
Fashion Conversations: Sind Handyketten out?
Schön, schräg, schrecklich? Nicht immer sind sich unsere Modeprofis einig. In "Fashion Conversations" diskutieren unsere stellvertretende Chefredaktorin Leandra Nef und Editor-at-Large Jacqueline Krause-Blouin über Trends und Tabubrüche. Diesmal: Handyketten.
- Von: Jacqueline Krause-Blouin, Leandra Nef
- Bild: Stocksy ; Collage: annabelle
Jacqueline Krause-Blouin: Leandra, trägst du heute eigentlich eine Handykette?
Leandra Nef: Nein, so eine trug ich zuletzt vor zwei Jahren – aber gestern hätte ich eine gebraucht.
Jacqueline: Warum?
Leandra: Weil ich bei einem Event war, bei dem ich ganz viele Hände schütteln und gleichzeitig eines dieser hübschen Cocktailgläser mit viel zu dünnem Stiel zwischen meinen Fingern balancieren musste. Da wäre es praktisch gewesen, das Handy nicht auch noch halten zu müssen – weil ready sein muss es ja immer für den Fall, dass irgendwas Aufregendes passiert und dokumentiert werden will. Was ist mit dir?
Jacqueline: Da wären wir genau beim Punkt, bei dem ich unschlüssig bin. So eine Handykette ist verdammt praktisch, gerade als Mutter, die zwei Kindern hinterherrennt. Und deshalb hatte ich in den letzten Jahren auch immer eine um den Hals hängen. Aber ich habe damit aufgehört, weil ich es einfach nicht stilvoll finde. Ausserdem gibt es ja auch noch andere Möglichkeiten, die Hände frei zu haben – das Handy weglegen zum Beispiel! Es fühlt sich manchmal so an, als wäre es ein weiteres Körperteil.
Leandra: Du hast dein Handy bisher immer um den Hals getragen, nicht crossbody, richtig?
"Am schicksten finde ich, wenn man das Handy an einem Armkettchen trägt"
Jacqueline: Ja. Was sagt das über mich aus, ausser, dass ich keinen Kabelsalat möchte, wenn ich mir einen Blazer überziehe? So praktisch sind die Dinger nämlich gar nicht, ich bin ständig irgendwo hängen geblieben.
Leandra: Dass du etwas mehr Stil beweist als jene, die die Kette einmal quer über den Oberkörper tragen, als wärs eine Bauchtasche. Am schicksten finde ich es allerdings, wenn man das Handy an einer Armkette trägt.
Jacqueline: Okay, aber darin sehe ich gar keinen Sinn mehr, das ist ja nicht mal mehr praktisch. Nicht, dass praktisch sein ein unschlagbares Argument wäre, wenn es um Mode geht, aber es ist zumindest das einzige, was mich noch an die Kette legen könnte.
Leandra: Sehr wohl ist das praktisch! Ich halte das Handy dann nicht, es baumelt an meinem Handgelenk und ist im wahrsten Sinne des Wortes im Handumdrehen griffbereit; zum Beispiel, wenn wie am Wochenende Ashley Graham an mir vorbeiläuft und ich das für eine Insta-Story – oder den iCloud-Friedhof – festhalten will.
Jacqueline: Für den iCloud-Friedhof – jetzt hast du dich selbst entlarvt! Es ist komplett unnötig, das Handy jederzeit griffbereit zu haben. Und am schicksten wäre es doch, es einfach in einer schönen Handtasche zu verstauen. Du schliesst es ja nicht in einen Tresor, es ist so immer noch griffbereit. Und einen Toaster hängst du dir ja auch nicht um den Hals, nur weil du ihn viel benutzt.
Leandra: Wenn ich das Handy erst aus der Tasche fummeln muss, fasse ich bestimmt in die Linse und muss die dann noch putzen, bevor ich fotografieren oder filmen kann. Bis dann ist der Moment vorbei.
"Ich will einfach nicht nach Handyopfer aussehen!"
Jacqueline: Ich will ja jetzt nicht wie meine eigene Oma klingen, aber irgendwie macht es mich traurig, dass wir das Handy wie ein Schlüsselkind den Schlüssel immer am Körper tragen müssen. Die Message ist doch: Ich BIN mein Handy und ich bin immer erreichbar.
Leandra: Also ich war gern ein Schlüsselkind! Meine Mama hat die Kordel, an der der Schlüssel hing, selbst gemacht, das weiss ich noch.
"Sag mal, tragen eigentlich Männer Handyketten?"
Jacqueline: Sag mal, tragen eigentlich Männer Handyketten? Ich sehe das nicht so oft, warum eigentlich? Sie sind doch mindestens genauso handysüchtig wie wir, nicht?
Leandra: Vielleicht, weil die Ketten oft so cute sind? Ausser man kauft sich die von Balenciaga natürlich – für 1000 Franken.
Jacqueline: Es zeigt mal wieder, dass Männermode oft funktionaler designt ist, zum Beispiel mehr Taschen hat. Bei uns Frauen wird das Dekorieren priorisiert.
Leandra: Genau deshalb mag ich diese Handgelenkketten aber tatsächlich auch: Ein neuer Bereich im Leben, den man ästhetisieren kann. Wollen wir zusammen chrällele?
Jacqueline: Das macht meine Tochter schon den ganzen Tag und ist dann immer enttäuscht, wenn ich ihre pinken Handyketteli dezent in einer Schublade versorge. Mein anderes Problem mit den Ketten ist, dass sie meistens aus billigem Material sind und schnell kaputtgehen. Meine Nachbarin ist Einkäuferin bei einem grossen amerikanischen Einzelhändler – sie verkaufen 40'000 Handyketten im Monat und 300'000 Handyhüllen!
Leandra: Wahnsinn!
Jacqueline: Aber Handyketten tun auch aus ästhetischer Sicht wirklich nicht viel für uns. Und deswegen habe ich mich entschieden, sie abzulegen, obwohl ich sie manchmal vermisse. Aber so eine Kette sieht nach Festival Merch aus, dominiert mir jeden Look zu stark und ich will einfach nicht nach Handyopfer aussehen.
Leandra: Das habe ich aufgegeben.