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Leitner lamentiert: Von der lästigen Frage, «was im Dating geht»

Leitner lamentiert: Von der lästigen Frage, «was im Dating geht»

Das Leben löst eine Lawine an Gefühlen aus. Grund genug für Lifestyle Editor Linda Leitner, um in ihrer Kolumne laufend ganz liebevoll zu lamentieren. Weil: Irgendwas is immer. Heute: Warum ist es für andere so enttäuschend, wenn man ums Verrecken keinen Crush vorweisen kann?

«Was gibts Neues?» werde ich oft gefragt. Ich erzähle dann so dies und das. Wo ich mich herumgetrieben habe und dass ich jetzt eine Kolumne habe, was sensationell ist, weil ich das immer wollte. Das Gegenüber freut sich meist mit mir, aber ist trotzdem noch nicht ganz zufrieden: «Und wie läufts im Dating?», die Augen in glasiger Vorfreude. «Mach ich nicht», sage ich, «bin zu gut drauf gerade.» «Schade» sagt keiner, denkt aber vermutlich fast jeder.

«Wer ist gerade dein Crush?», brüllt eine bis in die Haarspitzen euphorisierte und vielleicht auch leicht angetrunkene Person an einem Dinner. «Habe keinen», sage ich. Die Person mit den hoffnungsvollen Haaren kompensiert die Enttäuschung am Strohhalm, findet das «lame» und erzählt von ihrem. Kurz bin ich irritiert: Oops, Erwartungen nicht erfüllt. Wo Crush hernehmen? Gehöre ich nicht dazu? Um Himmels Willen, hab ich mich nicht genug angestrengt, suche ich nicht sorgfältig genug?

Life Update – Note: Ungenügend

Ich suche gar nicht. Aktiv. Was angenehm ist. Dennoch steht man als partnerlose Person ständig in der Bringschuld, die vermeintlich unvollständige Situation neutralisieren zu müssen: Wenn man schon niemanden richtig gut findet, dann könnte man als altes Zirkuspferd doch wenigstens eine herrliche Absurdität aus dem sonst so prall gefüllten Kuriositäten-Hut zaubern. 

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"Bei Menschen in Beziehungen erkundigt man sich ja auch nicht jedes Mal, was mit dem Partner geht"

Wer nicht datet, hat nichts zu erzählen. Ist das noch Smalltalk oder schon Lechzen nach Gossip? Ein soziales Update, in dem romantisches Interesse als Gradmesser für ein gelungenes Leben mitschwingt? Ich will niemandem das ehrliche Interesse absprechen, aber bei Menschen in unfrischen Beziehungen erkundigt man sich ja auch nicht jedes Mal, was mit dem Partner geht.

Läuft ja, denkt man. Dieser Partner hat einen schliesslich fein säuberlich aufgeräumt, aus der messy Single Zone mitgenommen in einen nicht mehr fieberhaft zu analysierenden Raum. Mein Fehler – vielleicht sollte ich da genauso oft nachfragen. Aber: Wenn nichts geht, schwebt man offenbar halbtot in einem luftleeren Raum. Und wer sollte das wollen? 

Alle doch eigentlich. Man jammert in einer Tour, «zu busy» zu sein. Man bräuchte mehr Ruhe, mehr Matcha, weniger Kaffee, weniger am Handy daddeln. Ist das nicht reine Koketterie? Keine Zeit haben und viel um die Ohren – letzten Endes gibt man damit gerne an.

Drum kommt vielleicht auch Nicht-Begehren nicht in die Tüte. Heute, wo der kaum aushaltbare Leerlauf jederzeit durch einen strammen Swipe weggeknutscht werden kann. Hält man sich damit dezent zurück, schlägt einem schnell ein modriger Hauch Mitleid entgegen – dabei gilt Selfcare doch längst als heiliger Wellness-Gral und beste Entschuldigung für sowieso alles. Entscheidet euch mal!

Keiner piekst Löcher in die eigene Vollkommenheit

Und: Ist denn nur cool, wer jemand anderes cool findet? Was, wenn man sich mal einfach selbst am coolsten finden möchte? Ohne sich von der Couch aus online von fremden Männern bewerten zu lassen und sich aber dafür ausschliesslich an Menschen zu erfreuen, die einem exakt das geben, was man braucht? Ich persönlich will einfach nur kurz meine Ruhe. Ich liefere irgendwann wieder, das verspreche ich: Irgendeiner, der mich wenig interessiert, aber trotzdem verletzt, findet sich im Fall der Fälle immer. 

Manchmal muss ich an meine erste Liebe denken. Das war schön. Aber fast schöner war es, herauszufinden, wie befreiend das Leben ohne sie war. Zu entdecken, dass intensive amouröse Gefühle nicht immer notwendig sind. Dass einer, der wegen dir laut über Stockwerke hinweg heult, nicht unbedingt leidenschaftlich ist, sondern vielleicht einfach spinnt. Wer leicht entflammbar ist, wird es geniessen, wenn statt eines emotionalen Flächenbrands mal etwas Sinn gestiftet wird.

Boys will be Boys

Man könnte jetzt enttäuscht seufzen: Schade, dass viele Frauen ihren Wert und ein aufregendes Leben immer noch von männlicher Bestätigung abhängig machen. Aber Überraschung, letztens traf ich Jungs, mit denen ich in den frühen Zwanzigern exzessiv durch verrauchte Wohnzimmer tanzte; oft fiel danach jemand die Treppe runter oder schlief darauf ein. Jetzt, schon länger nicht mehr Zwanzig, ergossen sich Lebens-Updates über mich. Es ging wenig um Arbeit oder Freizeit, viel um Frau. 

Ich lauschte und nickte interessiert, bis ich dran war: «Und was geht bei dir?». Die Antwort «Wenig» wurde erst als Tiefstapelei abgetan, dann arrangierte man sich mit meiner Entscheidung anhand eines sorgenvollen «Und damit gehts dir gut?» – um sichweiter an den tollen Frauen abzuarbeiten, zu denen man sich nicht so recht committen konnte. Eine von ihnen habe einen komischen Zahn, hiess es, man habe aber klar kommuniziert. Selten war ich glücklicher darüber, dass bei mir nichts geht.

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Esther

Ich würde so gerne mal verheiratete Menschen fragen: “Und, seid ihr immer noch zusammen?” als Gegensatz zu: “Und, immer no Single?”