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Fashion Find: Was das wahre Problem am Zara-Skandal ist

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Fashion Find: Was das wahre Problem am Zara-Skandal ist

Ein Look, ein Piece, ein Fashion-Moment: Was ihr wissen müsst, um diese Woche mitreden zu können, erfahrt ihr in unserer Rubrik Fashion Find. Dieses Mal mit Editor-at-Large Jacqueline Krause-Blouin.

Die Modebranche hat einen neuen Skandal. Aufgewärmte Empörung, Aufruf zum Boykott, gähn. Ich kann es nicht mehr hören. Dies vor allem, weil kein #boykott in dieser Branche jemals von Dauer war. Himmel, wer schon alles gecancelt wurde! Aber ein paar Wochen später laufen alle doch wieder fröhlich in Dolce & Gabbana, Alexander Wang und Balenciaga herum.

Mal wieder Zara

Nun also Zara. Und man muss sagen: mal wieder. Denn der Hashtag #boycottzara ist alt. Erinnert Ihr euch daran, als die Näher:innen in den Zara-Fabriken Hilferufe in die Etiketten nähten? Oder an den Rassismus-Skandal? Jedes Mal ein Aufschrei!

Bis zur nächsten Party, wo man dann doch ganz dringend ein neues Pailletten-Stöffchen braucht. Ja, Eitelkeit und Bequemlichkeit siegen meist über Moral, deswegen sind diese Kontroversen mittlerweile leider wenig mehr als Social-Media-Unterhaltung.

Fast Fashion im Trümmerhaufen

Kurz zum Drama: Vor knapp einer Woche veröffentlichte Zara eine Werbekampagne zur Atelier Zara Kollektion «The Jacket», fotografiert von Modefotograf Tim Walker. Die Sujets zeigen das Model Kristen McMenamy in einer Art dekonstruiertem Bildhaueratelier, das aussieht wie die Kulisse eines Bertold-Brecht-Stücks. Um sie herum Staub, zerbrochene Steine, Schutt und Statuen, einige mit fehlenden Gliedmassen, einige in weisse Tücher gewickelt.

Leichentücher? Die Verbindung zu den Kriegsbildern, die uns täglich erreichen, ist jedenfalls schnell hergestellt. Das hätte man merken müssen. Über wie viele ignorante Schreibtische sind die Fotos gegangen, bis sie genehmigt wurden? Plus: Wir sprechen hier von einer Zara-Kampagne, die Blazer und Jacken verkaufen will, und nicht von einer Installation auf der Art Basel. Hat man wirklich erwartet, dass das Mainstream-Publikum diese Bilder als künstlerisch wertvoll betrachten würde?

Die Wahrnehmung der Kund:innen ist Realität

Wer die Arbeit von Tim Walker kennt, weiss, dass der Fotograf seit Jahrzehnten ein Faible für Dekonstruiertes, Zerstörung und Ruinen hat und genau solche Kulissen zu seinem Markenzeichen gemacht hat – mal märchenhaft, mal brutal.

Es kann also gut sein, dass diese Bilder, die laut Zara im Juli konzipiert und im September fotografiert wurden, wirklich nichts mit den aktuellen Kriegen zu tun haben. Aber hat man im Management bei Zara wirklich vergessen, dass wir in einer Welt leben, in der Wahrnehmung gleichzusetzen ist mit Realität?

Zara kopiert nicht nur Schnitte, sondern auch Werbekonzepte

Zara reagierte zögerlich mit einer halbherzigen Entschuldigung, die vielmehr eine Rechtfertigung ist: «Leider fühlten sich einige Kund:innen durch diese Bilder, die nun entfernt wurden, beleidigt und sahen in ihnen etwas, das weit von dem entfernt war, was bei ihrer Erstellung beabsichtigt war. Zara bedauert dieses Missverständnis und wir bekräftigen unseren tiefen Respekt gegenüber allen.»

Das kennen wir ja bereits. Eine Seite ist empört, die andere «entschuldigt» sich, impliziert aber gleichzeitig, dass man sich doch bitte nicht so anstellen solle.

Was für mich das Schlimmste an diesen Bildern ist? Dass Zara jetzt nicht nur blitzschnell die Mode von hochtalentierten Designer:innen aus billigen Stoffen und unter bedenklichen Bedingungen kopiert und auf Haute-Couture macht, sondern auch noch versucht, in seinen Werbekampagnen so edgy zu sein wie die High Fashion Brands.

Zara ist aber ein Low Fashion Brand. Also zeigt doch einfach eure Massenware in Katalogbildern, das wäre wenigstens ehrlich. Nennt mich zynisch, aber vielleicht hat man sich von Balenciaga und Co. nicht nur die Schnittmuster und Werbekonzepte abgeguckt – sondern nun auch das Potential, das ein Shitstorm birgt.

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Linea

Wer nicht von den Großen lernt,geht unter. So ist das nicht nur ind er Modebranche. Gewöhnen wir uns einfach daran.

Ilse

Mir gefält der Artikel. Man kann nicht einfach kommentarlos ein solches Szenario schaffen. Bei den high End Marken hat ja die Desing Idee und die anschließende Kampange einen Zusammenhang. Die Desing Idee ist da schon ganz anders ausgearbeiet und in der Kampange interpretiren Künster diese Idee und setzten sich damit auseinander und dazu gibt es dann auch jede Menge Informationen. Das kostet shr viel Zeit und Geld. Das kann man aber nicht wie Zara machen. Die gaben ja noch nicht mal im Nachinein eine inhaltliche Erklärung was die Inszenierung aussagen sollte. Wahrscheinlich weil es nichts zu sagen gibt, da es einfach nur oberflächlich ist – das ist der Unterschied, nicht nur im Stoff, sondern auch in der Kampange.

Dankwart6

Auch bei Zara arbeitet mehr als eine Person und niemand hat reagiert; egal wie gelagert die Sache ist. Das allein ist schon ein Armutszeugnis für eine Firma, die international tätig ist.

Hier bieten sich mir verschiedene Szenarien, nur bei keinem kommt Zara dabei gut weg.

1) Gezielte und gewollte Provokation im Namen der PR/Werbung. Sollte das zutreffen ist es einfach nur widerlich und verweferlich das Unglück einer Bevölkerungsgruppe für kommerzielle Zwecke auszunutzen.

2) Die Bilder sind wirklich vorher entstanden, man hat es allerdings nicht für nötig gehalten die teure Werbekampagne wegen “ein paar hundert Toten” einzustampfen und Stellung zu beziehen (in dem Fall hätte Zara es sogar positiv für Selbstwerbung nutzen können).

3) Niemand bei Zara hat die (frapierende) Ähnlichkeit bemerkt.
Dann muss man sich wirklich fragen in welcher Parallelwelt die insg. 165.000 Mitarbeiter leben, wenn man soetwas nicht bemerkt. Selsbt wenn man es auf Chefetage, Marketing und beteiligte Abteilungen runterbricht, sollte es trotzdem immer noch 100-200 Mitarbeiter sein.

Alles in allem haben wir es bei Zara mit einem Unternehmen zu tun, das kommerziellen Erfolg vor alles andere stellt und bei den Auffälligkeiten der Vergangenheit liegt der Verdacht nahe, dass die White Collars bei Zara es zumindest billigend in Kauf genommen haben, frei nach dem Motto: lieber um Entschuldigung bitten, als um Erlaubnis.

Wenn ich dann noch hier Kommentare lese wie “von den Großen lernen” und “Gewöhenn wir uns einfach dran.” kommt es mir einfach hoch. Wie abgebrüht und verroht kann man sein, wenn man es einfach hinnimmt, dass große Firmen glauben sich alles erlauben können; einfach den Shitstorm aussitzen und weitermachen wie bisher.

Wenn wir damit anfangen können wir direkt sämtliche Moral über Bord werfen, es juckt ja eh niemanden?! Diese Laisser-faire-Einstellung hat sich schon mehrfach breit gemacht und es war nie eine gute Idee.

Anna

Richtig: Wie ignorant muss man sein?
Für mich war es der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Ich habe bislang nur selten bei ZARA gekauft und werde es nun nie wieder tun.Ich ignoriere ZARA so wie die Leid und Trauer ignorieren.