Lachtelefon ist. Und natürlich würde ich gern lachen.

Fangen wir doch mit dem Lachen an. Haben Sie das schon einmal mitgemacht?
Nein, noch nie.

Okay, wir nehmen uns zwei bis drei Minuten Zeit. Ich erzähle Ihnen keine Witze, weil ich Ihren Humor nicht kenne und wir vielleicht nicht dieselben Pointen lustig finden. Darum lachen wir einfach.

Einfach so? Wie soll das gehen?
Wir nehmen dazu eine Atemtechnik. Wir atmen tief ein, halten die Luft an. Und beim Ausatmen lachen wir – und stecken uns gegenseitig an.

(gemeinsames Einatmen)

Hahahahahahaha.

Hahahaha.

Hohohoho, hahahaha, hehehehe.

Ich habe keine Luft mehr. Aber tatsächlich: Es war fast nicht möglich, nicht auch zu lachen.
Das liegt unter anderem an den Spiegelneuronen im Gehirn. Hören oder sehen wir andere Menschen lachen, löst das bei uns den Wunsch aus, ebenfalls zu lachen. So funktioniert diese Übung.

Welche Leute rufen denn beim Lachtelefon an, einsame Menschen, die sozialen Kontakt suchen und zum Lachen gebracht werden wollen?
Beim Lachtelefon geht’s explizit ums Lachen, eine tiefere Betreuung der Anrufer:innen ist nicht vorgesehen. Wenn Leute Hilfe benötigen, verweisen wir auf Dienste wie die Dargebotene Hand. Ich persönlich habe einen therapeutischen Hintergrund und könnte da schon weitergehen. Aber das ist nicht der Sinn.

Mögen Sie mir sagen, wer Sie sind?
Ich bin Christian Hablützel und unter anderem Lachtrainer und Atemtherapeut.

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"In einer Phase, in der du nicht so genau weisst, wer du bist, ist Lachen eine gute Variante"

Was suchen denn die Menschen, die beim Lachtelefon anrufen?
Das ist unterschiedlich. Ursprünglich entwickelt wurde das ehrenamtlich betriebene Lachtelefon in Deutschland von einer Gruppe von Lachyogis, um gemeinsam die Lachmuskeln zu trainieren. Während der Pandemie wollte man diese positive Ressource allen Menschen zugänglich machen. Heute nutzen auch viele Leute in der Pflege in Altersheimen und Spitälern unseren Dienst, um ihren Patient:innen ein bisschen Leichtigkeit zu schenken. Nach dem österreichischen kam erst dieses Jahr auch das Schweizer Lachtelefon hinzu.

Wie viele Leute rufen täglich an?
Uns erreichen am Tag bis zu 5000 Anrufe, die wenigsten davon können wir entgegennehmen. Die meisten werden auf ein Band umgeleitet, wo man dieselbe Anleitung erhält, wie ich sie Ihnen vorhin gegeben habe und einem dann ein Lachen entgegenschallt. Gut also, dass Sie uns vorab kontaktiert haben, ansonsten wären Sie wohl auch da gelandet. Heute rufen aber insbesondere viele Kinder und Jugendliche an.

Das überrascht mich.
Ja, wir haben auch nicht damit gerechnet. Aber über die Social-Media-App TikTok sind Videos von Anrufen beim Lachtelefon viral gegangen. Jeder zweite Anruf kommt inzwischen von einer jungen Person. Ich finde das super.

Weshalb?
Es ist ein Zielpublikum, das man mit dem Thema ansonsten kaum erreicht. Ich finde es schön, dass wir damit die Möglichkeit erhalten, ihren Fokus auf das Positive zu lenken. In einer Phase, in der du nicht so genau weisst, wer du bist und die Welt wohl auch für viele aus den Fugen scheint, ist Lachen eine gute Variante.

Was kann es denn bewirken?
Lachen ändert vielleicht nicht die Welt, aber es verändert unsere Haltung zu ihr. Durch Lachen werden Glückshormone ausgeschüttet, es kommen positive Gefühle auf. Und es lindert Ängste. Bereits die Vorstellung davon, dass etwas lustig ist, senkt den bei Stress erhöhten Cortisol-Spiegel um 40 Prozent. Und wenn man tatsächlich lacht, senkt er sich fast ganz ab.

Ich habe das vorhin selbst bei mir registriert, wie ich mich nach unserem Lachintro sogleich ein bisschen unbeschwerter gefühlt habe.
Ja, und es ist vielen Menschen nicht klar, dass man diese Leichtigkeit über bewusst herbeigeführtes Lachen selbst herstellen kann. Viele lernen heute Atemtechniken, die beruhigen und entspannen. Aber als Atemtherapeut versuche ich inzwischen vor allem mit den Menschen zu lachen. Es ist die beste Atemübung, die ich kenne.

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"Mit Lachen kannst du schnell auf Stress Einfluss nehmen und den Körper in einen anderen Zustand bringen"

Warum ist Lachen so eine gute Atemübung?
Sie wirkt viel schneller. Weil gestresste Menschen oft nur oberflächlich atmen, will man ja mit einer vertieften Atmung allgemein einen stärkeren Gasaustausch im Körper auslösen, damit mehr Sauerstoff an die inneren Organe gelangt, was eine entspannende Wirkung hat. Beim Lachen erhöhst du diesen Gasaustausch durch die Schwingung des Zwerchfells, die durch das Stakkato des «Haha» entsteht, aufs Vierfache. Mit Lachen kannst du schnell auf Stress Einfluss nehmen und den Körper in einen anderen Zustand bringen, dem der Geist folgen kann.

Sie sagen, die Wirkung eines bewussten Lachtrainings sei den meisten Leuten nicht bewusst. Weshalb nicht, was ist Ihre Theorie?
Die Gründe sind sicher divers. Einen davon erkenne ich darin, dass Lachyoga oder in einer Gruppe grundlos zu lachen, für viele ungewohnt oder exzentrisch wirkt. Auch weil man auf YouTube unter dem Begriff Lachyoga nicht selten hysterisch lachende Menschen findet, die klatschen und schreien. Ohne die Hintergründe zu kennen, hätte ich früher auch gedacht: Um Himmels willen! Wir haben es bisher nicht geschafft, das gemeinsame Lachen aus dieser Ecke zu holen.

Könnte es auch daran liegen, dass das Lachen nicht nur einen guten Ruf hat? Gerade in intellektuellen Kreisen gilt Ernsthaftigkeit als schick, Lachen schnell als oberflächlich, als Instrument von jenen, denen geistige Tiefe fehlt.
Ja, ich kenne das schon auch, dass man dem Lachen die Seriosität abspricht. Mir wurde etwa geraten, meine lachtherapeutischen Tätigkeiten nicht auf dieselbe Website zu nehmen, wie meine anderen therapeutischen Angebote. Es hiess, man nehme mich dann doch nicht ernst. Ich glaube, womit besonders geistig orientierte Menschen Mühe haben, ist der Umstand, dass man beim Lachen Kontrolle abgibt. Wenn man lacht, kann man für einen kurzen Moment nichts denken. Es ist ein Moment der Enthemmung, man zeigt sich und macht sich damit auch verletzlich.

Wie viel lachen Sie eigentlich selbst am Tag?
Ich zähle es nicht, aber überdurchschnittlich viel. Ich mache jedoch inzwischen nicht mehr jeden Morgen Lachübungen, wie ich das früher jahrelang gemacht habe. Wenn man die Lachmuskeln erst mal aufgebaut hat und nutzt, kommt das Lachen auch schneller und ganz natürlich in die Gänge.

Wo sitzen denn die Lachmuskeln?
Die meisten in der Atem- und Bauchmuskulatur und im Gesicht. Werden sie in Bewegung gebracht, führt das zu einer inneren Massage, die dann körpereigene Opiate aktiviert, welche die Stimmung aufhellen und körperliche und psychische Entspannung fördert. Beim Weinen passiert dasselbe. Darum fühlt man sich nicht nur nach einem Lachanfall, sondern auch nach einem Weinanfall besser.

Haben Sie eine Empfehlung, die Sie uns als Lachtrainer und Lachtelefonist mitgeben können, bevor ich die Leitung wieder für andere Anrufer:innen freigebe?
Fragen Sie sich, was Sie vielleicht zu ernst in Ihrem Leben nehmen und was Sie tun könnten, um mehr Leichtigkeit zu finden. Machen Sie es sich zur Gewohnheit, sich selbst jeden Tag im Spiegel ein Lächeln oder Lachen zu schenken. Und wichtig: Trainieren Sie Ihre Lachmuskeln täglich fünf Minuten. Nach einem Monat mit geölten Lachmuskeln lachen Sie ganz automatisch mehr im Alltag.

 

Christian Hablützel ist unter anderem Atemtherapeut, Lachtrainer und Inhaber der Firma Lachdichgesund in Zürich. Beim Lachtelefon arbeitet er ehrenamtlich.

Die aktuelle annabelle-Spezialausgabe zum Thema Humor findet ihr jetzt am Kiosk oder im Abo.

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