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GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy:

GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy: "Die Bekämpfung der geschlechtsspezifischen Gewalt ist eine Aufgabe der nationalen Sicherheit"

Rund 500'000 Menschen protestierten gegen die Ablehnung zusätzlicher Mittel zur Prävention von Gewalt an Frauen. Im Interview fordert GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy jetzt ein nationales Gesetz zur Gewaltbekämpfung in der Schweiz.

annabelle: Letzte Woche lehnte es der Nationalrat haarscharf ab, das Budget für die Bekämpfung von Gewalt an Frauen um eine Million auf vier Millionen zu erhöhen – und löste damit ungeheure Empörung aus: 500'000 Menschen unterschrieben den Appell der SP: «Jetzt Frauenleben retten!» Vergangenen Montag hat der Nationalrat nachgebessert: Er hiess diese zusätzliche Million gut. Haben Sie diesen Ausgang erwartet?
Kathrin Bertschy: Ich hatte das erwartet. Es war ja denkbar knapp in der ersten Runde im Nationalrat, nach dem der Ständerat diese Mittel bereits erhöhen wollte. Es ist erfreulich, dass es mit dieser Million geklappt hat. Trotzdem bleibt ein bitterer Nachgeschmack, da nicht bereits in der ersten Runde erkannt wurde, dass diese Mittel notwendig sind.

Also, kann man nun zufrieden sagen: Gewonnen?
Jein, denn es ist meines Erachtens nicht der entscheidende Punkt. Das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann erhält nun eine Million mehr für Projekte zur Gewaltprävention. Und ja, diese Gelder werden sehr sinnvoll eingesetzt: Es werden Projekte von Kantonen oder privaten Trägerschaften unterstützt, beispielsweise Schulworkshops für Jugendliche zu Gewalt in Familie und Paarbeziehung, und viele weitere.

Im Prinzip sind dies aber wie Tropfen auf den heissen Stein.
Die Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt ist in der Schweiz absolut unzureichend – daran ändert auch diese eine Million nichts. Und das ist der entscheidende Punkt: Es ist ein föderaler Flickenteppich von Massnahmen, uneinheitlichen Standards, zu geringen finanziellen Mitteln auf Kantonsebene. Und das, weil der Bund eine Kernaufgabe des Staates – den Schutz körperlicher Unversehrtheit – an die Kantone und an private Organisationen delegiert. Dieses Vorgehen ist schlicht nicht geeignet, innere Sicherheit und wirksame Gewaltprävention sicherzustellen.

Dabei ist der Handlungsbedarf gross: Stand heute gab es allein in diesem Jahr 28 Femizide.
Und dazu kommt noch das Leid all jener Frauen, die einen Tötungsversuch überlebt haben. Fakt ist: 80 Prozent der Frauen, die in unserem Land getötet werden, werden von ihrem Ehemann, ihrem Partner, von ihrem Ex-Partner ermordet. Wir haben pro Jahr 20'000 Polizeimeldungen wegen häuslicher, sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt. In 50 Prozent der Fälle sind Kinder involviert. Die Problematik ist erdrückend.

Vor diesem Hintergrund erscheint der Kampf um jene zusätzliche Million vor allem als ein symbolischer Akt: Den Frauen geht es um die Priorisierung der geschlechtsspezifischen Gewalt, um Sichtbarkeit. Der Nationalrat schien sich dieser Symbolik nicht oder zu wenig bewusst gewesen zu sein, als er die Million ablehnte.
Im Vorfeld hatte es noch andere Abstimmungen gegeben. So konnte das Budget für die nationale Präventionskampagne von Bundesrätin Elisabeth Baume Schneider aufgestockt werden. Zudem wurden die Beiträge für Familienorganisationen erhöht – sie leisten auch wichtige gleichstellungspolitische Arbeit – und zwei zusätzliche Millionen für eine Medienkompetenzkampagne im Jugendschutz gesprochen. Grundsätzlich wurden in diesem Bereich also mehr Gelder bereitgestellt. Das ändert aber leider nichts daran, dass das Budget, das aktuell in die Gleichstellung und die Gewaltprävention investiert wird, in keinem Verhältnis zum eigentlichen Bedarf und der Problematik steht.

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"Der Schutz der körperlichen Unversehrtheit ist eine Staatsaufgabe. Dem werden wir nicht gerecht"

Was wiederum zeigt, dass Gewalt an Frauen keine Priorität zu haben scheint. Dieser Eindruck wurde auch dadurch verstärkt, dass die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats erst wenige Wochen zuvor gefordert hatte, dass Armeeangehörige Taschenmunition wieder mit nach Hause nehmen können. Dies, nachdem die Munition 2007 eingezogen worden war, da es damals immer wieder Femizide und Suizide mit Ordonnanzwaffen gab.
Das war ein unbedarfter Schnellschuss aus der Kommission und wurde zum Glück im Ständerat rechtzeitig erkannt. Die Verfügbarkeit von Waffen mit Munition zuhause erhöht das Risiko für Suizide und Femizide und schwächt die Sicherheit der Frauen und Kinder zuhause, wir sollten keinesfalls dorthin zurück. Die Frauenorganisationen haben diese Motion bekämpft, sämtliche Ständerätinnen haben sie abgelehnt. Dass so ein Rückschritt aber unüberlegt aus der Kommission kommt, zeigt doch auch, wie gering das Problembewusstsein teilweise noch ist, und dass der Bund in der Prävention dieser Gewalt eine Verantwortung hat.

Wie meinen Sie das?
Der Schutz der körperlichen Unversehrtheit ist Bundesverfassungsartikel und, wie gesagt, eine klassische Staatsaufgabe. Im Artikel 10, Absatz 2 der Bundesverfassung steht: «Jeder Mensch hat das Recht auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit.» Dem werden wir nicht gerecht. Insbesondere Frauen sind nicht vor Gewalt geschützt, das verdeutlichen die erschütternden Zahlen. Und auch die Bewegungsfreiheit gilt nicht: Es sind meist die gewaltbetroffenen Personen, die sich einschränken, den Aufenthaltsort ändern müssen. Die sich in ständiger Gefahr fühlen, weil angeordnete Schutzmassnahmen nicht verlässlich überwacht werden. Ältere Frauen, die von Gewalt betroffen sind, werden von Spitälern oft ins Altersheim verlegt, statt dass der gewaltausübende Ehemann weggewiesen wird, so dass die Frauen in ihr Zuhause zurückkehren können. Das ist kein Gewaltschutz, das ist ein Täterschutz. Und wiederum ein Flickenteppich.

Das heisst?
Schutz vor Gewalt und Hilfe nach Gewalterfahrungen hängen vom Aufenthaltskanton ab, von der Sensibilisierung und Prioritätenordnung der Regierungsrät:innen, kantonalen Parlamente und Ämter. Das wird dem Anliegen in keiner Weise gerecht.

Für die Ansiedelung der Gewaltprävention auf kantonaler und kommunalen Ebene spricht, dass die Behörden und Institutionen so näher an den Menschen sind. Was sagen Sie dazu?
Natürlich kann und soll ein Teil der Umsetzung in Kantonen und Gemeinden erfolgen. Aber es braucht mehr: Wir brauchen ein nationales Rahmengesetz, das verbindlich festlegt, wie Frauen und Kinder wirksam vor Gewalt geschützt werden.

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"Stellen Sie sich vor, wir würden erwarten, dass private Trägerschaften Mittel für das Militär 'fundraisen'"

Sie fordern ein nationales Gesetz zur Gewaltprävention. Wie genau soll das ausgestaltet sein?
Es definiert, was geschlechtsspezifische Gewalt ist. Es muss Ausbildungsstandards der Polizei, Standards für Gewaltmedizin, Kontakt- und Rayonverbote für die elektronische Überwachung oder Täterarbeit festlegen. Wir brauchen eine einheitliche nationale Datenerhebung, ein Risiko-Beurteilungssystem und Täterkategorisierungen, damit gewaltausübende Personen elektronisch überwacht und potentielle Opfer wirksam geschützt werden können. Eine klare Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen, und eine Mitfinanzierung des Bundes.

Die Schweiz hat 2018 die Istanbul-Konvention, das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt, ratifiziert. Das ist zwar spät im internationalen Vergleich. Trotzdem: Reicht dieses Engagement nicht aus?
Die Istanbul-Konvention verpflichtet zum Schutz vor jeglicher Gewalt an Frauen. Aber sie ist ungenügend gesetzlich verankert, meines Erachtens fehlt dieses übergeordnete Rahmengesetz. Es ist unzureichend, die Arbeit an die 26 Kantone zu delegieren, ohne klare Mindeststandards festzulegen und die Finanzierung zu sprechen. Der Europarat kritisiert die Schweiz für die Unterfinanzierung der Frauenhäuser und den Mangel an Plätzen, häufig müssen Frauen abgewiesen werden. Viele Frauenhäuser existieren nur dank privaten Trägerschaften, dank Unterstützung von Stiftungen und Hilfswerken, oft benötigen sie Eigenmittel zur Finanzierung. Das ist doch absurd. Stellen Sie sich vor, wir würden das Militär, die Landesverteidigung, an die Kantone und private Trägerschaften delegieren und von letzteren erwarten, dass sie noch private Mittel «fundraisen».

Menschen in der Schweiz sind grundsätzlich durch das Strafgesetzbuch geschützt. Warum braucht es da ein zusätzliches Gewaltschutzgesetz?
Weil es darum geht, gewaltbetroffene Personen zu schützen, und nicht nur darum, die gewaltausübenden Personen nach einer Tat zu bestrafen. Das braucht es natürlich auch. Aber wir wollen vermeiden, dass es überhaupt zu diesen schrecklichen Taten kommt, verhindern, dass weitere Frauen getötet werden.

Inwiefern wäre das Opferhilfegesetz dafür anwendbar?
Dieses regelt Einzelfälle und die Entschädigung der Opfer, auch in vielen anderen Sachverhalten, beispielsweise einem Raubüberfall. Das Opferhilfegesetz ist nicht geeignet für strukturelle, andauernde Gewalt in Paarbeziehungen. Denn hier geht es nicht um eine Entschädigung der Opfer, sondern in erster Linie um den Schutz vor Gewalt.

"In Spanien gilt, dass sich die Gewaltausübenden einschränken müssen und nicht die Betroffenen"

Das spanische Parlament hat 2004 einstimmig ein Gesetz zum Schutz von Frauen vor geschlechtsspezifischer Gewalt verabschiedet. Es gilt als das bisher progressivste in Europa. Die Zuständigkeit dafür liegt bei einem eigenen Ministerium. Was könnte sich die Schweiz davon abschauen?
Sehr viel! Spanien ist ja, wie die Schweiz, ein föderalistischer Staat mit eigenständigen Regionen, geht aber im Gegensatz zu uns sehr entschlossen und koordiniert vor: Spanien hat mit dem Ley Orgánica, einem eigenen Gesetz, bereits vor zwanzig Jahren der Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt höchste Priorität zugemessen. Dieses Gesetz definiert geschlechtsspezifische Gewalt als jegliche Form von physischer, psychischer, sexueller oder wirtschaftlicher Gewalt, die von Männern gegen Frauen ausgeübt wird, mit denen sie in einer partnerschaftlichen Beziehung stehen oder standen.

Wie wird wirtschaftliche Gewalt definiert?
Wirtschaftliche Gewalt bedeutet etwa, Macht oder Kontrolle auszuüben, der Partnerin den Lohn wegzunehmen oder eine finanzielle Abhängigkeit auszunutzen. Spanien hat eine fallweise Betreuung für Betroffene, also immer dieselben Kontaktpersonen, Täterprogramme, verbindliche Ausbildungsprogramme für Polizei und separate Gerichtskammern mit spezialisierten Richter:innen. Zudem ist die Sensibilisierung geschlechtsspezifische Gewalt ein fester Teil des Lernplans an Schulen. So lernen Kinder beispielsweise, dass es nicht okay ist, das Handy der Freundin zu kontrollieren und sie zu überwachen. Und ganz wichtig: In Spanien gilt, dass sich die Gewaltausübenden einschränken müssen und nicht die Betroffenen.

Das heisst konkret?
Gewalttäter werden elektronisch über Armbänder von der Polizei überwacht. Auch die Frau trägt ein Armband. Besteht ein Rayonverbot, also ein Annährungsverbot, wird sofort Alarm ausgelöst, wenn sich die beiden zu nahekommen. Sie werden umgehend kontaktiert. Die Frau wird nach ihren Plänen gefragt. Vielleicht will sie in eine Sportstunde in der Nähe seines Aufenthaltsorts, und er befindet sich im Homeoffice. Er erhält dann die Anweisung, für diese Zeit zu Hause zu bleiben. Auf diese Weise gelingt es, Betroffene wirksam zu schützen und ihnen zugleich die grösstmögliche Bewegungsfreiheit zu ermöglichen.

Obwohl Spanien oft als Land mit stark verankerten traditionellen Geschlechterrollen wahrgenommen wird, hat es ein sehr progressives Gesetz eingeführt. Wie kommt das?
Spanien hat in den letzten zwanzig Jahren einen grossen kultureller Wandel vollzogen. Es herrscht Null-Toleranz gegenüber geschlechtsspezifischer Gewalt. Wenn ein Femizid passiert, steht das ganze Land still. Es gibt öffentliche Schweigeminuten. Das ist eine neue gesellschaftliche Haltung. Eine solche wünsche ich mir auch für die Schweiz. Die nationale Präventionskampagne der Bundesrätin ist super. Es braucht aber mehr als Information und Sensibilisierung, es muss eine neue Normalität eintreten, eine Nulltoleranz.

"Gewalt auf Ausländer abzuschieben, ist ein Ablenkungsmanöver"

Die Prävention von sexualisierter und häuslicher Gewalt steht seit Jahren auf der Agenda der kantonalen wie nationalen Politik. Fortschritte sind erzielt worden, etwa die Einführung des neues Sexualstrafrechts, das auf dem Grundsatz «Nein heisst Nein» basiert. Trotzdem mahlen die Mühlen langsam. Warum?
Das politische System der Schweiz ist nicht für seine Schnelligkeit bekannt. Dazu kommt der Föderalismus. Mit der Umsetzung der Massnahmen zum Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt sind die Kantone betraut. Es ist verzettelt, und die Finanzierung ist instabil. Teilweise wird sexualisierte und häusliche Gewalt immer noch als Frauenanliegen und Privatsache abgetan. Aber es ist es nicht. Man muss diese Thematik, wie es Spanien tut, als gesamtgesellschaftliches Anliegen auf die nationale Ebene bringen.

Die meisten Tatpersonen sind männlich. Müssten sich Männer nicht grundsätzlich viel mehr mit Männergewalt auseinandersetzen? Auch in der Prävention, in der Mentalitätsfrage, in der Frage, was es heisst, ein Mann zu sein?
Doch, natürlich. Es ist eine Frage der Kultur, des Umgangs, die unsere ganze Gesellschaft angeht, dass geschlechtsspezifische Gewalt nicht toleriert wird. Dass Männer ihr eigenes Verhalten reflektieren und ihre Kollegen mit deren Verhalten konfrontieren.

Vor allem von Seiten der SVP ist oft zu hören, man müsste bei der Prävention von geschlechtsspezifischer Gewalt bei der Migration ansetzen. Häusliche und sexualisierte Gewalt seien allen voran in der Ausländerkriminalität zu verorten. Was sagen Sie dazu?
Selbst wenn nur Schweizer:innen in der Schweiz leben würden, hätten wir immer noch geschlechtsspezifische Gewalt, und sie wäre immer noch Männergewalt. Es ist ein Problem, das durch sämtliche Gesellschaftsschichten hindurchgeht. Sie auf Ausländer abzuschieben, ist ein Ablenkungsmanöver. Männer mit Migrationshintergrund sind in der Kriminalstatistik überrepräsentiert, die Gründe hierfür sind aber komplexer, massgeblich sind etwa sozioökonomische Faktoren und mangelnde Integration. Das erfordert gezielte Prävention und Unterstützung und keine pauschale Stigmatisierung.

"Wir zahlen heute den höchstmöglichen Preis: Menschenleben, die hätten gerettet werden können"

Die SP-Frauen wollen eine Volksinitiative gegen Femizide lancieren und fordern vom Bund 500 Millionen zur Sicherung von Ressourcen und Qualitätsstandards für Frauenhäuser, Täterarbeit und Präventionsmassnahmen in der ganzen Schweiz. Werden Sie diese Initiative unterstützen?
Vielleicht geht es auch schneller im Parlament – auf dem direkten Gesetzesweg mit einem nationalen Rahmengesetz. Dann braucht es den Umweg über eine Volksinitiative nicht. Die Ziele der Initiantinnen unterstütze ich aber. Wie viele finanzielle Mittel benötigt werden, finde ich schwieriger abzuschätzen.

Sind 500 Millionen angesichts der Sparbestrebungen des Bundes realistisch?
Es sind die Kantone, die in diesem Bereich den Grossteil der Kosten tragen. Und ja, sie müssen mehr Mittel sprechen, um Frauen wirksam vor Gewalt zu schützen, und dazu verpflichtet werden. Und es braucht auch Bundesmittel dafür. Wir zahlen ja heute den höchstmöglichen Preis: Menschenleben, die hätten gerettet werden können, Einschränkungen der persönlichen Freiheit, Trauma-Arbeit, psychologische Unterstützung, die geleistet werden muss, Kinder, die unter ganz schwierigen Umständen aufwachsen. Darüber hinaus tragen wir auch die Inhaftierungskosten der Gewaltausübenden. Ein Grossteil der geschlechtsspezifischen Gewalt und der Femizide ist vermeidbar, wenn wir diese Gelder in einen wirksamen Gewaltschutz investieren. Angesichts all dessen ist das Kostenargument dann eigentlich keines mehr.

Der Druck von der Strasse, der in den vergangenen Tagen aufgebaut wurde, ist ein Steilpass an die Politik. Wird er die Dinge beschleunigen?
Ja. Die Sensibilisierung von vielen Parlamentarier:innen über die Parteigrenzen hinweg ist bereits seit einiger Zeit sehr gross, eine Mehrheit zu überzeugen, braucht aber Zeit, und dann hilft auch zusätzlicher Druck. Die Frauenorganisationen und Parteisektionen arbeiten seit Jahren daran, Machtungleichheiten und wirtschaftliche Abhängigkeiten, der Nährboden für geschlechtsspezifische Gewalt, zu reduzieren. Beispielsweise, in dem familienexterne Kinderbetreuung erschwinglicher wird mit dem Kita-Gesetz, indem die beidseitige Erwerbstätigkeit mit der Individualbesteuerung gestärkt wird, oder mit der Initiative für eine paritätische Elternzeit, um einseitigen Rollenverteilungen entgegenzuwirken. Die Einsicht, dass im Gewaltschutz Handlungsbedarf besteht, ist dieses Jahr gewachsen, deshalb bin ich zuversichtlich. In der Politik braucht es immer Verbündete, um Mehrheiten zu finden.

Wann wird ein Gesetzentwurf, wie er von Ihnen gefordert wird, vorliegen?
Ich rechne damit, dass bereits im nächsten Jahr ein nationales Gewaltschutzgesetz eingefordert wird, das braucht zuerst eine Mehrheit in beiden Ratskammern und muss dann noch geschrieben und beraten werden. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich der Bundesrat nicht auch Gedanken macht, in eine ähnliche Richtung zu gehen. Das Niveau der geschlechtsspezifischen Gewalt ist schlicht inakzeptabel und der Föderalismus ungeeignet, sie zu bekämpfen. Es ist eine Aufgabe der nationalen Sicherheit.

Kathrin Bertschy ist GLP Nationalrätin und Co-Präsidentin und Mitglied der Geschäftsleitung von alliance f, dem grössten überparteilichen Dachverband Schweizerischer Frauenorganisationen.

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