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Der Berg rief

Stil

Der Berg rief

  • Foto: Conrad Godly

Zu Besuch beim Schweizer Modefotografen Conrad Godly, der sich in seinem Bündner Maiensäss von der Glamourwelt zurückgezogen hat.

Vor sechs Jahren hängte der erfolgreiche Modefotograf Conrad Godly die Kamera an den Nagel und kehrte der Glamourwelt den Rücken. annabelle hat ihn in seinem Maiensäss im Domleschg aufgespürt.

annabelle: Conrad Godly, Sie haben vor sechs Jahren Ihren Job als Modefotograf an den Nagel gehängt und sind nach einer langen Zeit des Pendelns zwischen den Weltmetropolen in Ihren Heimatkanton Graubünden zurückgekehrt – wie kam es dazu?
Conrad Godly: Es musste einfach ein radikaler Bruch in meinem Leben her. Der erste Schritt war, mich von der Modefotografie zu lösen, weil ich gemerkt habe, dass mir diese Tätigkeit nicht mehr entspricht.

Modefotograf gilt landläufig als Traumberuf, was stimmte denn für Sie nicht mehr?
In den 17 Jahren habe ich tatsächlich enorm viele Privilegien genossen, konnte viel reisen, habe spannende Leute getroffen, die ich sonst nie kennen gelernt hätte, und wurde für meine Arbeit auch noch sehr geschätzt. Eigentlich perfekt. Nur war irgendwann der Reiz weg, ich fühlte mich mit einem Mal übersättigt. Und sehnte mich nach den Bergen, nach Ruhe und nach mehr Beständigkeit in meinem Leben.

Klingt sehr nach Heimweh.
Ja, das wars wohl auch. Und dadurch, dass ich ins Bündnerland zurückgekehrt bin, habe ich auch zu meiner alten Leidenschaft, der Malerei, zurückgefunden.

Wie ernst war es mit der Malerei seinerzeit?
Sehr ernst, ich habe die Kunstgewerbeschule und die Malfachklasse in Basel absolviert. Eine gewisse Zeit habe ich mich nach dem Studium auch als bildender Künstler versucht, aber dann kam durch Zufall die Fotografie dazwischen.

Was war das für ein Gefühl, mit 44 alle Brücken hinter sich abzubrechen, in ein kleines Dorf im Bündnerland zu ziehen und sich in einem Atelier an einer Staffelei wiederzufinden?
Ein total schräges. Als ich das erste Mal mit einem Pinsel vor einer Leinwand stand, da habe ich mich gefragt: Was mache ich hier eigentlich? Es war nicht so, dass ich mich gleich total sicher gefühlt hätte in dem, was ich tue. Mir ist bewusst geworden, dass Malerei ein Handwerk ist und es Zeit braucht, um wieder eine gewisse Virtuosität darin zu erlangen. Ich wollte erst an die Öffentlichkeit, wenn ich das Gefühl hatte, der Malerei mit der gleichen Professionalität nachzugehen wie der Fotografie.

Was war denn Ihr erstes Motiv?

Berge. Was eigentlich nahe liegend ist. Ich bin ja nicht nur physisch zu meinen Wurzeln zurückgekehrt.
Sie sind zwar ins Bündnerland zurückgekehrt, wohnen aber in Chur, haben Atelier in Sils im Domleschg und verbringen im Sommer viel Zeit in Ihrem Maiensäss auf Pro Cresta – wo fühlen Sie sich zu Hause?
Das lässt sich nicht an einem Ort festmachen, Graubünden hat einfach alles, was es braucht, damit ich mich aufgehoben fühle. Eine gewisse Urbanität, die ich in Chur wiederfinde, gerade auch durch die Nähe zu Zürich. In Sils erfüllt mich eine Ruhe, die ich zum Arbeiten brauche, und das Maiensäss ist für mich ein Ausgangspunkt für Wanderungen, ein Ort des Rückzugs, an dem ich Stress abbauen kann.

Wenn die Probleme überhand nehmen?
Manchmal schon. Hier oben lösen sich die meisten Unklarheiten und Probleme innerhalb von Stunden in Nichts auf. Aber das Maiensäss ist vor allem auch ein Teil meiner Vergangenheit, in die ich zurückkehre, wann immer ich hierher komme. Mein Grossvater väterlicherseits besass ein Maiensäss, in dem ich viel Zeit verbracht habe: Als Kind mit meiner wanderfreudigen Familie, als Teenie habe ich dort romantische Stunden mit meiner ersten Freundin erlebt und als Student mit meinen Freunden Silvester gefeiert.

Wie sind Sie zu Ihrem eigenen Maiensäss gekommen?

Es gehörte meinem Grossvater mütterlicherseits. Meine Eltern überliessen es mir später als Vorerbe. Traditionellerweise bleibt ein Maiensäss in Familienbesitz.

Nach welchen Kriterien haben Sie den Umbau geplant, was war Ihnen wichtig?
Zunächst einmal hatte ich gar keine konkreten Pläne. Wichtig war mir, den unteren Teil der Hütte, den ich heute als Essraum und Küche nutze, tiefer zu legen – damit ich aufrecht darin stehen kann. Als ich loslegte, packte mich aber plötzlich der Umbaueifer, und es kam eins zum anderen: grössere Fenster, um das Bergpanorama auch in der Hütte auf mich einwirken lassen zu können, ein speziell angefertigter Herd, den ich als Kochgelegenheit und auch als Heizung nutzen kann.

Geht man an die Einrichtung eines Maiensässes eigentlich anders heran als an die einer Stadtwohnung?
Schwer zu sagen, es kommt in beiden Fällen wohl darauf an, dass man eine Vorstellung davon hat, was man will. Mein Motto war «Einfach und schön», authentisch, aber dennoch modern. Einige Dinge habe ich von meinem Grossvater übernommen, wie etwa die Steingutschüsseln oder die Körbe, in denen ich das Holz lagere. Und natürlich die alte Holztruhe aus dem Jahr 1769, an der ich sehr hänge. Das restliche Mobiliar ist ein Mix von Schreinerarbeiten aus einheimischem Holz und Designstücken.

Die Ästhetik der Natur genügt Ihnen nicht ?
Schliesslich will ich meine Augen nicht nur verwöhnen, wenn ich vor der Hütte sitze.
Apropos vor der Hütte sitzen – wie sieht Ihr Leben auf dem Maiensäss aus?
Gemächlich, so viel ist klar. Als Morgenmensch stehe ich sehr früh auf und lasse erst einmal den Hund vor die Tür. Dann hüpfe ich in meinen Brunnen und bin definitiv wach. Nach dem Kaffee erledige ich kleinere Arbeiten wie Holz hacken. Je nach Stimmung oder Jahreszeit gehe ich dann in den Wald, um Pilze oder Beeren zu sammeln, oder ich unternehme eine Wanderung. Neuerdings gehe ich auch auf die Jagd. Daran fasziniert mich nicht so sehr das Erlegen eines Tiers. Sondern das stundenlange Warten und Beobachten in der Natur. Es ist ein unbeschreibliches Erlebnis, wenn dann plötzlich ein Hirsch in seiner ganzen Pracht vor einem steht. Ansonsten lese ich sehr viel. Zeitungen und Magazine, aber auch Romane
von Thomas Bernhard über Dostojewski bis hin zu Krimis von nordischen Autoren.

Das klingt sehr idyllisch, aber auch sehr einsam. Kriegen Sie hier oben nie den Koller?
Ich bin ein Einzelgänger, deshalb halte ich die Einsamkeit hier oben grundsätzlich gut aus. Wenn aber die Hütte tagelang in stockdickem Nebel versinkt, dann gibt es auch für mich Momente, in denen ich genug habe. Weil es dann an der Weite fehlt, die ich an der Berglandschaft so sehr liebe und die mir ein Gefühl von Freiheit vermittelt.

Und was tun Sie dagegen?
Meist verspüre ich dann den dringenden Wunsch, ins Tal zurückzukehren – am besten gleich in die nächste grössere Stadt, dann kann es sein, dass Zürich mein Fluchtpunkt wird.

Die Werke von Conrad J. Godly sind noch bis zum 2. Oktober im Arte Hotel Bregaglia in Promontogno (Bergell) ausgestellt, welches wie geschaffen ist für die Naturgewalt, die von Godlys Bildern ausgeht. Denn der Ausstellungsort versprüht nicht etwa den Glamour eines restaurierten Grandhotels, sondern ist vielmehr ein Hotel, das in seiner Zeit stehen geblieben ist und vor allem durch seine Lage – hoch in den Alpen, aber bereits schon von der Wärme Italiens umschmeichelt – eine besondere Attraktion ist.

www.artehotelbregaglia.ch
www.conradjgodly.com

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