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Fashion Find: Der Towel Rock von Balenciaga ist nicht so absurd wie ihr denkt

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Fashion Find: Der Towel Rock von Balenciaga ist nicht so absurd wie ihr denkt

  • Text: Leandra Nef
  • Bild: Launchmetrics Spotlight; Collage: annabelle

Ein Look, ein Piece, ein Fashion-Moment: Was ihr wissen müsst, um diese Woche mitreden zu können, erfahrt ihr in unserer Rubrik Fashion Find. Dieses Mal mit der stv. Chefredaktorin Leandra Nef.

Wer sich regelmässig die neuen Kollektionen der Modehäuser anschaut, hat es vermutlich bereits im Mai beim Launch der Resort-Kollektion mitbekommen, die anderen spätestens diese Woche: Balenciaga lanciert den Towel Rock (ab sofort vorbestellbar), einen knielangen Unisex-Jupe aus reinem Baumwollfrottee – «regular fit» – für 795 Franken, der sich kaum vom Marso-Living-Duschtuch unterscheidet, das bei mir zuhause im Bad hängt.

Was man bei Balenciaga für sein Geld bekommt, ist allerdings tatsächlich (ein kleinbisschen) mehr als ein Frotteetuch – das kommt nämlich immerhin mit zwei Knöpfen am Bund, verstellbarem Gürtel (beides innseitig) und farblich abgestimmter Logostickerei auf der Vorderseite.

Es ist nicht das erste Mal, dass Balenciaga-Designer Demna einen Alltagsgegenstand ad absurdum zu führen scheint. Chipstüten und Abfallsäcke verkaufte er bereits als Taschen – das Leder, aus dem sie gefertigt waren, sollte den Preis von je rund 2000 Franken rechtfertigen. Und ein wenig wollte er, der einst als Geflüchteter von Georgien nach Deutschland kam, die Modewelt damit wohl auch hochnehmen.

Die Reichen wollen einen Haufen Geld hinblättern, um einen Alltagsgegenstand mit sich rumzuschleppen (und ihre Bubble damit subtil auf ihren Reichtum hinzuweisen)? Bitte sehr, ich nehme euer Geld. Find’ ich legitim.

Irritieren tut mich etwas anderes: Nach den Skandalen von letztem November (eine Balenciaga-Werbekampagne zeigte Kinder, die Teddybären im Bondage-Look in den Händen hielten, in einer anderen waren Dokumente eines Supreme-Court-Falls zu Kinderpornographie zu sehen), zeigte sich Demna bei der Präsentation seiner Winterkollektion diesen März reumütig.

Er präsentierte sie nicht wie gewohnt im Schneegestöber oder in einer Schlammwüste, sondern in einem unscheinbaren Raum ohne Schnickschnack. In den Show Notes, die auf den Stühlen rechts und links des Laufstegs lagen, bekannte Demna:

«In the last couple of months, I needed to seek shelter for my love affair with fashion and I instinctively found it in the process of making clothes. […] This is why fashion to me can no longer be seen as an entertainment, but rather as the art of making clothes.» (Zu Deutsch: «In den letzten Monaten musste ich einen Unterschlupf für meine Liebe zur Mode suchen, und den habe ich instinktiv im Prozess des Kleidermachens gefunden. […] Deshalb kann Mode für mich nicht mehr als Unterhaltung betrachtet werden, sondern als die Kunst, Kleidung zu machen.»)

In einem Interview mit «Vogue» versprach er ausserdem:

«I will have a more mature and serious approach […]  I have decided to go back to my roots in fashion as well as to the roots of Balenciaga, which is making quality clothes – not making image or buzz.» (Zu Deutsch: «Ich werde eine reifere und ernsthaftere Herangehensweise haben […] Ich habe beschlossen, zu meinen Wurzeln in der Mode und zu den Wurzeln von Balenciaga zurückzukehren, also dazu, qualitativ hochwertige Kleidung herzustellen – und nicht, ein Image zu kreieren oder Aufsehen zu erregen.»)

Die guten Vorsätze schon wieder vergessen

Qualitätskleidung also statt Unterhaltung und Buzz. Hätte Labelgründer Cristóbal Balenciaga bestimmt begrüsst. Nur das Verkaufsteam war wohl weniger begeistert. Die (finanzstarke) Masse kennt und kauft den Brand schliesslich nicht der Qualitätskleidung, sondern Stücken wie dem Towel Rock wegen. Nur zwei Kollektionen nach Demnas Zu-Kreuze-Kriechen scheinen seine guten Vorsätze also wieder vergessen.

Zu Demnas Verteidigung muss man anmerken, dass er nicht der Einzige (und auch nicht der Erste) ist, der seinen Models Tücher um die Hüften wickelt: Ludovic De Saint Sernin schickte schon 2019 eines seiner Models in einem Frotteetuch über den Laufsteg, in einem kurzen, mit Beinschlitz. Prada zeigte im selben Jahr einen Jupe, der wie ein unsauber zusammengefaltetes Handtuch anmutete.

Und schliesslich ist das mit dem Badetuch gar nicht so absurd, zumal das flauschige Piece als Teil der Resort-Kollektion lanciert wurde. Die Resort oder Cruise Collection war ursprünglich für die mondäne Klientel gedacht, die sich in den Wintermonaten auf Kreuzfahrt begibt. Und mit so einem Towel Rock kann man sich ganz wunderbar an Deck legen.

Oder morgens um 5 unauffällig zum Pool schlendern, die Hüllen fallen lassen und seine Liege reservieren (und dann halb nackt beim Frühstück sitzen). Oder man schlurft damit zum Spa-Termin im Bug. Pro-Tipp: Den «Hotel Mule On Heel» aus Balenciagas Sommerkollektion 2024 dazu kombinieren:

All jene, die wie ich lieber gar keine Ferien machen, als ihre beheelten Füsse auf ein Kreuzfahrtschiff zu setzen, können sich den Towel Rock auch einfach umbinden, wenn der Pöstler das nächste Mal an der Tür klingelt – nicht, weil man aus der Dusche hechten musste, um die langersehnte Mytheresa-Lieferung entgegenzunehmen, sondern weil man das jetzt so trägt. Und wer sich diesen Spass keine 795 Franken kosten lassen kann, checkt jetzt rasch, ob das eigene Duschtuch als regular fit durchgeht. Meins definitiv.

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