
Alla siciliana: 3 sizilianische Rezepte, die Lust auf Sommer machen
Lust auf einen Teller Fernweh? Hier kommen drei Rezepte aus Cettina Vicenzinos Kochbuch "Sizilien in meiner Küche", die nach Sonne schmecken.
- Von: Evelyne Emmisberger
- Bild: DK Verlag/Cettina Vicenzino
Obwohl Sizilien seit 1861 offiziell zu Italien gehört, unterscheidet sich seine Geschichte erheblich von jener des Festlands: die strategisch günstige Lage machte die grösste Mittelmeerinsel schon zu Zeiten der Phönizier zu einem Handelsstützpunkt, im Laufe der Jahrhunderte gaben sich von den Griechen, Römern, Arabern, Normannen, Spaniern bis zu den Habsburgern und Bourbonen die Eroberer quasi die Klinke in die Hand.
Alle hinterliessen ihre Spuren und auf die Zerstörung, die mit jeder Machtübernahme einherging, folgte ein Wiederaufbau. So entstand eine der vielfältigsten Kulturlandschaften Europas – und in den Kochtöpfen eine aromatische Bandbreite sondergleichen.
Davon erzählt dieses Kochbuch in siebzig authentischen Rezepten, aber auch in den Geschichten über die Menschen, über Bäuerinnen, Gastgeberinnen, Produzenten und ihre Erzeugnisse. Eine Seite widmet die in Deutschland aufgewachsene Sizilianerin Cettina Vicenzino der berühmten Pasta alla Norma und der Frage, wie man sie richtig zubereitet – nämlich nicht mit Maccheroni, sondern mit Spaghetti, nicht mit Auberginenwürfeln, sondern mit gebratenen Auberginenscheiben, nicht mit Parmesan, sondern mit dem rezenten Ricotta salata.
Urgestein der sizilianischen Küche
Wir lernen, dass Auberginen so wichtig sind in der sizilianischen Küche, dass man glatt meinen könnte, die Eierfrucht stamme von hier (scusi, aber sie kommt aus Asien). Und dann gibt es beispielsweise gar keine Antipasti, dafür aber Intermezzi und Piatti unici, Zwischengänge und Mahlzeiten mit nur einem Gang.
Kostet die Sauce San Birnardu, ein Umami-Boost aus Sardellen, Schokolade, Orangen und Mandeln, die traditionell zu Caponata gereicht wird, einem weiteren Urgestein der sizilianischen Küche. Oder die Hackfleischbällchen mit Zimt, Rosinen und Pecorino, die in einer ebenso simplen wie wunderbaren Tomatensauce geschmort werden. Von Primi bis Dolci und Bevande: Wenn ihr ebenfalls zu jenen Menschen gehört, die ein Land und seine Leute am liebsten beim Essen kennenlernen, werdet ihr viel Freude an diesem Buch haben.
Primo: Pasta alla Norma
Für 4 Personen
700 g Auberginen, am besten Nera di Palermo oder eine Sorte aus dem eigenen Garten
Grobes Meersalz
1 kg reife, süsse Cherrytomaten
Olivenöl extra vergine, am besten Tonda Iblea
2 rosa Knoblauchzehen, am besten aus Nubia, in dünne Scheiben geschnitten
Meersalz
2 Handvoll Basilikum, die Hälfte grob zerzupft
Peperoncinoflocken
320 g Spaghetti
80 g Ricotta salata oder Ricotta salata infornata, ersatzweise Pecorino siciliano, frisch gerieben
Stielansätze der Auberginen entfernen, Gemüse der Länge nach in 5 bis 7 Millimeter dicke Scheiben schneiden und in einem Sieb jede Lage mit grobem Meersalz bestreuen. Auberginen so 30 Minuten Wasser ziehen lassen. Danach Salz mit den Händen abstreifen. Auberginen trockentupfen, dabei fest andrücken.
Inzwischen Tomaten entstielen, mit heissem Wasser übergiessen, enthaüten und klein schneiden.
In einer grossen Pfanne mit hohem Rand 5 bis 6 Esslöffel Olivenöl erhitzen und Knoblauch darin leicht Farbe annehmen lassen. Dann Tomaten einrühren. Salzen, zerzupftes Basilikum unterrühren, alles mit Peperoncinoflocken würzen und sanft köcheln lassen, bis die Sauce leicht eindickt.
Auberginenscheiben portionsweise in heissem Olivenöl goldgelb anbraten (nicht frittieren!). Auf Küchenpapier entfetten, vier Scheiben mit den Händen in Streifen zerzupfen, dann alles warm beiseitestellen.
In einem grossen Topf reichlich Wasser aufsetzen. Wenn es aufkocht, grobes Meersalz einstreuen und Spaghetti darin al dente kochen. Pasta abgiessen, zurück in den Topf geben und mit Tomatensauce sowie zerzupften Auberginen gut vermischen.
Pasta auf vier tiefe Teller verteilen, frisches Basilikum darüberstreuen. Dazu gebratene ganze Auberginenscheiben sowie frisch geriebenen Ricotta salata reichen.
Entwässern: Heutige Auberginensorten müssen nicht zwingend entwässert werden. Beim Braten wird dann mehr öl verwendet, das jedoch grösstenteils auf dem Küchenpapier zurückbleibt. Um eine echte Norma zuzubereiten, sollte man auf fettärmere Garmethoden wie Grillieren oder Rösten verzichten, denn dann ist es geschmacklich einfach keine Norma mehr.
Meine Tipps:
- Einfach ist manchmal einfach am besten: Die wunderbaren Aromen von Tomaten und Auberginen versetzen direttissimo in Ferienstimmung.
- Der rezente Ricotta salata ist eine Entdeckung – ein Gang zum italienischen Spezialitätengeschäft lohnt sich allein deswegen.
- Auberginen salzen, um sie zu entwässern, dafür bin ich zu faul (übrigens auch fürs Enthäuten der Tomaten). Klar, dass Auberginen unbehandelt beim Braten das Olivenöl aufsaugen wie ein Schwamm. Ich halte es mit Altmeister Gennaro Contaldo: Nicht hektisch Öl nachgiessen, sondern Temperatur reduzieren und die Auberginen so lang sanft braten, bis sie ihre Flüssigkeit und das Öl wieder abgeben.
Secondo: Polpette dolci
Für 4 Personen
Tomatensauce
2 EL Olivenöl extra vergine, etwa Tonda Iblea
1 grosse Zwiebel, klein geschnitten
1 grosse Knoblauchzehe, klein geschnitten
1 geh. EL Strattù (Extrakt aus sonnengetrockneten Tomaten), ersatzweise Tomatenpüree
700 g Tomatenpassata
1 Zimtstange
Meersalz
Schwarzer Pfeffer, frisch gemahlen
Polpette
70 g blanchierte Mandeln
20 g Zucker
100 g Mollica fresca (Krume von altbackenem Brot), grob gehackt
140 ml Milch
480 g Rindshackfleisch
80 g Pecorino siciliano, frisch gerieben
30 g Rosinen
20 g Pinienkerne, plus mehr zum Garnieren
1 1/2 TL gemahlener Zimt
Meersalz
Schwarzer Pfeffer, frisch gemahlen
Peperoncinoflocken
2 Eier (Grösse M)
Olivenöl extra vergine, etwa Tonda Iblea
Einige Oreganoblätter zum Garnieren
Für die Tomatensauce in einer Pfanne Olivenöl erhitzen und Zwiebel mit Knoblauch darin andünsten, ohne dass sie Farbe annehmen. Strattù mit 400 Milliliter warmem Wasser in der Pfanne gut verrühren. Alles 1 Minute köcheln lassen. Dann Passata und Zimtstange einrühren, Sauce mit Salz und Pfeffer abschmecken und etwa 10 Minuten köcheln lassen.
Inzwischen für die Polpette Mandeln und Zucker so im Mixer pürieren, dass die Mandeln noch als kleine Stückchen im Mund spürbar sind. Mollica in Milch einweichen. Mandelmischung und Mollica mit Fleisch, Käse, Rosinen, Pinienkernen und Zimt in einer Schüssel vermengen. Masse salzen und pfeffern, auch mit Peperoncinoflocken würzen. Eier nacheinander untermischen. Die Fleischmasse sollte nicht zu zäh und nicht zu weich sein.
In einer Bratpfanne Olivenöl erhitzen. Aus der Masse mit den Händen 16 Bällchen formen. Polpette im heissen öl rundherum goldbraun anbraten. Bällchen dann in die Tomatensauce setzen und weitere 20 Minuten sanft köcheln lassen. Sollte die Sauce zu sehr eindicken, etwas heisses Wasser angiessen.
Auf vier tiefe Teller jeweils vier Polpette mit Sauce verteilen, mit Oreganoblättchen und einigen Pinienkernen bestreuen. Pfeffer darübermahlen und leicht mit Olivenöl betraüfelt servieren.
Meine Tipps:
- Meine Sammlung grossartiger Rezepte für Hackfleischbällchen ist um ein Highlight grösser: Zimt und Peperoncini, Mandeln und Pecorino, Rosinen und Pinienkerne, was für eine herrliche Kombination!
- Dazu eine Tomatensauce, wie sie einfacher und besser nicht sein könnte. Die Zimtstange bringt einen Hauch Exotik und unterstützt die Tomatenaromen aufs Schönste.
- Mein wichtigster Tipp: Rezept unbedingt aufbewahren.
Piatto unico: Caponata con uova sode e Sarsa di San Birnardu
Für 4 Personen
Sarsa di San Birnardu
120 g blanchierte Mandeln
50 g Mollica secca (Krume von altbackenem Brot), gerieben
6 Sardellenfilets, in öl eingelegt
50–60 g feiner Zucker, alternativ Honig
40–60 ml Olivenöl extra vergine, etwa Tonda Iblea
80–100 ml Orangensaft, frisch gepresst
60–80 ml Apfelessig
70 g Zartbitterschokolade
Caponata
Olivenöl extra vergine
2 Auberginen, in 4–5 cm grosse Stücke geschnitten
1 grosse rote Peperoni, in 4–5 cm grosse Stücke geschnitten
1 grosse Zwiebel, klein geschnitten
2 EL kleine Kapern
1 Handvoll grüne Oliven, entsteint
1 frischer roter Peperoncino, gehackt
1 Stange Staudensellerie, in Stücke geschnitten
400 g reife Tomaten
1 EL Basilikum, gehackt
Meersalz
25–30 g Zucker
125 ml Weissweinessig
8 Eier (Grösse M), hart gekocht und geschält
Für die Sarsa di San Birnardu Mandeln in einer Pfanne ohne Fett leicht anrösten, kurz abkühlen lassen und dann mittelfein hacken.
Mollica ebenfalls in einer Pfanne ohne Fett leicht anrösten und mit den Mandeln in einer Schüssel vermischen.
Sardellenfilets fein hacken und mit Zucker sowie vorerst mit 40 Milliliter Olivenöl und 80 Milliliter Orangensaft sowie der Mandel-Mollica-Mischung gründlich verrühren. Abschliessend nach und nach 60 Milliliter Essig unterrühren.
Schokolade über einem Wasserbad schmelzen, dann unter die Sauce rühren. Die Sauce ist nun für meinen Geschmack fertig. Sie kann aber nach Belieben noch einmal mit Orangensaft, Essig, Zucker und Olivenöl abgeschmeckt werden. Die Sauce sollte die Konsistenz eines Pestos haben.
Die Sauce vor dem Servieren etwa 1 Stunde im Kühlschrank lagern, damit sich die Aromen besser verbinden. Dann lauwarm zu Gemüse oder Fleisch servieren.
Mit Frischhaltefolie bedeckt hält sich diese Sauce etwa 3 Tage im Kühlschrank. Sie passt zu Artischocken, Eiern und Fleisch. Vor dem Servieren über einem Wasserbad leicht erwärmen.
Für die Caponata etwas Olivenöl in einer Pfanne erhitzen. Darin Auberginen und Peperoni nacheinander kräftig anbraten, sodass das Gemüse halb gar ist. Herausnehmen und beiseitestellen.
In einer grossen Pfanne etwas Olivenöl erhitzen und darin Zwiebel mit Kapern, Oliven, Chilistücken und Sellerie anbraten.
Inzwischen Tomaten entstielen und mit heissem Wasser übergiessen. Einige Minuten ziehen lassen und Haut abziehen, Tomaten klein schneiden. Dann in der Pfanne mit der Zwiebel-Sellerie-Mischung leicht einkochen lassen.
Auberginen- und Peperonistücke sowie Basilikum hinzufügen, salzen und köcheln lassen, bis das Gemüse gar ist. Zucker mit Essig vermischen, unterrühren und alles weitere 5 Minuten köcheln lassen. Die Caponata vom Herd nehmen und lauwarm abkühlen lassen.
Caponata auf vier Teller verteilen, jeweils zwei hart gekochte Eier dazulegen und mit Sarsa di San Birnardu servieren. Die Aromen der Caponata entfalten sich am besten, wenn sie am Vortag zubereitet und dann nur noch aufgewärmt und eher lauwarm oder kalt serviert wird.
Meine Tipps:
- Die traditionelle Sarsa di San Birnardu mit ihrer sizilianischen Umami-Interpretation war eine ziemlich intensive kulinarische Erfahrung. Die Menge reicht für eine Grossfamilie, ich empfehle, vorerst mal nur die Hälfte herzustellen.
- Anstelle von Mollica secca habe ich Panko verwendet – das helle japanische Knusper-Paniermehl.
- Die Caponata unbedingt genau so zubereiten, sie ist Sizilien pur, eine Wucht! Das Schälen der Tomaten habe ich mir erspart – und behaupte: ohne nennenswerte Auswirkungen auf das Ergebnis.
- Warum darf nur ein einziger Esslöffel Basilikum mitmachen? Ich habe am Schluss tollkühn fast einen ganzen Bund unter die fertige Caponata gemischt. Lecker.

Cettina Vicenzino: Sizilien in meiner Küche. DK Verlag Dorling Kindersley, Juli 2024, 240 Seiten, ca. 40 Fr.