
Michelle Hunziker: "Ich lasse mich nie wieder manipulieren!"
Für die meisten ist sie einfach die fröhliche Schönheit an der Seite älterer TV-Moderatoren. Doch was steckt wirklich hinter Michelle Hunzikers erstaunlicher Karriere? Ein Gespräch über grosse Shows, Erziehung und Feminismus.
- Von: Jacqueline Krause-Blouin
- Bild: Patricia Grabowicz
Es gibt Menschen, die nennt man Sonnenschein. Sie strahlen, lachen, schäkern mit Fremden, anscheinend mühelos. Die anderen umkreisen sie. Michelle Hunziker ist so eine Lichtgestalt. Wenn sie einen Raum betritt, scheinen die Menschen zur Seite zu treten. Alle Blicke konzentrieren sich auf Hunziker. In Basel, auf der wichtigsten Kunstmesse der Welt, dreht sich jede:r nach ihr um. Sie ist als Botschafterin von Schweiz Tourismus engagiert, soll in der Kulturstadt Basel die Werbetrommel rühren für ihr Heimatland.
Sie hält diese Aufmerksamkeit nicht nur geduldig und höflich aus. Es scheint ihr vielmehr tatsächlich Spass zu machen, von hunderten Fremden dabei beobachtet zu werden, wie sie sich Kunst ansieht. Flink läuft sie durch die Hallen, in Highheels versteht sich, ansonsten ist sie zurückhaltend gestylt in ihrem beigen Hosenanzug, die Haare zu einem strengen Dutt gebunden. Immer auf ihren Spuren: Ihr sehr tätowierter Social Media Manager.
Ja, Michelle Hunziker ist zwar ein Starlet der alten Schule, aber durch und durch mit der Zeit gegangen. Bekannt wurde sie als Schönheit und «Frau von», gleichzeitig startete sie selbst eine Karriere, die seit dreissig Jahren anhält. Mittlerweile ist sie auch Influencerin und Geschäftsfrau: 2018 gründete sie in Italien den überaus erfolgreichen Beautybrand Goovi, der jüngst nach Deutschland expandierte. Goovi steht für «Good Vibes». Das Gesicht der Marke? Hunziker selbst natürlich.
Eine Cartoonente der deutschen Künstlerin Cosima von Bonin fällt ihr ins Auge. «Das bin ich! Die müde Ente», sagt sie und lacht schallend. Es fallen einem wirklich zahlreiche Beschreibungen zu Michelle Hunziker ein, aber «müde» ist keine davon.
Später im Basler Kunstmuseum zittert der italienische Hauswart vor Aufregung, als er «La Hunziker» sieht, und kann sein Glück kaum fassen, als sie ihm die Hand reicht. Dann kommt sie ins Schwärmen für die alten Meister. Und Meisterinnen. Ein Selbstporträt von Catarina van Hemessen von 1548 hat es ihr besonders angetan. «Che bellezza, che bellezza», ruft sie begeistert aus – eigentlich zu allem – und strahlt, wie eine Sonnengöttin es eben tun muss.
Hunziker hat eine Karriere, die man ohne Weiteres als beachtlich bezeichnen kann: Mit 19 startete sie als Model in Mailand, der Durchbruch kam mit einer Lingeriekampagne, die sie über Nacht bekannt machte. Angeblich sorgten ihre Kurven für Autounfälle auf den Strassen Italiens. Bald folgten Moderationsjobs im italienischen und deutschen Fernsehen, unter anderem bei «Wetten, dass …?» an der Seite von Thomas Gottschalk und «Deutschland sucht den Superstar». In Italien wurde sie mit Sendungen wie «Striscia la Notizia» zur festen Grösse im Showgeschäft. Beim diesjährigen Eurovision Song Contest, ausgetragen in Basel, schauten 166 Millionen TV-Zuschauer:innen in 37 Ländern Hunziker zu. Trotz dieser Erfolge wurde sie oft unterschätzt. Als der sexy Sidekick der alten weissen Männer im Fernsehen abgestempelt, als junge Ehefrau von Eros Ramazzotti, als Frohnatur mit nicht besonders viel Tiefgang, aber umso tieferem Ausschnitt. Es war eine Zeit, in der Sexismus im Fernsehen noch dazugehörte wie die Haribo-Werbung.
Hunziker selbst störte das nie, wie sie später im Interview sagt. Für eine Frau sei es sogar gut, wenn sie unterschätzt würde – weil sie dann zeigen könne, was wirklich in ihr steckt. Ja, der Feminismus der Michelle Hunziker ist so eine Sache. In Interviews sagt sie schon mal Sätze wie: «Wir Frauen wissen ganz genau, wenn wir uns für Familie – Mann und Kinder – entscheiden und dazu auch unseren Job nicht aufgeben wollen, dann dürfen wir nicht klagen. Dann braucht es einfach auch mehr Engagement.»
Sie betont, dass man als Feministin durchaus auch Frau sein dürfe. Als Zuhörende kann man in solchen Momenten das Gefühl bekommen, kurz in den späten Neunzigerjahren zwischengelandet zu sein, weil ihre Frauenpower-Sprüche nach Poesiealbum klingen («Wenn Frauen an einem Strick ziehen, sind sie stärker als alle Männer.»). Sie tue viel für die Frauen und sie «stehe auch für Frauen», sagt Hunziker immer wieder, ohne genau zu erklären, was damit eigentlich gemeint ist.
Was sich klar sagen lässt: 2007 gründete sie in Italien die Stiftung Doppia Difesa, um Frauen zu helfen, die Gewalt oder Missbrauch erlebt haben. Trotz vorübergehender Kritik an mangelnder Organisation unterstützt die Stiftung laut Hunziker jährlich rund 2000 Frauen. Auch sie selbst wurde Opfer von Missbrauch: Mit Anfang zwanzig geriet die Moderatorin in die Fänge der Sekte Krieger des Lichts. Sie musste den Kontakt zu Familie und Freund:innen abbrechen, sich strikt vegan ernähren («Pizza war ein Konzentrat dämonischer Kräfte»), durfte keinen Alkohol trinken, keinen Sex haben und wurde psychisch und finanziell kontrolliert. Nach rund fünf Jahren gelang ihr der Ausstieg, nachdem ihr ihr verstorbener Vater im Traum erschienen war. In ihrer Autobiografie schrieb sie später: «Ich habe geglaubt, dass es ausserhalb dieses Zirkels für mich nichts mehr gäbe, dass ich krank werden und sterben würde.»
Heute ist Michelle Hunziker der Boss in ihrem Leben. Beobachtet man sie, wie sie auf der Art Basel durch Menschenmengen gleitet, ihr Engagement als Botschafterin für Basel Tourismus erfüllt, gleichzeitig Content für ihre Social -Media -Kanäle produziert, für Fotos dieses Magazins posiert und Hände schüttelt, ergibt sich ein Fazit: Diese Frau ist Mastermind und Artdirector ihrer eigenen Marke. Dreifache Mutter ist sie ebenfalls – und seit knapp zwei Jahren Grossmutter. Sie ist 48 Jahre alt.
annabelle: Michelle Hunziker, Sie sind das erste Mal auf der Art Basel. Dabei haben die «alten Meister» – also TV-Kollegen wie etwa Thomas Gottschalk – Sie auch während Ihrer Karriere im Fernsehen begleitet. Wie blicken Sie auf die Zeit zurück, in der Sie als «sexy Sidekick» unterschätzt wurden?
Michelle Hunziker: Ich habe nie ein Problem damit gehabt, war immer davon überzeugt, dass ein Duo stärker ist als eine Person allein. Und ich habe viel gelernt von meinen Bühnenpartnern. Ich finde es völlig legitim, dass man mir anfangs wenig zugetraut hat. Es sieht vielleicht leicht aus, aber es ist verdammt schwer, eine Sendung zu tragen. Deswegen kann ich absolut nachvollziehen, dass man einer Zwanzigjährigen keine eigene TV-Show gibt.
"Ich werde melancholisch, wenn ich über die goldenen Zeiten des Fernsehens nachdenke"
Vermissen Sie das goldene Zeitalter der grossen Samstagabendshows?
Ja, diese alte Eleganz fehlt mir. Ich werde auch melancholisch, wenn ich über die goldenen Zeiten des Fernsehens nachdenke – so eine Kunst! Man singt, tanzt, unterhält das Publikum. Das ist meine Welt; das, was ich immer so geliebt habe. Für das lineare Fernsehen ist es schwierig geworden: Durch Pay TV und Social Media ist das Publikum überall ein bisschen. Man konsumiert nur noch Teile einer Show auf Instagram oder Youtube. Das hat die klassische Samstagabendshow zerstört. Man kann sich dagegen stellen und lamentieren, aber dann wird man abgehängt.
Sie sind mittlerweile selbst Teil von Social Media, betätigen sich als Influencerin, haben fast sechs Millionen Follower:innen auf Instagram.
Mein Social Media Manager begleitet mich auf Schritt und Tritt, das gehört halt mittlerweile dazu. Im Entertainment muss man sich immer wieder neu erfinden, sonst muss man die Branche wechseln. Man darf sich nicht hinsetzen und Dingen nachtrauern – dann wird man alt. Der Eurovision Song Contest ist eine der letzten glamourösen Abendshows, die man gemeinsam schaut.
Wie blicken Sie hier in Basel mit etwas Abstand auf das Ereignis zurück?
Es war eine fantastische Erfahrung in dieser einzigartigen Stadt, die mich auch nach 28 Jahren TV noch überrascht hat. Diese Show ist so eine grosse Maschine – und sie läuft wie geschmiert, jedes kleinste Rädchen. Alles wurde vier Mal von A bis Z vor Publikum und im Kostüm geprobt. Es wurde absolut nichts dem Zufall überlassen. Und das hat man der Show angesehen.
Wie politisch soll oder darf so ein Event sein?
Künstler:innen und Athlet:innen sollten nicht politisch instrumentalisiert werden. Trotzdem wird alles politisiert. Es ist unfair, den Menschen, die in diesem Moment singen und alles geben, einen politischen Stempel aufzudrücken. Sie sind kreative Menschen und nicht die Regierung.
Viele schienen überrascht, dass die Show von drei Frauen moderiert wurde.
Ich fand es etwas befremdlich, dass das so eine grosse Sache war. Hazel Brugger, Sandra Studer und ich sind komplett unterschiedlich, wir haben ganz andere Karrieren, in verschiedenen Ländern, aber wir hatten die gleiche Vision. Das ist immer das Erfolgsrezept bei einer Moderation: das Menschliche muss stimmen. Und wenn Frauen an einem Strick ziehen, sind sie stärker als alle Männer.
"Man darf sich nicht hinsetzen und Dingen nachtrauern – dann wird man alt"
Hatten Sie früher Mentorinnen, die Sie unterstützt haben?
Nein. Schon als kleines Kind hatte ich grosse Probleme mit anderen Mädchen. Sie mochten mich nicht, was mich traurig gemacht hat. Ich wurde nicht von ihnen akzeptiert, war eine Outsiderin. Bis ich zwölf war, trug ich immer kurze Haare und habe nur mit Jungs gespielt. Sie waren unkomplizierter als die Mädchen, akzeptierten mich. Trotzdem wurde es später zu meiner Mission, die Frauen zu erobern.
Wie meinen Sie das?
Ich habe verstanden, dass die Männer automatisch dazukommen, wenn mich die Frauen sympathisch finden und zusammen mit ihrer Familie meine Sendungen sehen wollen. Jetzt bin ich glücklich, dass ich in Italien besonders bei Frauen beliebt bin.
Wie beobachten Sie das bei Ihren Töchtern? Ist Anderssein mittlerweile cool?
Wenn du anders bist, wenn du nicht so bist, wie die Mode es verlangt, bist du out. Für Kinder und leider auch für Erwachsene ist es immer noch schwierig, Andersartigkeit zu akzeptieren. Alles, was anders ist, macht Angst. Und das ist ein Fokus meiner Erziehung: Meine Kinder sind in jeder Hinsicht tolerant und flexibel im Denken. Ich möchte, dass sie alles sind, nur nicht konformistisch. Wenn sie etwas sehen, was sie nicht kennen, lehnen sie es nicht ab, sondern möchten mehr darüber wissen. Individualität ist cool und interessant.
Sie sagen, dass Sie gegen Ihre Eltern rebelliert haben, indem Sie Ihr Haar lang haben wachsen lassen. Normalerweise schneidet man dafür die Haare ab, oder?
Ja, mein Papa fand mein Gesichtchen so süss mit dem Kurzhaarschnitt. Er hat mich sehr geliebt, ich ihn auch, deshalb habe ich immer wieder zugestimmt. (lacht) Er sagte dann immer zu meiner Mutter: «Ich gehe kurz zum Friseur und nehme die Kleine mit.» Und Mama sagte: «Na gut, aber lass ihr nicht wieder die Haare schneiden!» Jedes Mal kam ich wieder mit der Kurzhaarfrisur nachhause. Erst mit zwölf habe ich gesagt: «So Papa, jetzt ist Schluss!» Ich liess mir meine Haare wachsen und entdeckte langsam meine Weiblichkeit.
Ihre blonden langen Haare wurden später zu Ihrem Markenzeichen.
25 Jahre habe ich meine Haare lang getragen und habe mich, ehrlich gesagt, auch ein wenig hinter ihnen versteckt. Eines Morgens bin ich aufgewacht und habe sie mir abschneiden lassen. Es war eine riesengrosse Erleichterung. Und plötzlich war ich viel selbstbewusster. Jahrzehntelang habe ich mich immer für andere aufgeopfert, jetzt sollte es auch einmal um mich gehen. Es ist vielleicht ein Klischee, aber das Äussere ist oft eine Konsequenz des Inneren.
Sie haben mit 19 Ihre erste Tochter bekommen und dann fast zwanzig Jahre später noch einmal zwei Töchter. Waren Sie Ihrer ersten Tochter Aurora eine andere Mutter als Ihren jüngeren Kindern?
Oh ja, komplett anders. Mit 19 war ich viel strenger und hatte sehr viele Regeln. Ich bin davon überzeugt, dass sich Kinder durch Grenzen geliebt fühlen. Sie denken zwar, sie mögen sie nicht, aber eigentlich fühlen sie sich wohl darin. Und je öfter man Nein sagt, desto besser ist es für sie. Mit meinen beiden jüngeren Töchtern war ich bis dato zu nachsichtig, wenn ich es mir recht überlege. Ich muss wieder strenger werden! (lacht) Gerade jetzt, wo sie in die Pubertät kommen.
Ihre Tochter Aurora ist vor zwei Jahren selbst Mutter geworden. Sie würde Ihnen in Ihren Erziehungsansichten vermutlich widersprechen, oder?
Ja, Aurora ist eine ganz andere Mutter als ich. Sie ist eine fantastische, moderne Mutter, ich mache ihr viele Komplimente für ihre Erziehung. Die jungen Mütter heute haben ein ganz anderes Wissen als wir damals. Sie haben viel mehr Zugang zu wissenschaftlich basierten Tipps rund um Erziehungsfragen, sie tauschen sich offener mit anderen Eltern aus. Ich habe mehr mit Instinkt und Herz erzogen, weniger mit der Wissenschaft im Rücken. Elternsein ist der schwerste Job der Welt. Da tut es dem Herzen gut, wenn einem die eigene Mama auch mal auf die Schulter klopft. Heute gibt es auch weniger Tabus, früher hätte man zum Beispiel nie über Psychotherapie gesprochen. Dabei ist Selbstanalyse alles im Leben, gerade für Eltern.
Wie hat sich Ihr Feminismus mit den Jahren verändert?
Ich glaube, dass ich am Anfang meiner Karriere gedacht habe, dass ich mich in manchen Situationen so vermeintlich stark wie ein Mann verhalten muss, um weiterzukommen. Und ich habe angenommen, dass ich das Weibliche in mir unterdrücken sollte. Ich habe mit der Zeit verstanden, dass es überhaupt kein Problem ist, feminin und glamourös und trotzdem eine Feministin zu sein. Echte Emanzipation ist, wenn eine Frau entscheiden darf, was sie mit ihrem Leben und ihrem Körper macht. Feminismus fordert nichts anderes als gleiche Rechte für alle. Die Gesellschaft arbeitet noch an dem Verständnis, dass sexy nicht gleichbedeutend ist mit dumm. (lacht)
"In Italien wurde ich schon viel früher ernst genommen als in Deutschland oder der Schweiz"
Das Klischee der halbnackten Frauen im italienischen TV hält sich hartnäckig. Wie beurteilen Sie diesbezüglich die Veränderungen in den letzten Jahren?
In der Medienbranche haben wir ganz grosse Schritte gemacht, in Italien haben wir mittlerweile viel mehr Moderatorinnen im Fernsehen. Wer das nicht sieht, hängt wirklich noch in den Achtzigern fest. Italien bringt so viel mehr mit als diese Klischees, deshalb möchte ich darauf auch nicht weiter eingehen. Ich selbst habe diesem Image sowieso nie entsprochen. In Italien wurde ich schon viel früher ernst genommen als etwa in Deutschland und der Schweiz. Ich habe dort politische Satire gemacht, in Deutschland hingegen stand ich lange vor allem für die ganz grosse Glamourshow.
Finden Sie es zu eindimensional betrachtet, dass Sie überall als Sonnenschein wahrgenommen werden?Nein, es ist nun mal die Wahrheit. Selbstverständlich bin ich auch mal traurig, aber ich habe es immer als meine Rolle verstanden, Menschen zu unterhalten und ihnen das Leben etwas leichter zu machen. Ich bin Entertainerin und muss die Leute nicht mit meinen privaten Problemen belasten. Und das fällt mir leicht, weil ich eine Frohnatur bin. Ich habe schon als Kind gelernt, dass das Leben für niemanden einfach ist. Man macht es aber nicht besser, wenn man negativ eingestellt ist. Ich gehe abends dankbar ins Bett und kann gar nicht glauben, wie schön das Leben ist.
War es eine bewusste Entscheidung, die rosarote Brille aufzusetzen?
Nein, so bin ich eben. Vor der Kamera und zuhause. Mein Vater war auch so. Ich bin zum Beispiel auch nie wütend. Eher werde ich traurig, wenn mich etwa jemand hintergeht, was leider schon zu oft vorgekommen ist. Dann tut es mir leid und ich weine, aber danach mache ich weiter. Das ist ein Rezept für ein glückliches Leben, glauben Sie mir. Leute, die immer meckern und sich über alles beklagen, werden schnell alt und bitter.
"Ich bin Entertainerin und muss die Leute nicht mit meinen privaten Problemen belasten"
Gibt es auch eine zynische Seite an Ihnen?
Nein, leider nicht.
Wieso leider?
Ich stelle mir vor, dass man vielleicht mehr Spass im Leben hat, wenn man über Sachen lachen kann, die für einen selbst der Horror sind. Ich hätte gerne ein wenig schwarzen Humor, aber ich bin einfach ein sehr gutgläubiger Mensch, egal wie oft ich enttäuscht werde, das geht einfach nicht weg. (lacht) Ich sehe die dunkle Seite an anderen Menschen nicht. Aber was mir sicher nicht mehr passieren wird in diesem Leben, ist, dass ich manipuliert werde. Ich habe meine Lektionen gelernt.
Sie glauben nach wie vor an die Liebe?
Ja, ich bin eine hoffnungslose Romantikerin. Liebe gehört zum Leben. Ich glaube niemandem, der sagt, er oder sie brauche keine Liebe und keine Beziehung. Ohne Liebe ist man weniger lebendig.
Würden Sie sagen, dass viele Menschen in der Unterhaltungsbranche Applaus mit Liebe verwechseln?
Ja, sehr viele. Viele sind in diesem Business, weil sie privat nicht genug Liebe erfahren haben. Wenn du dich selbst nicht liebst und eine innere Gelassenheit findest, kann es sehr schwierig werden im Showgeschäft. Es ist eine falsche Annahme, dass Applaus eine Lücke im Herzen füllen kann.
Im Interview ist Michelle Hunziker freundlich, aufgeschlossen, perfekt. Sie ist ein Profi auf ganzer Linie – und bleibt einem fern, trotz ihrer strahlenden Art. Oder vielleicht gerade deswegen. Wie könnte es auch anders sein? Die Boulevardpresse ist stets auf der Jagd nach der nächsten Headline, in Italien leben einige Paparazzi mehrheitlich von Bildern von Michelle Hunziker. Gerade soll sie verliebt in den italienischen Milliardär Nino Tronchetti Provera sein. Ein Kussfoto von ihr und einem neuen Mann soll etwa 50 000 Euro einbringen. Kürzlich hat sich Michelle Hunziker mit ihrer Tochter Aurora ein Tattoo stechen lachen. «Liebe ohne Leiden», ein Udo-Jürgens-Zitat, prangt nun auf ihrem Schulterblatt.
Sie habe die Paparazzi im Griff, sagt man über Hunziker. Sie trinke mit ihnen schon mal einen Espresso. Und wenn ein langjähriger Kollege wie Thomas Gottschalk öffentlich kundtut, dass er die letzte Sendung «Wetten, dass …» lieber ohne sie moderieren wolle («Ich brauche keine junge, blonde Frau an meiner Seite»), kontert Hunziker charmant, aber bestimmt («Mein Thomas, charmant wie immer! Bis auf die letzten Meter. Danke für das Jung und Blond! Mittlerweile bin ich ja schon Oma.»).
Die Frage bleibt, ob es feministisch ist, wenn man «die Männer im Griff» hat. Wenn man weiss, dass man gerade die Schlauere ist, aber die Spiele des Patriarchats trotzdem mitspielt. Wenn man sexistische Sprüche vor laufender Kamera mit Humor abtut. Ob das reicht, um als Frau respektiert zu werden? Ihr Lachen geht einem noch lange nach – und dennoch fällt es uns offenbar schwer, sogenannte Frohnaturen ernst zu nehmen. Besonders die weiblichen. Als wäre Fröhlichkeit automatisch mit Oberflächlichkeit gleichzusetzen. Michelle Hunziker ist womöglich komplexer, als sie selbst sagt. Und ganz offensichtlich hat sie sich für die helle Seite des Lebens entschieden. Sie ist eine Sonne, zweifellos. Nicht greifbar, aber blendend.