
Trumps Beauty-Standards: Warum wir uns "Republican Make-up" genauer ansehen müssen
Beim Social-Media-Trend "Republican Make-up" geht es um mehr als Schminke. Unsere Autorin geht der Frage nach, wieso Frauen in Trumps MAGA-Bewegung auf Hyper-Weiblichkeit setzen.
- Von: Annika Brockschmidt
Ein neuer Tiktok- und Instagram-Trend macht die Runde – und empört Republikaner:innen. Unter Hashtags wie "Republican Make-up" machen sich linke und liberale User:innen über den konservativen Look und die (fehlenden) Make-up-Künste weiblicher Trump-Fans lustig.
Gestartet hat den viralen Trend Suzanne Lambert, eine Komikerin, die in ihren Videos aus einer komödiantischen Position des High-School-"Mean Girls" heraus die menschenfeindliche Politik der Republikaner filetiert, und nun also die Optik von Konservativen durch den Kakao zieht.
Wie sieht laut Lambert und Co. ein "Conservative girl"-Make-up aus? Vor allem so, als wäre es aus den frühen 2000ern in die heutige Zeit teleportiert worden: zu dunkle, gelbstichige Foundation, schimmernder Lippenstift mit wacklig aufgetragenem Lipliner, krustige, verklumpte Wimperntusche und aggressive, verschmierte Smokey Eyes.
Lambert imitiert das Make-up der "wunderschönen MAGA-Girlies in ihren Kommentaren" – also Anhängerinnen von Trumps "Make America Great Again"-Bewegung, die sie für ihre Videos attackieren.
Gleichzeitig wird der Trend auch von vielen LGBTQ+-Make-up-Influencer:innen aufgenommen, die sich so auf humoristische Art gegen die Feindmarkierung ihrer Community durch die Trump-Regierung wehren.
Frauenfeindlich, oberflächlich: das sind Reaktionen, die Lambert und andere auf ihre satirischen Videos erhalten. Und tatsächlich mag gerade der erste Instinkt vieler Feminist:innen sein, nicht über das Äussere von Frauen urteilen zu wollen.
Was MAGA unter Weiblichkeit versteht
Doch es ist sinnvoll, hier genauer hinzusehen. Denn es geht nicht um die Analyse des Aussehens einzelner Frauen, sondern um die Betrachtung dessen, was eine politische Bewegung unter Weiblichkeit versteht. Zumal diese Bewegung die Gender Performance der für sie akzeptablen Form von Weiblichkeit so sehr ins Zentrum ihres politischen Messagings stellt.
Denn der Kampf der Rechten um Weiblichkeit und Gender sowie die Frage, wessen Menschlichkeit akzeptiert wird, wird auch auf diesem Feld ausgefochten.
Es ist in der Tat auffällig, dass sich die Frauen, die unter Trump in die prominentesten Positionen der republikanischen Partei und der Regierung vorgerückt sind, extrem ähnlichsehen.
Der "Fox News Look"
Der "konservative Look" wirkte mitunter schon vor Trump uniform – vor allem durch den Einfluss von "Fox News" und einer neuen Generation rechter Republikanerinnen, die dort in den späten Neunzigerjahren Karriere machten.
Moderatorin Laura Ingraham und Kolumnistin Ann Coulter waren nur zwei der Frauen, welche die vorherige Generation der Tweed-Kostüme und matronenhaften Frisuren ablösten, und mit Minijupes, glänzend blonden Haaren und rechten Aussagen von sich reden machten.
Der "Fox News Look" lässt sich so zusammenfassen: schlanke, normschöne Frauen mit sehr, sehr blonden, meist schulterlangen Föhnfrisuren in engen Kleidern in Edelsteinfarben, deren nackte Beine durch die durchsichtigen Tische des Senders gern mit sogenannten "Leg Shots" der Kameras betont wurden.
Der Look war mehr als nur eine ästhetische Entscheidung der Frauen. Die Optik-Vorgaben entsprachen den sexuellen Präferenzen des "Fox"-Chefs Roger Ailes, dessen sexuelle Übergriffe zum Arbeitsalltag gehörten.
Cyborg-artige Performance von Hyper-Femininität
Unter Donald Trump hat sich der Look der wenigen Frauen, welche die aktuelle MAGA-Bewegung in Führungspositionen toleriert, noch einmal verändert.
Über den "Fox News"-Barbie-Look hinaus – sexy, aber züchtig – fordert MAGA von den Politikerinnen und Influencerinnen, denen die Bewegung in bestimmtem Rahmen Macht zugesteht, eine fast Cyborg-artige Performance von Hyper-Femininität.
Die Frauen, die bereit sind, sich diesen optischen Standards zu unterwerfen, ähneln sich auf gespenstische Art und Weise. Von Kimberley Guilfoyle über Kristi Noem bis Lara Trump: dieselben messerscharf gespritzten Wangenknochen, dieselben Lippen, dasselbe harsche Augen-Make-up.
Von der Soccer Mom zum "Mar-a-Lago-Gesicht"
Am deutlichsten sieht man das am Beispiel von Kristi Noem, wie die New York Times aufzeigt. Die frühere Gouverneurin von South Dakota ist heute nicht wiederzuerkennen. Zu Beginn ihrer Karriere erinnerte ihr Look an Sarah Palin: Soccer Mom, Business-Casual-Kleidung, eine Kurzhaarfrisur, die an eine freche Variante von Jennifer Anistons ikonische Rachel-Frisur erinnerte. Das war Kristi Noems Vibe.
Heute trägt sie Mittelscheitel und Extensions, deren sorgfältig gedrehte Locken ihr bis zu den Ellenbogen reichen. Ihre Kleidung changiert von Etuikleidern, die eine Schönheitskönigin tragen würde, bis zu Cosplay-artigen Outfits für einen Militär-Aufzug vor dem Hintergrund von Massendeportationen.
Noem hat mehr verändert als nur ihre Frisur und Kleidung. Sie hat sich auch plastischen Eingriffen unterzogen. Von strahlend weissen Veneers über diverse Filler hat Kristi Noem jetzt das, was Beobachter:innen ein "Mar-a-Lago-Gesicht" nennen. Sie spritzte sich Filler und unterzog sich schönheitschirurgischen Eingriffen und zeigt dies stolz.
Ein körperlicher Zoll, um dazuzugehören
Wie eine Art körperlicher Zoll, der geleistet werden muss, um dazuzugehören. Neben der Bereitwilligkeit, menschenfeindliche Politik zu machen, ist diese ästhetische Angleichung ans Ideal eine Chance, als Frau politisch sichtbar zu sein.
Wer als republikanische Politikerin will, dass Trump ihr Beachtung schenkt, muss offensichtlich seinen Schönheitsstandards entsprechen.
"Wer als republikanische Politikerin will, dass Trump ihr Beachtung schenkt, muss seinen Schönheitsstandards entsprechen"
In Palm Beach berichten Schönheitschirurg:innen sogar, dass das Geschäft boome, weil Frauen, aber auch Männer vor einem Treffen mit Donald Trump plastisches Face-Tuning betreiben wollen, um Trump mit ihren neuen Gesichtern zu beeindrucken.
"Natürliche Weiblichkeit" dank künstlichen Eingriffen
Besonders paradox: Die republikanische Partei hetzt gegen Dragqueens, gegen trans Frauen – weigert sich sogar, diese überhaupt als Frauen anzuerkennen.
Die "natürliche Weiblichkeit", welche die MAGA-Bewegung hingegen hochhält, kann jedoch meist nur durch künstliche Eingriffe und durch konstante, zeit- und kostenaufwändige "Instandhaltungsmassnahmen" erreicht werden: Veneers, Haar-Extensions, Spray Tans, extrem lange falsche Wimpern, Filler.
Diese Cyborg-esque Form von Gender Performance ist in ihrem optischen Exzess teils nicht vom Aufwand zu unterscheiden, den Dragqueens betreiben. Nur werden diese von Republikaner:innen als Pädophile und Groomer beschimpft, als Gefahr für die vermeintlich "biologischen" Standards von Weiblichkeit. Das ist jedoch nichts als ein Deckmantel für menschenfeindliche Hetze.
Dragqueens machen Hyper-Femininität zur überspitzten Performance, feiern eine bestimmte Ausdrucksform von Gender, ohne damit jemanden auszugrenzen. Für MAGA hingegen ist die Performance von Hyper-Weiblichkeit ein Mittel zur Ausgrenzung und Entrechtung anderer.
"Selbst die Frauen, die sich den Schönheitsidealen von MAGA unterwerfen, bekommen immer wieder zu spüren wie begrenzt ihr Machtraum ist"
Die politische Bewegung, die geschlechtsbejahende Gesundheitsversorgung für trans Personen illegal machen will, sprich ihnen keine Operationen ermöglichen will, um ihr Geschlecht anzugleichen, hat kein Problem damit, wenn cis Menschen ihre äussere Erscheinung den MAGA-Schönheitsstandards anpassen. Und das gilt nicht nur für Frauen, sondern zeigt sich auch bei Männern wie Elon Musk mit Haar-Transplantat und Filler oder Botox bei Matt Gaetz.
Doch während plastische Eingriffe für trans Personen Suizidalität und Gender Dysphorie senken können, sind kosmetische Prozeduren für cis Personen lediglich der Preis für ein bestimmtes Schönheitsideal.
Stark begrenzter Machtraum
Das Bittere: Selbst die Frauen, die sich den Schönheitsidealen von MAGA unterwerfen, die öffentlichkeitswirksam Transfeindlichkeit äussern, bekommen immer wieder zu spüren, dass ihr Machtraum in dieser rechtsextremen Bewegung stark begrenzt ist.
Das musste die republikanische Abgeordnete Nancy Mace erfahren, eine der am aggressivsten transfeindlichen Politikerinnen der Partei (optisch übrigens kaum von Kristi Noem zu unterscheiden). Sie berichtete davon, in den Neunzigerjahren die erste weibliche Absolventin einer Militärakademie gewesen zu sein, die bis dahin nur männliche Kadetten zugelassen hatte.
Es dauerte nicht lange, bis einflussreiche männliche Stimmen der amerikanischen Rechten zur Stelle waren, um Mace in ihre Schranken zu weisen, weil sie einen "Männern vorbehaltenen Bereich" beansprucht habe.
Die Botschaft: Bleib ja auf deinem Platz. Wer als Frau Teil von MAGA ist, kann sich noch so sehr einem trumpistischen Make-over unterziehen, noch so sehr gegen Feminismus, queere und trans Menschen hetzen – ihr Raum wird immer dadurch beschränkt sein, dass sie Frauen sind.