
Fashion Conversations: Das Comeback der Kabelkopfhörer
Schön, schräg, schrecklich? Nicht immer sind sich unsere Modeprofis einig. In "Fashion Conversations" diskutieren unsere stellvertretende Chefredaktorin Leandra Nef und Editor-at-Large Jacqueline Krause-Blouin über Trends und Tabubrüche. Diesmal: das Comeback der Kabelkopfhörer.
- Von: Jacqueline Krause-Blouin, Leandra Nef
- Bilder: Launchmetrics, Sara Merz ; Collage: annabelle
Leandra Nef: Jackie, wir sind uns endlich mal einig!
Jacqueline Krause-Blouin: Unglaublich! Ja, die Kabelkopfhörer sind wieder cool. Also bei mir waren sie offen gestanden gar nie weg, ich hatte sie schon in den Zweitausendern an meinem Discman baumeln. Hast du je AirPods besessen?
Leandra: Habe ich tatsächlich, für ungefähr ein Jahr.
Jacqueline: Lass mich raten, du hast einen verloren?
Leandra: (lacht) Beide! Und dieses Gefühl, wenn ich die Geräuschunterdrückung eingestellt hatte ... ich hab's gehasst. Die hat irgendwas Komisches mit meinem Gehirn gemacht. Obwohl ich natürlich weiss, dass aktuelle Studien kein Problem mit der Strahlung sehen.
Jacqueline: Visuell sind AirPods allerdings durchaus ein Problem. Ich habe sie nie verstanden, weil man damit aussieht wie ein wichtigtuerischer Wall-Street-Gockel, der gerade seine «Assets» verschachert.
Leandra: Ausserdem sieht man nie auf den ersten Blick, ob jemand beschäftigt ist. Wenn ich mal eine introvertierte Minute habe, habe ich lieber Kabel drin, die sagen: «Sprich mich grad nicht an.»
Jacqueline: Wie oft mich meine geliebten Kabelkopfhörer schon vor ungewollten Konversationen geschützt haben ...
Leandra: Und wie gut man damit so tun kann, als würde man Musik hören – um dann heimlich Gespräche mitzuhören.
"Kabelkopfhörer sind wie eine gute Beziehung: ein bisschen verknotet darf es sein"
Jacqueline: Ich liebe es, Trends so lange zu ignorieren, bis sie tot sind und ich rückwirkend als stilfeste Pionierin durchgehe. Aber was steckt dahinter, dass ausgerechnet die coolsten It-Girls wieder mit billigen Kabelkopfhörern herumlaufen?
Leandra: Y2K-Ästhetik-Fantum zum einen. Und vielleicht auch ein wenig Tech-Müdigkeit. Wie wohltuend, dass wir nicht auch noch ans Aufladen der Kopfhörer denken müssen. Eine Sorge weniger!
Jacqueline: Genau — die Rückkehr zur Simplizität. Ich habe das Gefühl, wir sind müde von dieser polierten Perfektion und den immer neuen, glattgebügelten Neuheiten. Vielleicht sind Kabelkopfhörer wie eine gute Beziehung: ein bisschen verknotet darf es sein.
Leandra: Entwirrst du die Kabel immer wieder feinsäuberlich wie ich, Virgo-Ordnungsfanatikerin? Oder lässt du sie im Knäuel in der Handtasche liegen?
Jacqueline: Meine sind immer liebevoll verknotet und das beruhigt mich. Was ich seltsam finde, ist diese Idee, Kabelkopfhörer als Haaraccessoires zu benutzen, hast du Dove Cameron gesehen? Da bin ich raus.
Leandra: Ich find's ja ein bisschen cool. Ist dir das T-Shirt aus AirPods von Anna Molinari aufgefallen? Oder Copernis Discman-Tasche aus der Frühjahrskollektion 2024 – Ha-ben-wol-len!
Jacqueline: Ich bin generell kein Fan solcher vermeintlich spassiger Gimmicks, aber ich verstehe die Message dahinter als Sehnsucht nach Nostalgie. Du benutzt doch auch wieder eine Analogkamera, oder? Ist das der gleiche Vibe für dich?
Leandra: Ja, eine Olympus Mju II. Und zwar schon seit einigen Jahren. Beides Vintage-Tech, beides vermeintlich mühsam, weil es Prozesse verlangsamt; die Kabel muss man erst entwirren, bevor man Musik hören, die Bilder erst entwickeln lassen, bevor man sie sich anschauen kann. Dabei lässt mich vor allem die Analogkamera bewusst innehalten, sie holt mich in den Moment zurück.
"Sie symbolisieren Y2K-Fantum und Tech-Müdigkeit"
Jacqueline: Modisch gesehen ist es doch cool, wenn man auch mit seinem Look zeigt: Ich jage nicht jedem Gadget hinterher – ich weiss auch so, wer ich bin. Und schon Kate Moss hat uns gelehrt, dass der Stilbruch aus teuren Designerteilen plus günstigen Stücken Charakter beweist. Während die simplen kabelgebundenen Kopfhörer von Apple 20 Franken kosten, blättert man für die neuesten AirPods zehnmal so viel hin.
Leandra: Kennst du den Instagram-Account @wireditgirls, auf dem Stilikonen wie Sarah Jessica Parker mit ihren Kabeln zu sehen sind? Iconic!
Jacqueline: Ja, dem folgen rund 20000 Menschen. Steile These, aber ich würde behaupten, dass Menschen mit Kabelkopfhörern den besseren Musikgeschmack haben. Kabelkopfhörer-Kids hören FKA Twigs, AirPod-Menschen Bad Bunny. Übrigens: Hast du zufällig noch einen iPod der ersten Generation in der Schublade? Unausgepackt wäre er jetzt nämlich knapp 30000 Dollar wert.
Leandra: Echt?! *rennt nach Steinhausen und durchsucht ihren Kinderzimmerschrank*