
Wie ist es eigentlich, durch einen Wasserschaden alles zu verlieren?
Möbel, Erinnerungen, das gesamte Hab und Gut – verloren: Ein Wasserschaden verwandelte ihr denkmalgeschütztes Zuhause in eine Schimmelruine. Wie es dazu kam, erzählte uns Digital-Marketing-Spezialistin Nicole Schawalder.
- Von: Samantha Taylor
- Bild: Stocksy
«Hinter uns lag eine zwölfstündige Autofahrt. Wir waren von Frankreich nachhause gereist, wo wir mit unseren fünfjährigen Zwillingen die Herbstferien verbracht hatten. Als ich die Tür zu unserer Wohnung öffnete, schlug mir ein abartiger Gestank entgegen. Modrig und faulig. Bis heute habe ich den Geruch in der Nase. Mein Partner und ich wussten: Das ist nicht gut. Drei Monate vorher hatte uns die Gemeinde mitgeteilt, dass in unserer Umgebung eine Leitung leck sei.
Man habe darum das Wasser abgestellt, vorerst für ein paar Stunden, danach für zwei Wochen. Doch nichts passierte. Kein Wasserunterbruch, keine Reparaturarbeiten. Im August gingen zwei grosse Sträucher in unserem Garten ein. Staunässe, analysierte ein Gärtner. Wir vermuteten, dass das Pflanzensterben mit der defekten Wasserleitung zusammenhing.
Erst recht, nachdem wir erfahren hatten, dass 15 Meter von unserem denkmalgeschützten Haus entfernt pro Stunde 120 Liter in den Boden ausliefen. Wir wandten uns an Gemeinde und Verwaltung, aber das Leck wurde nicht geflickt, wohl aus Budgetgründen. Im Oktober entdeckten wir an einer Wand unseres Wohnzimmers Schimmel.
Die Verwaltung liess ihn überstreichen, stellte im Keller Luftentfeuchter auf. Danach fuhren wir in die Ferien. In unserer Abwesenheit liessen wir weitere Entfeuchter laufen und hofften auf Besserung. Und dann stank es bei unserer Rückkehr nach Zerfall. Die Nacht war ein Albtraum. Die Kinder husteten, meine Augen juckten.
"Kurz vor Weihnachten warfen sieben Männer in Schutzanzügen alles in Mulden. Mein Partner und ich schauten zu und weinten"
Ich wusste: Wir müssen hier raus. Am Morgen fuhr ich mit den Zwillingen nach Oberiberg, wo wir eine Ferienwohnung haben – im Gepäck bloss jene beiden Koffer, die wir in Frankreich dabeigehabt hatten. Fünf Tage später kam ein Experte. Er mass hohe Feuchtigkeit. Danach öffneten Fachleute die Wand im Wohnzimmer. Das Fazit: Totalschaden. Schimmelsporen überall.
Unser Zuhause: unbewohnbar. Alles war befallen – Pflanzen, Möbel, Kinderbücher, Bilder, Holzspielzeug, Kleider, Erinnerungsstücke von Reisen. Nichts davon durften wir mitnehmen. Unser Besitz war auf jene beiden Koffer geschrumpft. Kurz vor Weihnachten warfen sieben Männer in Schutzanzügen alles in Mulden. Mein Partner und ich schauten zu und weinten. Unsere Hausratsversicherung kommt für den Schaden auf – vorerst. Das letzte Wort mit der Gemeinde ist noch nicht gesprochen.
Der materielle Verlust ist ja nur ein Teil der Belastung. Abklärungen, Ortstermine und der Alltag mit Kindern ohne Zuhause hielten uns von der Arbeit ab. Da wir beide selbstständig sind, blieb das Einkommen aus. Hinzu kam die Wohnungssuche. Die ersten Wochen verbrachten wir in Oberiberg und fuhren die Kinder jeden Tag von dort in den Kindergarten, pro Weg fünfzig Minuten mit dem Auto. Im Februar konnten wir zum Glück in ein neues Zuhause in der Nachbargemeinde Horgen einziehen.
Die Sache ist aber nicht abgeschlossen. Es gibt rechtliche Fragen zu klären. Wie es mit der zerstörten Wohnung weitergeht, ist unklar. Ebenso, welche gesundheitlichen Folgen dieses Ereignis noch für uns haben wird.»
Nicole Schawalder (39) ist Digital-Marketing-Spezialistin. Sie lebt mit ihrem Partner und den fünfjährigen Zwillingen in Horgen