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In Konkurrenz mit künstlicher Intelligenz: Was AI für die Modebranche bedeuten könnte

In Konkurrenz mit künstlicher Intelligenz: Was AI für die Modebranche bedeuten könnte

Künstliche Intelligenz ist in der Arbeitswelt angekommen und ersetzt menschliches Können durch maschinengemachtes. Was passiert, wenn es auch die Kreativität trifft?

Noch befinden sich die Modeunternehmen in einer frühen Phase der KI-Nutzung, heisst es im jährlich erscheinenden Branchenbericht «State of Fashion 2025». Vor allem die grossen Firmen seien dabei, ihre Strukturen dahingehend umzubauen, neue Arbeitsabläufe zu schaffen und Leute umzuschulen. Fast 80 Prozent der Unternehmen setzten KI inzwischen in mindestens einem Geschäftsbereich ein.

Der Unterwäsche-Gigant Victoria’s Secret etwa nutzt sie, um sein E-Mail-Marketing zu personalisieren: Jüngere Kund:innen bekommen Bralettes angeboten, ältere Formwäsche. Im «KI-Exzellenz-Center» des österreichischen Schmuckherstellers Swarovski sitzen bereits acht Personen, welche künstliche Intelligenz auf unterschiedliche Geschäftsbereiche anwenden – von Produkt-Empfehlungen bis zum Kundendienst.

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"Intelligente Systeme sagen in zahlreichen Modefirmen bereits den künftigen Bedarf an Waren vorher"

Intelligente Systeme sagen in zahlreichen Modefirmen überdies bereits den künftigen Bedarf an Waren vorher, sodass etwa Überproduktion vermieden werden kann. KI-basierte Lösungen versprechen ausserdem eine Echtzeit-Übersicht über die gesamte Lieferkette. Engpässe und Ineffizienzen, heisst es beim Anbieter, könnten so schnell erkannt und behoben, Abläufe und der Ressourcen-Einsatz verbessert werden.

KI macht eigenständige Designvorschläge

Im Modedesign unterstützt künstliche Intelligenz ausserdem zunehmend den kreativen Entwicklungsprozess. Generative KI kann auf Basis bestehender Daten eigenständig neue Designvorschläge entwickeln, verschiedene Varianten durchspielen und dabei Kriterien wie Materialeinsatz, Funktionalität oder Ästhetik berücksichtigen.

In der übergreifenden Mode-Datenanalyse ist künstliche Intelligenz schon länger im Einsatz. Tagwalk ist eine 2016 aufgeschaltete Mode-Suchmaschine, vergleichbar mit Google, jedoch spezialisiert auf sämtliche Modekollektionen. Auf Knopfdruck und unterstützt durch KI bereitet sie beispielsweise die beliebtesten Farben eines Modemonats oder die am meisten angeschauten Designs von Modeschaffenden auf.

Und mittels KI lassen sich auch Trendbewegungen durchleuchten und verfolgen: Die Datenwissenschaftlerin Madé Lapuerta analysiert dafür auf ihrem Instagram-Account @databutmakeitfashion mithilfe von KI – vereinfacht gesagt – wie und wie häufig über gewisse Trends gesprochen wird und kann daraus ableiten, inwiefern ein Stil gerade angesagt ist. «Ich wollte Logik und Transparenz in etwas bringen, das von Natur aus subjektiv ist», erklärte sie in einem Interview mit Vogue. Die Harvard-Absolventin bedient so einen der seltenen objektiven Zugänge zur Welt der Mode.

Digitale Model-Zwillinge

Bis hierhin, so scheint es zumindest, unterstützt die neue robotische Macht kreative Teams bei ihrer Arbeit, sie erleichtert Prozesse und macht bestehende Ressourcen wie Archive und andere Datenbanken besser nutzbar. Doch langsam scheint es auch für die Teams selbst ungemütlich zu werden, die bisher all die legendären Fashion-Momente kreieren und letztlich Modegeschichte schreiben.

Erst kürzlich machte der schwedische Modekonzern H&M Schlagzeilen, da er für eine Kampagne von seinen Models eine Doppelgänger-KI-Version entwarf. Es war unmöglich zu bestimmen, wer echt war und wer der digitale Zwilling.

Ebenso hat die Modekette Mango im vergangenen Sommer mit digitalen Klonen gearbeitet und eine Modewerbekampagne mittels KI erstellt.

Und nun macht die einflussreiche globale Onlinepublikation «The Business of Fashion»  sogar Andeutungen, dass angeblich mit KI-Kreativ-Direktoren experimentiert wird – also jenen Personen, die letztlich die Ästhetik einer ganzen Marke entscheiden.

Was, wenn KI bald nicht mehr nur unterstützt, sondern kreative Entscheidungen ganz übernimmt? Wenn Inspirationen ausschliesslich innerhalb eines künstlichen Intelligenzsystems generiert werden? Und wenn Modestrecken nur noch digital erstellt werden – sind Models, Make-up-Artists, Fotograf:innen, Prop-Designer:innen und Stylist:innen demnächst ihre Jobs los?

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"Was, wenn KI bald nicht mehr nur unterstützt, sondern kreative Entscheidungen ganz übernimmt?"

Noch scheint das nicht realistisch, denn bestimmte Nuancen, Erfahrungen und Empfindungen fehlen der künstlichen Intelligenz. Sie lernt und entwickelt sich jedoch so schnell, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis man nicht mehr nur in der Texterstellung mit einer Maschine konkurriert.

Maschinen fehlen Schlüsselqualifikationen

Was uns jedoch auch künftig von Maschinen unterscheiden wird, sind unsere sogenannten Schlüsselqualifikationen, also Fähigkeiten wie Teamfähigkeit, Empathie und Fingerspitzengefühl. Egal, wie umgänglich eine KI sein mag, den menschlichen Stand erreichen wird sie wohl nie. Menschen aus der Modeindustrie haben dazu meist ein grosses Netzwerk, Nischen-Kenntnisse, ebenso intuitive Kreativität und handwerkliches Können, wie etwa in der Modefotografie, die im richtigen Moment einen spontanen Ausdruck einfängt.

Auch wenn historisch ablesbar ist, dass sich die für Unternehmen günstigere Variante durchsetzt – können Modekampagnen digital entstehen, wozu dann teure Reisen planen und Locations buchen –, ist gleichzeitig offen, ob die zukünftige kreative KI-Arbeit wirklich mit der menschengemachten mithalten kann. Eine Modebranche ganz ohne natürliches, menschliches Wirken ist nach aktuellem Stand unwahrscheinlich – es ist das menschliche Denken, das Mode kulturelle, emotionale Relevanz und künstlerischen Ausdruck verleiht.

Sicher ist jedoch auch, dass Mode-Kreative sich daran gewöhnen müssen, die intelligenten Systeme in ihren Arbeitsalltag zu integrieren. Neben einem gewissen Gespür für Mode und Trends, das in vielen Bereichen der Modebranche unumgänglich ist, wird die Nachfrage gross sein nach Fachkräften, die KI professionell bedienen zu können. «Prompt Engineering» nennt sich das. Durch optimierte, präzise Aufforderungen an die KI sind die besten Resultate zu erwarten. Das lässt sich auch im Bericht «State of Fashion 2025» herauslesen: Künftig würden auch in der Mode vermehrt Data Scientists oder Machine-Learning-Engineers gefragt sein.

Skizze der vollständigen Digitalisierung

Und wie könnte denn die Zukunft aussehen? Eine mögliche Entwicklung der KI in der Mode, wie es etwa das digitale Modemagazin The Fashionography vor kurzem in einem Artikel skizzierte, ist die vollständige Digitalisierung: Models verkaufen ihren digitalen Klon, Fotograf:innen schulen das Aufnahme-Tool, Stylist:innen werden zu virtuellen Designer:innen, welche die KI mit ihren kreativen Anweisungen lenken. Das klingt womöglich absurd, jedoch haben solche Sprünge etwa durch die Erfindung und globale Verbreitung des Internets bereits in unserer Gesellschaft stattgefunden. Viele Berufe sind verschwunden, andere dafür entstanden.

Und trotzdem, wer einmal am Set eines Fotoshootings gearbeitet, eine Modenschau live erlebt oder auch nur schon edle Stoffe berührt hat, weiss: Es sind Emotionen und Erzählungen, die Mode letztlich von reiner Kleidung unterscheiden – hier ist der Mensch unersetzbar und die KI wohl für immer in der Assistentenrolle.

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