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Schweizer Start-up Tadah: «Die Work-Life Balance ist tot»

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Schweizer Start-up Tadah: «Die Work-Life Balance ist tot»

Das junge Start-Up Tadah hält nichts von der sagenumwobenen Work-Life Balance. Die Gründerinnen des schweizweit ersten Coworking Spaces mit Kinderbetreuung wissen, wie sich Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren lassen.

Im lichtdurchfluteten Grossraumbüro in Zürich herrscht umgeben von üppigen Pflanzen geschäftiges Treiben an den hellen Holztischen. Tadah versteht sich seit 2017 als Plattform für Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Legte das vierköpfige Frauenteam von Tadah seine Erkenntnisse zunächst im gleichnamigen Online-Magazin dar, gründeten sie zwei Jahre später einen Coworking Space: Ein Ort für berufstätige Eltern, an dem sie ungestört arbeiten können, während ihre Kinder unter dem gleichen Dach professionell betreut werden. Die Arbeitsflächen darf natürlich auch nutzen, wer keinen Nachwuchs hat.

Die Zahlen sprechen für sich: Laut dem Wirtschaftsmagazin Forbes wünschen sich 88 Prozent der Generation Y statt einer Work-Life Balance eine Work-Life Integration. Was das genau ist und wie dies in der Praxis aussieht, hat Tadah in einem jüngst veröffentlichten Whitepaper zusammengetragen. Für diesen Leitfaden haben die vier Frauen mit über 50 Firmen gesprochen, darunter die Zürcher Kantonalbank, die SWISS oder die Allianz-Versicherung.

Das Ziel: Herauszufinden, was Vereinbarkeit mit Work-Life Integration zu tun hat und wie Unternehmen diese in ihre Werte einbetten und sie nicht nur authentisch leben, sondern auch entsprechend kommunizieren können. Die Umfragen von Tadah ergaben zudem, dass Arbeitgeber:innen vor allem dann ansprechend wirken, wenn sie ihren Mitarbeitenden flexible Arbeitszeiten gewähren – in Zeiten der kantonal gescheiterten Elternzeit-Initiative wichtiger denn je.

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annabelle: Sie sagen, die Work-Life Balance sei tot. Warum?
Sarah Steiner, Klara Zürcher und Diana Wicki: Das Wort Work-Life Balance erweckt den Eindruck, dass Berufs- und Privatleben friedlich nebeneinander existieren können. Die Realität ist jedoch weitaus komplizierter und nervenaufreibender. Beide Bereiche fliessen ineinander, unsere Arbeit ist Teil unserer freien Zeit und umgekehrt. Es geht also eher um eine «Work-Life Integration». Work-Life Integration ist das Konzept, das es uns ermöglicht, alle Bereiche, die wir als Leben definieren – also nicht nur Beruf und Familie – zu vereinen.

Die abgelehnte Elternzeit-Initiative der SP spricht nicht gerade für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Die zwei Mal 18 Wochen Elternzeit mit Mehrkosten in Millionenhöhe waren wohl vielen zu happig, insbesondere in der Nachpandemie-Zeit und einem Krieg vor der europäischen Haustüre. Wir von Tadah als Vereinbarkeitsplattform sind an einer Lösung auf Bundesebene interessiert – die Initiative hätte für eine zürcherische Insellösung gesorgt.

Flexibilität ist laut Ihrem Whitepaper eine zentrale Voraussetzung für die Work-Life Integration.
Ja. Es wäre viel dynamischer und realitätsnaher, sich seine Arbeitszeiten selbst einzuteilen und nicht fix im Büro, sondern zuhause oder in einem Coworking-Space in der Nähe zu arbeiten. Und heutzutage arbeiten nicht nur Eltern im Teilzeitmodell, sondern auch Twenty-Somethings. Ihnen geht es nicht um die steilste Karriere oder den höchsten Lohn, sondern um sinnstiftende Arbeit und um Zeit. Es ist auch diese Generation, die durch ihre Einstellungen und Bedürfnisse die Firmen am ehesten zum Umdenken anregt.

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«Unsere Arbeit ist Teil unserer Freizeit und umgekehrt»

Tadah

Homeoffice hat sich während der Pandemie etabliert. Befeuerte Corona dem Umstieg auf flexible Arbeitsmodelle?
Die Pandemie hat den Firmen das Messer an den Hals gehalten: Sie wurden in den letzten zwei Jahren gezwungen, bezüglich Vereinbarkeit nach neuen Lösungen zu suchen, dies in einem Tempo, welches wir nicht für möglich gehalten hätten. Viele Arbeitnehmende pendeln zurzeit nicht mehr an den Arbeitsort, nur um E-Mails zu beantworten, sondern dem Austausch mit Arbeitskolleg:innen zuliebe. Das stellt Firmen vor herausfordernde Fragen, etwa dahingehend wie sie das Arbeiten und Arbeitsorte gestalten wollen, um ihre Mitarbeitenden wieder ins Büro zu holen.

Inwiefern profitieren Unternehmen davon, in die Work-Life Integration ihrer Mitarbeitenden zu investieren?
Eine gelebte Work-Life Integration, die zwischen allen Teammitgliedern kommuniziert wird, verbessert das Teamwork und die Kollaboration. Das Engagement und die Einsatzbereitschaft steigen, was sich auf den Erfolg der Firma auswirkt. Ausserdem haben diese Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt einen besseren Ruf und wirken sehr attraktiv auf potenzielle Mitarbeitende. 

Das klingt in der Theorie gut – woran scheitert es in der Praxis?
Es liegt teilweise an sehr festgefahrenen Einstellungen der Führungsetage – oftmals besetzt von einer Generation, die noch an das klassische Rollenbild von Mann und Frau glaubt. Die Work-Life Integration setzt auch vollstes Vertrauen in die Mitarbeitenden voraus. Etwas, das viele Arbeitgeber:innen aufgrund von Kontrollzwang nicht haben. Dabei investieren sie so viel Zeit und Geld in die Rekrutierung, um die Stelle perfekt zu besetzen. Im Austausch mit Unternehmen merkten wir, dass sie durchaus interessiert daran sind, das Thema der Vereinbarkeit anzugehen. Wenn wir sie darum bitten, ihre Massnahmen zusammenzutragen, fehlt aber oft eine Strategie.

Wie kann man als Arbeitnehmer:in für Work-Life Integration einstehen?
Man sollte sein Privatleben nicht verstecken und Transparenz zeigen: Das bedeutet auch, einmal einen Termin nicht wahrzunehmen, wenn das Kind krank ist und nicht ständig flexibel zu sein an den freien Tagen. Es ist aber ein Geben und Nehmen. Man kann als angestellte Person nicht vollumfängliche Flexibilität und Verständnis verlangen, wenn man nicht bereit ist, auch ab und an die Extra-Meile zu gehen.

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