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Schlechte Gewohnheiten adieu! Diese Zürcher App hilft dabei

Zeitgeist

Schlechte Gewohnheiten adieu! Diese Zürcher App hilft dabei

Ein Zürcher Start-up will uns die schlechten Gewohnheiten austreiben. Warum und wie das genau funktioniert, erklärt die Neurowissenschafterin Anjali Raja Beharelle.

Rauchen, Naschen, zu wenig Schlaf, zu viel Koffein: Viele Gewohnheiten haben uns und unser Leben fest im Griff. Konkret bestimmen die «automatisierten Abläufe» rund vierzig Prozent unseres Alltags. Dabei unterteilen wir diese Angewohnheiten meist in zwei Kategorien; in «gute» und in «schlechte». So wird eine tägliche Sporteinheit oder das rasche Beantworten von E-Mails generell als «gut» qualifiziert, während Nägelkauen oder Nasenbohren zu den sogenannten «bad habits» zählen.

Auf Dauer bergen schlechte Alltagsroutinen – auch weniger offensichtliche wie etwa der Griff zur Zigarette– vielfach ein erhöhtes Risiko für chronische Erkrankungen. Mit zahlreichen neuen Apps, Angeboten und Ratgebern wird nun auf Prävention gesetzt. Doch wie funktionieren solche Angewohnheiten überhaupt? Wie schaffen wir es, die schlechten loszuwerden – und wo liegt die Grenze zur wahnhaften Selbstoptimierung?

annabelle: Anjali Raja Beharelle, Sie haben sich auf den neurologischen Prozess hinter der kurz- und langfristigen Entscheidungsfindung spezialisiert. Was konnten Sie dabei feststellen?
Anjali Raja Beharelle: Bei kurzfristigen Entscheidungsfindungen – die sich im Belohnungssystem abspielen – wird Dopamin ausgeschüttet. Wir fühlen uns gut und werden dadurch motiviert, dieses Gefühl erneut zu generieren. Langfristige Entscheidungen fallen den Menschen schwerer, da wir uns vorwiegend auf das konzentrieren, was uns im Jetzt zufriedenstellt. Man kann aber erlernen, sich für Mineralwasser statt Limonade zu entscheiden und davon nicht nur langfristig zu profitieren, sondern auch im Moment Glücksgefühle zu empfinden.

Und wie funktioniert das?
Indem man beispielsweise das Trinken von Mineralwasser durch eine Belohnung an eine positive Empfindung koppelt.

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«Wichtig ist, die Verhaltensänderung so leicht wie möglich zu gestalten»

Anjali Raja Beharelle

Was sind denn Gewohnheiten so ganz konkret – und wie entstehen sie?
Eine Gewohnheit ist ein routiniertes und automatisiertes Verhalten. Um dieses zu etablieren, braucht es eine langfristige Denkweise, regelmässiges Ausüben und anfänglich dieses Belohnungsgefühl. Gewohnheiten werden im motorischen System abgespeichert und finden bei Kontakt mit einem Reiz schon fast reflexartig statt. Man denkt nicht, sondern macht einfach – unabhängig von Belohnungen. Da Gewohnheiten extrem «sticky» sind, fällt es uns schwer, sie abzulegen. Im Schnitt dauert es 66 Tage, um ein Verhalten neu zu orientieren.

Wann ist eine Angewohnheit schlecht?
Schlecht ist natürlich eine Definitionssache und stark situationsabhängig. Klar ist: Jede Verhaltensweise bringt über einen längeren Zeitraum Konsequenzen mit sich. Gute Gewohnheiten wirken im ersten Moment eher unbefriedigend, wirken sich langfristig aber positiv aus. Eine schlechte Angewohnheit ist demnach mit negativen Folgen behaftet, welche die kurzfristig positiven Effekte überwiegen. Am Ende könnten Einbussen im Bereich der körperlichen und mentalen Gesundheit, des sozialen Umfelds oder im Beruf resultieren. Und: Das kann schon bei unscheinbaren Dingen der Fall sein.

Zum Beispiel?
Zum Beispiel das Nägelkauen – an sich vermeintlich total harmlos. Doch man vergisst gern, dass dadurch Frakturen an den Zähnen und damit auf lange Sicht hohe Zahnarztkosten entstehen können. Oder dass dadurch Bakterien und Viren günstiger in den Körper gelangen können, was wiederum zu Krankheiten führen kann.

Wie überwindet man solche Angewohnheiten?
Durch Erinnerungen, wiederholte Ausführung des Verhaltens, Belohnung sowie klare Konsequenzen. Wichtig ist ausserdem, die Verhaltensänderung so leicht wie möglich zu gestalten und sich nicht in riesigen Ansprüchen zu verlieren. Auch die Integration des Umfeldes kann als Stütze dienen und zu einer positiven Verhaltensänderung beitragen. Eine weitere Methode ist, sich die eigene Identität als Ziel zu setzen. Sich also zu sagen: «Ich bin eine Person, die joggen geht» – und das dann wirklich so auszuleben.

Was wäre eine mögliche Konsequenz?
Besonders wirkungsvoll sind Methoden, die auf unserer Verlustaversion basieren. Bei unerwünschtem Verhalten wird einem also etwas weggenommen. Das geschieht etwa, indem man Geld an eine gemeinnützige Organisation zahlen muss, die man nicht mag, oder indem einem die ursprünglich in Aussicht gestellte Belohnung reduziert wird.

Fallen Verhaltensänderungen willensstarken Menschen leichter?
Mit Willensstärke hat das nichts zu tun. Personen, die es schaffen, schlechte Angewohnheiten zu überwinden, sind schlicht gut darin, sich ihre Umgebung reizfrei einzurichten. Sie gehen der Versuchung aus dem Weg und verhindern so, alte Verhaltensmuster wieder aufzunehmen.

Immer effizienter, schneller, gesünder, produktiver – laufen wir heutzutage nicht Gefahr, in einen Selbstoptimierungswahn zu verfallen? Wo ist das Limit?
In der Tat wird heute vieles von uns abverlangt. Es ist also nicht Sinn der Sache, zum Übermenschen zu mutieren, das Leben allzu stark einzuschränken und möglicherweise sogar unglücklich zu werden. Wichtig ist, sich im Klaren darüber zu sein, welche Motivation hinter dem Entscheid zur Verhaltensänderung steckt: das eigene Wohlbefinden oder der Druck von aussen? Letzteres sollte sicherlich nicht der Grund sein. Jede Person muss selbstständig abwägen, welche Verhaltensänderungen – wenn überhaupt – sinnvoll oder sinnlos sind.

Anjali Raja Beharelle (42) aus Zürich ist Mitgründerin von «Collabree». Die App ist im App Store und bei Google Play erhältlich und soll helfen, gesunde Gewohnheiten zu etablieren und Therapiepläne einzuhalten.

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