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Pelz ist zurück: Das steckt hinter dem fragwürdigen Trend

Pelz ist zurück: Das steckt hinter dem fragwürdigen Trend

Auf den Runways sind die Models wieder in Fell gehüllt. "It’s the wildness", sagt Simone Bellotti, der ehemalige Kreativdirektor von Bally, zum Trend. Wild aber sind vor allem die Unternehmen und Menschen, die ihren moralischen Kompass immer wieder verlieren.

  • Von: Julia Zehnder
  • Bilder: Launchmetrics Spotlight Collage: annabelle

Mit Blick auf die vergangenen Fashion Weeks in Kopenhagen, New York, London, Mailand und Paris ist es ein Leichtes, jene Modeschauen aufzuzählen, bei denen kein Fell präsentiert wurde – so wenige sind es. Hatten sich nicht eben erst alle geeinigt, dieses umstrittene Material von den Catwalks zu verbannen? Woher kommt diese drastische Kehrtwende? 

Der Einfluss von Tiktok-Trends auf die Garderobe junger Menschen sowie der damit einhergehende Einfluss auf die Modebranche sind unbestritten. Trends wechseln schnell, dennoch erreichen viele die breite Masse. Etwa die Mob-Wife- und Old-Money-Ästhetik, bei denen das Tragen von Pelz ein essenzieller Bestandteil ist.

Stars wie Kendall und Kylie Jenner oder auch Hailey Bieber hüllten sich im Winter in Aspen in Designer-Vintage- und Fake-Felle. Das Bedürfnis nach glamouröser und extravaganter Mode scheint die Antwort auf die zuletzt prägende minimalistische Clean-Girl-Ästhetik.

Die etablierten Marken spielen mit, kaum ein Modehaus zeigt Rückgrat. Waren politische Haltung und Umweltbewusstsein nur weitere Trends? Laut Branchenportal "The Business of Fashion" verschwindet Nachhaltigkeit von der Agenda.

Eigene unmoralische Gelüste

Die aktuelle politische Stimmung unterstützt besagten Sinneswandel. Anti-Woke-Bewegungen gewinnen an Stärke, während Umweltanliegen im politischen Diskurs an Bedeutung verlieren.

Dies zeigte sich in einer Umfrage des Umweltbundesamtes in Deutschland schon vor einigen Jahren: 2022 stuften nur noch 57 Prozent der Menschen Umwelt- und Klimaschutz als sehr wichtig ein, verglichen mit 65 Prozent im Jahr 2020. Die individuelle Überforderung aufgrund des Weltgeschehens scheint gross. Der wachsame Blick auf nachhaltigen Konsum schwindet, die Modeindustrie dankt. 

Zwar verzichten die meisten etablierten Marken seit einigen Jahren und nach grossem Druck von Tierschutzorganisationen auf den Gebrauch von neuem Pelz. Bei Fendi aber, als Taschen- und Fellhaus gegründet, sind auch diese Saison zwei echte Nerzmäntel zu sehen. Einige Newcomerbrands wie Alectra Rothschild setzen auf upgecyceltes Echtfell.  

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Ein Schlupfloch finden die Modehäuser im Lammfell, das laut PETA als Abfallprodukt der Fleischproduktion und ebenfalls als Pelz gilt. Bei Prada als Kragen, bei Gucci als Weste, bei Chloé als Taschenanhänger und bei Ferragamo als Jupe: Lammfell sieht man oft auf den Laufstegen – und es ist alles andere als unproblematisch.

Der Verkauf ist für Produzent:innen laut PETA ein äusserst lukratives Geschäft und trägt dazu bei, dass diese weiterhin in hoher Zahl Lämmer und Schafe züchten. 

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Marken wie Bally, Ferrari und Rotate hingegen arbeiten mit Fellimitaten aus Kunststoff, die zwar nicht mit Tierleid, aber mit negativen Auswirkungen auf die Umwelt in Verbindung stehen.

Eine spannende Alternative zeigte Etro in Form eines Fells aus geknüpfter Wolle. Das qualitativ hochwertige Fake-Fell besteht aus tierischem Material, das jedoch nicht das Töten der Tiere voraussetzt. Die hohen Produktionskosten machen es aber für viele Brands unerschwinglich.

Eine Alternative, die vegan und plastikfrei ist? Einige Start-ups arbeiten genau an einer solchen Lösung. Bei Stella McCartney waren diese Saison zwei Looks aus Savian zu sehen – eine Alternative aus Brennnessel, Hanf und Flachs.

Das Produkt befindet sich noch in der Entwicklung und bedient derzeit nur eine Nische. Wird dieses Material den grossen Hoffnungen gerecht, könnte es bald zur ersten nachhaltig vertretbaren Lösung auf dem Markt werden.

"It’s the wildness", lautet die Antwort von Simone Belotti, ehemaliger Kreativdirektor von Bally, auf die Frage der "New York Times", warum ihn Fell als Material fasziniert. Auch viele seiner Berufskolleg:innen sind von der Fähigkeit des Fells, Kleidung voluminöser wirken zu lassen oder auch Glamour und Reichtum darzustellen, angetan. Die Unterschiede zwischen Imitat und Echtfell sind dabei kaum noch festzustellen. 

Zara, H&M, Shein und Co. werden wohl spätestens im kommenden Herbst vom Trend mitprofitieren wollen und den Markt mit Plastikfellen fluten. Die Nachfrage wird vorhanden sein. Ebenso der Konflikt mit den eigenen unmoralischen Gelüsten. 

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Dr. Anna Dietrich

“…kaum ein Modehaus zeigt Rückgrat”

Hä?

Modehäuser? Rückgrat??
Wie soll das denn gehen?
“Mode” wird doch gerade für die Rückgratlosen gemacht. Es ist die Branche der Rückgratlosen, die keine eigene Haltung haben und sich vorschreiben lassen, was anzuziehen sei.

Anne

Alle, die aus modischen Gründen Echtpelz tragen, sollte man für eine Woche in einer Nerz-Farm einsperren oder sie zwingen, den Todeskampf von Fallentieren wie Marderhunden und Koyoten in Dauerschlaufe auf Video anzuschauen. Dann wird diesen empatielosen “Menschen” hoffentlich die Lust auf Pelz vergehen. PS@Annabelle: Ihr positioniert euch gegen Pelz, aber zeigt trotzdem die Echtpelzmode.Für mich ein Widerspruch.

Esther Walde

Ich spreche nicht von Qualzuchten. Aber es gibt Tiere, die geschossen werden müssen. Z.B Füchse oder Waschbären. Dass man die Felle kaum noch verkaufen kann, sondern entsorgen muss, ist respektlos und ökologisch unsinnig. Beim Fleisch essen gilt „from the nose to the tail“ – das Fell als Ressource gehört auch dazu! Und ein Pelzmantel hält Jahrzehnte!

Es wäre schön, wenn Annabelle eine objektive Meinung vertreten hätte.