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Die Mode wird wieder mädchenhaft: Warum Süss das neue Sexy ist

Die Mode wird wieder mädchenhaft: Warum Süss das neue Sexy ist

Lange galten Schulterpolster und Anzüge als Confidence-Boost zum Überstülpen. Diesen Sommer aber landete bei Brands wie Carven, Stella McCartney und Khaite eine triefende Ladung Zuckerguss auf den Entwürfen.

Was diesen Sommer aus dem Modehimmel fällt, erinnert an schlaraffenland-ähnliche Zustände, wo es ständig Essen regnet: Die Kleider bei Chloé ähnelten langsam herabsegelnden Fallschirmen, aus denen knackige Schenkel baumelten. Stella McCartney zeigte Minidresses und Tops aus recycelten Plastikflaschen, die wirkten, als trügen die Models riesige Portionen Zuckerwatte am Körper.

Khaite spuckte drapierte Entwürfe wie kunstvoll zerkauten Kaugummi aus. Labels wie Carven, Bottega Veneta und Acne Studios spielten mit der Schösschen-Silhouette, als buken sie den Models Cupcakes an die schlanken Körper. Die Farbpalette, die auf den Laufstegen aufzog, glich einem leicht verhangenen Sonnenuntergang in sanftem Pastell.

Die Frau als weiches, rundes Sahnetörtchen! Die Frau in der Popcorntüte! Ist das nun einfach süss oder deftig mit jeder Menge Aussagekraft gesalzen?

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"Ein bisschen sonderbar und doch äusserst elegant wie diese Mode ist, dürfte sie Balsam für unsere überreizten und gigavernetzten Gemüter sein"

Denn was ist aus dem Begriff des Power Dressing und dem breitschultrigen Anzug der Achtzigerjahre-Vorstandsetage geworden? Damals begaben sich Frauen in traditionell männliche Berufsrollen und forderten das Patriarchat heraus, indem sie ein breites Kreuz simulierten – die idealisierte, stereotypmaskuline Körperform.

Und jetzt? Knallt eine triefende Ladung Zuckerguss auf die steifen Schulterpolster. Für Louis Vuitton rundete Kreativdirektor Nicolas Ghesquière die Schultern seiner Jacken ab, blies sie förmlich auf und sprach ausdrücklich von der weiblichen «Soft Power» seiner Kollektion – von Frauen, die sich mit Charme und Grossmut statt ihrem Körper durchsetzen. Letzterer ist unter der köstlichen Hülle und Fülle an Stoff eh kaum mehr auszumachen.

Der Male Gaze? Wohl verwirrt

Während das Schösschen im 19. Jahrhundert ursprünglich dazu da war, die feminine Körperform zu überzeichnen, dekonstruiert das niedliche Detail sie nun. Die durch glockig angesetzte Raffungen betonten Taillen und Hüften rutschen nach unten, das Becken ist kunstvoll drapiert, die weibliche Silhouette artifiziell und hyperweiblich bis zur Illusion angeschwollen. Als begehrenswert geltende Stellen werden verzerrt, der Male Gaze dürfte verwirrt sein.

Ein bisschen sonderbar und doch äusserst elegant wie diese Mode ist, dürfte sie Balsam für unsere überreizten und gigavernetzten Gemüter sein. Sie ruft Erinnerungen an die Kindheit, wilde Träume oder zarte Sehnsüchte wach – sie erzählt von einem weniger komplizierten Leben. Der Eskapismus in grosse Gewänder und unglaubliche Geschichten ist gemütlich, entspannt und gibt uns im wahrsten Sinne des Wortes Bewegungsfreiheit. Schliesslich zwickt nix.

Wir halten es mit den berühmt-berüchtigten Worten von Boxlegende Muhammad Ali: «Float like a butterfly, sting like a bee.» Wir sehen vielleicht aus, als schwebten wir putzig gekleidet vom Himmel, die starke Schulter zum Anlehnen haben wir längst selbst.

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