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«Making the Cut»-Gewinner Yannik Zamboni: «Meine Basis bleibt in der Schweiz»

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«Making the Cut»-Gewinner Yannik Zamboni: «Meine Basis bleibt in der Schweiz»

Seit seinem Gewinn bei der Reality-Show «Making the Cut» sorgt der Schweizer Designer Yannik Zamboni international für Aufsehen. Wir wollten von ihm wissen, wie er mit seiner Mode Gesellschaftskritik übt und wie es sich anfühlt, mit Heidi Klum zu tanzen.

Sie haben innert weniger Monate wahnsinnig viel erreicht: Sie haben vergangenen Herbst die von Heidi Klum und Tim Gunn moderierte Reality-Show auf Amazon Prime «Making the Cut» und damit eine Million US-Dollar gewonnen. Sie haben an der New York Fashion Week Ihre Kollektion gezeigt. Und kürzlich waren Sie an Heidi Klums legendärer Halloweenparty. Was macht das mit Ihnen?
Es ist wahnsinnig unreal. Vielleicht ist das meine neue Realität, es fühlt sich aber noch mehr nach Träumen an. Früher sah ich Heidi Klum bei «Germany’s Next Topmodel» im Fernsehen, heute tanze ich neben ihr an einem Elton-John-Konzert in Los Angeles.

Wie fühlen Sie sich dabei?
Immer noch genau gleich wie vorher. Wenn ich dort bin, fühle ich mich schon zugehörig zu diesem Celebrity-Zirkus, wenn ich aber hier bin, bin ich einfach wieder Yannik.

Als ob Sie jeweils in eine Rolle schlüpfen würden?
Nein, überhaupt nicht. Ich bleibe ich selbst – auch während «Making the Cut» habe ich mich nicht verstellt, sobald die Kameras liefen. Ich will, dass man mich mag, weil ich ich bin.

In der Show sagten Sie, dass Mode für Sie ein Ventil ist, sich mit politischen Themen auseinanderzusetzen. Welche Themen beschäftigen Sie besonders?
Das sind sehr oft gesellschaftspolitische Themen. Mir liegen LGBT+-Themen am Herzen und ich will vor allem inter und trans Menschen eine Plattform geben. Meine Arbeit dreht sich viel um Feminismus.

Wie finden diese Themen in Ihren Kollektionen Platz?
In meiner Show an der New York Fashion Week wollte ich das Abtreibungsrecht thematisieren, vor allem auch in den USA. Dafür integrierte ich die Farbe Grün in meine sonst komplett weisse Kollektion – als Hommage an die Bandanas der Feminist:innen, die in Südamerika auf die Strasse gingen und protestierten. Zudem hatte ein Teil der Models den Mund zugeschnürt, um darauf hinzuweisen, dass Gesellschaft und Politik einem oft die Stimme nehmen. Ein Teil der Models ging rückwärts, was eine rückläufige Gesellschaft und Politik symbolisierte. Mit Mode kann ich mitteilen, was mich stört, was ich verändern möchte.

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Sie kreieren Ihre Kollektionen normalerweise ausschliesslich in Weiss, um nicht vom Design abzulenken. Ein weiteres Merkmal Ihrer Mode ist, dass Sie verschiedene Körper mitdenken und Ihre Mode genderfrei ist, richtig?
Ich sage eher all-gender-inclusive und designe so, dass alle Gender meine Kleider tragen können. Ausserdem versuche ich, bei jeder Entscheidung Randgruppen mitzudenken.

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«Man kann zwar versuchen, möglichst nachhaltig zu arbeiten – aber wirklich nachhaltig ist der ganze Konsum in der Mode nicht»

Sie möchten mit Mode die Scheinwerfer auf Themen richten, die bewegen. Doch auch in der Mode selbst läuft vieles schief.
Gerade was Nachhaltigkeit angeht, ist vieles einfach Greenwashing. Viele springen auf den Trend auf, einfach aus Imagegründen. Wirkliches Interesse und Research fehlen meiner Meinung nach aber oft. Mit dem Wort Nachhaltigkeit muss man aufpassen. Man kann zwar versuchen, möglichst nachhaltig zu arbeiten – aber wirklich nachhaltig ist der ganze Konsum in der Mode nicht.

Wie streben Sie mit Ihrem eigenen Label Maison Blanche nach Nachhaltigkeit?
Ich arbeite mit lokalen Produzent:innen, mit möglichst nachhaltigen Materialien, schaue auf faire Arbeitsbedingungen und versuche, immer zirkulärer zu denken. Sprich Materialien so zu verwenden, dass diese zurück in den Boden können und für die Umwelt einen Mehrwert schaffen.

Gelingt Ihnen das auch in Zusammenarbeit mit dem Grosskonzern Amazon, mit dem Sie nach Ihrem Gewinn bei «Making the Cut» für Ihren Brand rare/self kollaborieren?
Dafür war mir wichtig, dass ich die Produktionsstätten in Indien besuchen kann, um mich zu vergewissern, dass dort faire Bedingungen herrschen. Und diese haben mich wirklich überzeugt. Alles war super strukturiert und sauber – und ich bin ein kleiner Fisch bei Amazon, die konnten jetzt nicht für mich eine Riesenshow abziehen. Zudem produzieren dort andere Labels, deren Werte ich schätze, wie Coop Naturaline.

Haben Sie das Gefühl, dass nur in bestimmten Fällen wie Ihren darauf geachtet wird – oder verändert sich grundsätzlich etwas?
Ich sehe, dass ein Effort gemacht wird, wirklich etwas zu ändern. Amazon ist aber ein riesiger Konzern. Wenn man da einfach ein einzelnes Rädchen rausnimmt, funktioniert das ganze Uhrwerk nicht mehr. Das Rädchen muss ersetzt werden und ganz genau wieder reinpassen. Das braucht Zeit. Ich wollte beispielsweise, dass keine Plastiktüten für meine Kollektion verwendet werden, aber auf die Schnelle war das noch nicht möglich. Jetzt suchen wir zusammen nach langfristigen Lösungen und sie arbeiten an einer Umstellung auf Papiertüten.

«Um das System verändern zu können, muss ich Teil davon sein»

Es geht also darum, das System von innen zu verändern? War das auch Teil Ihrer Motivation, bei «Making the Cut» mitzumachen?
Genau. Als ich die Anfrage für die Show bekam, musste ich zuerst wirklich gut darüber nachdenken, ob das zu mir passt. Ich habe aber rasch realisiert: Um das System verändern zu können, muss ich Teil davon sein. Kleine Labels mit nachhaltigen Ansätzen sind super – es braucht aber ganz viele, die das Gleiche tun, damit es eine Wirkung hat. Wenn ich es als kleiner Designer schaffe, bei einem Grosskonzern wie Amazon eine kleine Veränderung herbeizuführen, hat das eine riesige Wirkung. Da kann ich mit innovativen Ideen hoffentlich auch andere Partner:innen von Amazon inspirieren.

Was hat Sie bei Ihrer Teilnahme bei «Making the Cut» am meisten überrascht?
Dass die ganze Show von einer hauptsächlich weiblichen Produktionsfirma produziert wurde. Bei «Hello Sunshine Productions» arbeiten rund 95 Prozent Frauen, von Producerinnen bis zu Kamerafrauen. Das war ein sehr feministisches, queerfreundliches Arbeitsklima, in dem ich mich von Anfang an wohlfühlte.

Spüren Sie, nachdem Sie so viel erreicht haben, Druck von aussen, noch viel mehr zu erreichen?
Ich glaube, als Künstler:in kommt der Druck immer von einem selbst. In meinem Fall wäre das der Druck, mehr Reichweite zu haben, um wirklich etwas Grosses zu verändern.

Sind Sie eigentlich in der Schweiz? Oder was sind Ihre Pläne?
Ich bin viel unterwegs, aber meine Basis bleibt in der Schweiz. Ich komme immer gerne hierhin zurück, das gibt mir viel Ruhe. Man kann auch einfach kurz in die Berge entfliehen, ich bin wahnsinnig gerne da, vor allem im Winter. In L.A. und New York ist immer viel los, ich werde erkannt und muss ständig performen und leisten. Da bin ich schon froh, ab und zu wieder zurück in Zürich zu sein und in meinem Atelier mit meinem Team arbeiten zu können.

Brauchen Sie für Ihren kreativen Prozess eher Ruhe oder Action?
Ruhe. Ich kann multitasken und zig Termine am Tag haben – aber wenn ich kreativ arbeiten will, schaue ich, dass ich komplett unverplant bin, damit ich mich auf eine Sache fokussieren und in meiner Gedankenwelt bleiben kann.

«Ich will nicht nur designtechnisch überzeugen, sondern auch soziopolitisch etwas verändern»

Was nehmen Sie mit aus der Erfahrung von «Making the Cut» – abgesehen von Ihrem Sieg und der Prämie?
Dass ich auf meine Intuition vertrauen darf. Und dass sehr oft der erste Gedanke richtig ist und nichts Besseres dabei herauskommt, wenn ich noch zwei, drei Wochen länger darüber nachdenke. Einfach mal machen, nicht nur denken.

In der Show hatten die Kandidat:innen jeweils sehr wenig Zeit für die Challenges. War das tatsächlich so oder sah das nur für die Zuschauer:innen so aus?
Die Zeit in der Show war tatsächlich so knapp und deshalb auch ziemlich crazy. Ich habe dadurch aber gelernt, dass ich in sehr kurzer Zeit sehr viel realisieren kann. Trotzdem nehme ich mir jetzt aber wieder mehr Zeit. Denn es ist schon ein Unterschied, ob ein Kleidungsstück für ein Bild oder für eine Show funktionieren soll – oder für den Verkauf und das reale Leben.

Wer sind Ihre Vorbilder?
Martin Margiela, Rei Kawakubo von Comme des Garçons, Rick Owens – das sind Menschen, zu denen ich designtechnisch aufschaue. Ich habe aber noch mehr Ziele. Ich will nicht nur designtechnisch überzeugen, sondern wirklich auch soziopolitisch etwas verändern, in der Nachhaltigkeit, in der Gesellschaft.

Was ist Ihr nächster Schritt auf dem Weg zu diesen grossen Zielen?
Neue Produkte auf den Markt zu bringen, die es so noch nicht gibt. Momentan beschäftigt mich nachhaltige Bademode. Denn egal wie man es verkauft – ob recycelt oder nicht –, Bademode besteht zurzeit aus Nylon und Polyester, sprich zu 100 Prozent aus Plastik. Und Plastik als Bademode heisst eigentlich nichts anderes, als das Mikroplastik dorthin zu bringen, wo es am schädlichsten ist.

Wie könnte dieses Problem angegangen werden?
Ich glaube, ein guter Ansatz wäre, wenn man einen Weg finden könnte, um Bademode komplett plastikfrei und so biologisch abbaubar zu machen. Das ist sicher ein grösserer Weg, es gibt noch nichts dergleichen auf dem Markt. Aber ich habe seit Längerem ein paar Ideen. Dort möchte ich weiter ansetzen und schauen, ob sie funktionieren.

 

Die dritte Staffel von «Making the Cut» läuft auf Amazon Prime.

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